Meinung

Freundschaften mit älteren Menschen: Wie ist das so?

Vier Freunde liegen sich inn den Armen und lachen ausgelassen.

Luisa hat kaum gleichaltrige Freund*innen. Was sie an Freundschaften mit Älteren schätzt, erfahrt ihr im folgenden Text.

Luisa Flaitz, funky-Jugendreporterin

Ich bin ziemlich früh, genau genommen mit 13 Jahren, in Freundeskreise mit ausschließlich älteren Menschen hineingerutscht. Damals waren sie im Schnitt zwischen zwei und vier Jahren älter. Im Laufe der Jahre wechselte ich den Kreis und befand mich, im Alter von 15 Jahren, in einem Umfeld, das vor allem  aus 19- und 20-Jährigen bestand. Ich fand es als cool und berauschend, die Themen waren spannender und nicht so belanglos wie das, worüber meine Mitschüler*innen sprachen. Hatte ich ein Problem, gab es nicht nur einen richtigen Lösungsweg, sondern viele verschiedene. Und vor allem konnte ich durch meine Freundschaften mit Älteren den Weg für mich ausfindig machen, der sich richtig anfühlt. 

Vor zwei Jahren traf ich Christina. Sie war doppelt so alt wie ich und machte ihren zweiten Laden im Haus meiner ersten eigenen Wohnung auf. Damals trennte ich mich von meinem Freund, zog aus der ersten eigenen Wohnung wieder aus und weil das noch nicht genug war, trennten sich auch noch meine Eltern. Jeden Nachmittag ging ich zu Christina in den Laden und sie nahm sich, wortwörtlich, stundenlang Zeit, um sich meine Probleme anzuhören. Sie zeigte mir eine Perspektive, die ich aufgrund meiner fehlenden  Lebenserfahrung unmöglich schon kennen konnte. Christina lieferte mir die Perspektive einer eigenständigen Geschäftsfrau, die Trennungen erlebt hatte, geschäftlich und privat, die Welt bereist hatte und irgendwie noch immer versuchte, sich selbst kennenzulernen. 

Christina gab mir das Gefühl, Freundin und große Schwester zugleich zu sein, mit der ich mich aber dennoch auf Augenhöhe befand und die mich nicht bevormunden wollte. Im Gegensatz zu meinen anderen Freunden, die mittlerweile Mitte 20 waren, redete sie immer wieder auf mich ein und motivierte mich dazu, meine Jugend nicht zu vergessen. Um ganz ehrlich zu sein, habe ich das nie gemocht, weil ich mich doch schon so erwachsen fühlte und mithalten wollte. „Aber es haben doch alle die gleichen Themen. Auch meine älteren Freunde. Wieso soll ich mich aufgrund meines Alters anders sehen!“, erwiderte ich immer. 

Was ich da noch nicht begriff, war, dass meine jugendlichen Charakterzüge und das unüberlegte Verhalten mich ausmachten und nichts Negatives waren. Ich musste anfangen, mein Alter zu akzeptieren und in Hinblick darauf auch, dass ich einige Erfahrungen noch gar nicht hätte machen können und dementsprechend auch noch Fehler machen musste, die meine älteren Freunde schon gemacht hatten. Trotz allem zogen meine Fehler die gleichen Konsequenzen nach sich. Im Umkehrschluss musste ich also lernen, nicht so hart zu mir selbst zu sein. Wenn man mit älteren Menschen  befreundet ist, wird man nach einer gewissen Zeit wie eine von ihnen behandelt. Nicht nur man selbst vergisst manchmal, wie alt man ist, sondern das Umfeld auch.

Nimm die Ratschläge an, die wir dir geben, überspring aber deine Jugend nicht. Du musst deine Emotionen und Gefühle nicht unterdrücken, nur weil andere diese aufgrund ihrer Lebenserfahrung nicht mehr haben. Mach deine eigenen Erfahrungen. Wie du dich fühlst, ist deswegen nicht gleich falsch.

Christina Frichert

Ich muss zugeben, dass Freundschaften mit älteren Personen nicht immer einfach sind. Aktiv oder passiv versucht man oft hineinzupassen und bloß nicht übermütig oder impulsiv zu wirken, weil man dadurch auf sein Alter reduziert werden könnte. Es ist herausfordernd, das Gefühl abzulegen, sich beweisen zu müssen und reif genug zu sein, obwohl das nicht in der eigenen Verantwortung liegt, sondern allein in der Hand des Gegenübers. 

Es hat Zeit gebraucht, bis ich meinen Weg und mich akzeptiert habe und dass ich mich nicht für meine Freund*innen ihrem Alter entsprechend verhalten muss, sondern mir gegenüber fair bleiben konnte. 

Allerdings haben mir die zwischenmenschlichen Beziehungen zu älteren Menschen unglaublich viel gegeben. Sie haben mir gezeigt, dass man die traurigsten Zeiten und verzweifeltesten Phasen überstehen kann. Außerdem hilft es, wenn die Ratschläge nicht ausschließlich von jemandem kommen, der es ja eigentlich noch gar nicht wissen kann. Sie konnten mir Tipps geben, wie man Situationen bewältigt, worauf es im Leben wirklich ankommt und dass man in den Jahren darauf mit einem Lächeln auf schwierige Situationen zurückblicken wird, die man gemeistert hat. Ich habe unter anderem durch Christina ein Gefühl von Vertrauen in die Zeit und meinen persönlichen Reifungsprozess bekommen.

Mit der Zeit verlor ich immer weiter den Anschluss an Gleichaltrige und habe das bis heute fast nie bereut. Auch wenn ich mir manchmal denke, dass ich vielleicht doch noch länger eine unbeschwerte Teenagerin hätte sein sollen, deren einziges Problem gleichaltrige Jungs und die Schule sind.


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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.