Meinung

faircheckt: Nach dem Ausstieg – Wieso Atomkraft immer noch kontrovers diskutiert wird

Auf einer Landschaft stehen Atomkraftwerke, die Rauch ausstoßen.
Kernenergie beinhaltet einige Risiken und ist im Vergleich zu erneuerbaren Energien sogar teuer.

In ihrer Kolumne „faircheckt“ beschäftigt sich Sonja alle vier Wochen mit Themen aus dem Bereich der sozialen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Heute geht es um die Frage, ob wir Atomkraft brauchen, um die Klimaneutralität zu erreichen.

Sonja Walke, funky-Jugendreporterin
Sonja_Walke

Lasst mich ehrlich sein: Weder von Atomkraft noch davon, wie der Strommarkt funktioniert, habe ich genug Ahnung, um mir dazu wirklich eine Meinung bilden zu können. Wovon ich vielleicht ein bisschen Ahnung habe, das sind Debatten. Aber keine Sorge – ich möchte den Streit darüber, weshalb die EU nun Gas- und Atomkraft als nachhaltig einstuft, nicht wieder aufwärmen. Ebenso wenig will ich die Diskussion darüber, in welcher Reihenfolge der Atom- und Kohleausstieg in Deutschland hätten geplant werden sollen, auseinandernehmen. In Deutschland stehen wir mit dem Atomausstieg nun vor vollendeten Tatsachen: Im April wurden die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet.

Trotzdem ist hier und da die Rede von einer neuen Art Mini-Kernkraftwerken, die sicherer sein sollen als die großen Kraftwerke. Expertinnen und Experten scheinen sich bisher jedoch darüber einig zu sein, dass die keinen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten. Ihre Leistung bei der Stromproduktion ist nämlich so gering, dass mehrere Tausend von ihnen gebaut werden müssten, um die großen Reaktoren zu ersetzen. Doch wir Menschen sind weit entfernt davon, dieses Ziel in den nächsten Jahren zu erreichen.

Allerdings haben es sich einige Menschen in den Kopf gesetzt, das Klima-Problem auf globaler Ebene – zumindest teilweise – mit Atomkraft zu lösen. Organisationen wie Terra Praxis argumentieren, dass Kernenergie zwar nicht hundertprozentig sicher sei, aber dass die Nutzung von Kohlekraftwerken sicherlich mehr Menschenleben kosten würde. So mischen sie die Debatte um die „richtige“ Form der Energieversorgung (wieder) auf. Auf ihrer Website wirbt die Organisation damit, Lösungen zu entwickeln, die nicht von individuellen Verhaltensänderungen abhängen – wie bequem, wenngleich da eine große Portion Technologie-Optimismus mitschwingt. Und wie sollen derartige Lösungen dann in die Praxis umgesetzt werden? Mit der „Kraft des Marktes“ – also wirtschaftlichen Anreizen – natürlich, denn so lassen sich menschliche Wünsche nach Klimaschutz und Wohlstand (zumindest scheinbar) vereinen. Und sobald es dann doch mal um Sicherheitsrisiken geht, wird die Debatte schnell auf die Schwächen anderer Energieträger gelenkt. Durch dieses Ablenkungsmanöver treten die Risiken von Atomkraft schnell wieder in den Hintergrund.

Der Punkt ist: Kernenergie ist nicht nur nicht ganz risikofrei, sondern im Vergleich zu erneuerbaren Energien auch teuer und braucht oft eine noch längere Vorlaufzeit. Diese Zeit haben wir aber nicht. Und bevor wir uns darum kümmern, den CO2-Ausstoß anderer Länder mithilfe von Atomkraft zu senken, sollten wir vielleicht erst einmal unseren eigenen Fußabdruck in den Griff bekommen. Neben dem Ausbau von Sonnen- und Windkraft braucht es dazu neue Speichermöglichkeiten, und – noch viel wichtiger – Einspar-Maßnahmen. Denn je weniger Strom wir Menschen  in den kommenden Jahren verbrauchen, desto weniger muss auch geliefert werden – und desto besser kommen wir in Deutschland dann auch ohne Kern- und Kohlekraft aus.

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