Selbstversuch: Eine Woche lang Gespräche mit Fremden führen

Zwei junge Menschen an der Bushaltestelle
Warum nicht mal mit jemanden ins Gespräch kommen, anstatt auf´s Handy zu gucken oder Musik zu hören?

Eine Woche lang ehrlich sein, keinen Plastikmüll produzieren oder auf Instagram verzichten? In dieser Rubrik versucht sich die Jugendredaktion an spannenden Selbstexperimenten. 

Alene Paulina Schnell, funky-Jugendreporterin

Mit fremden Menschen nehmen wir nur selten Kontakt auf. Oft fokussieren wir uns mehr auf das Smartphone als auf die Personen neben uns. Doch welche Gespräche, Geschichten und Menschen verpassen wir, wenn wir nur in unserer eigenen Welt leben? Ich habe es herausgefunden, indem ich eine Woche lang jeden Tag mit einem fremden Menschen gesprochen habe.

Ich fange simpel an und nutze meinen Hund zum Ansprechen – mit anderen Hundebesitzerinnen und -besitzern komme ich schnell ins Gespräch. Mit meinem tierischen Begleiter im Park unterhalte ich mich locker, und nicht nur über die Vierbeiner. Außerdem rede ich bei meiner Arbeit im Testzentrum mit einer Dame über Smartphones. Wer hätte gedacht, dass so einfach spannende Gespräche mit Fremden entstehen können?

Nach einigem Zögern und mit schnellem Herzschlag spreche ich sie auf das gute Wetter an.

Abends sehe ich auf YouTube, wie jemand andere Personen einfach auf der Straße anspricht. Ob ich mich das auch traue? Am Tag darauf ergibt sich eine passende Situation. Eine Frau im Bus und ich schauen beide aus dem Fenster. Nach einigem Zögern und mit schnellem Herzschlag spreche ich sie auf das gute Wetter an. Sie scheint sich zu freuen und für den Rest der Fahrt unterhalten wir uns angeregt.

An einem anderen Tag tauschen eine Dame neben mir auf der Parkbank und ich uns sogar tiefgründiger aus. Wir sprechen über Reisen, Zukunftspläne und sie gibt mir einige Lebensweisheiten mit auf den Weg. Am Ende fühle ich mich plötzlich sehr glücklich.

Am Ende fühle ich mich plötzlich sehr glücklich.

Dieses Gefühl der Verbundenheit heißt „fleeting intimacy“, erfahre ich nach kurzem Googeln. Forschende betonen die positiven Auswirkungen von Gesprächen mit Fremden. Es gibt sogar einen TedTalk darüber, der mich noch mehr motiviert, mein Experiment voranzutreiben.

Also spreche ich auch Menschen meines Alters an. Anfänglich verläuft es etwas holprig. Als ich eine junge Frau im Bus auf ihr Buch anspreche, erzählt sie mir freundlich den Titel. Doch als mir kein weiterer Gesprächsbeitrag einfällt, sitzen wir schweigend nebeneinander. Das hat nicht so geklappt wie erhofft. Tatsächlich war es mir auch etwas peinlich. Einige Tage später ergibt sich auf einer Zugfahrt aber eine neue Möglichkeit: Ein junger Mann unterhält sich am Telefon auf Spanisch. Schließlich überwinde ich mich, ihn mit den in der Schule gelernten Sätzen anzusprechen. Diesmal habe ich Glück und im Laufe der Zugfahrt entwickelt sich ein langes Gespräch. Ganz vertraut tauschen wir uns über Studium, unsere Leben und das aus, was uns bewegt. Erstaunlicherweise studiert er sogar das Gleiche wie meine mitreisende Freundin. Es ist schön, was für unterschiedliche Menschen man durch einen freundlichen Satz kennenlernen kann!

Wenn man sich einen Ruck gibt, lernt man viele interessante und freundliche Menschen kennen.

Am Ende der Woche bin ich begeistert von Gesprächen mit Fremden. Wenn man sich einen Ruck gibt, lernt man viele interessante und freundliche Menschen kennen. Zwischenmenschliche Verbundenheit tut gerade in Corona-Zeiten einfach gut. Ich mache damit auf jeden Fall weiter. Denn wer weiß, welche Begegnungen und Geschichten da draußen auf mich warten!

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.