Reingeschaut: Fatih Akins Rheingold

“Rheingold" von Fatih Akin
„Rheingold", der neue Kinofilm vom Regisseur Fatih Akin läuft ab dem 27. Oktober in den Kinos.

Ein neuer deutscher Gangsterfilm ist auf dem Markt! „Rheingold“, der neue Kinofilm unter der Regie von Fatih Akin, geht um den Rapper Xatar. Seine Lebensanfänge im Gefängnis, die Flucht über Umwege nach Deutschland, der Druck vom erfolgreichen Vater und schließlich der Weg in die Kriminalität und wieder heraus – dem Rap sei Dank, der als Rettungsanker fungiert.

Alicia Homann, funky Jugendreporterin

Xatar, mit bürgerlichem Namen Giware Hajabi, ist in der Rap Szene vor allem dafür bekannt, dass seine Texte auf wahren Erlebnissen beruhen. Er wird dafür respektiert, dass er vom Gefängnis und Überfällen rappt, da er beides wirklich erlebt hat – im Gegensatz zu anderen, die sich lediglich ihrer Fantasie hingeben. 2015 veröffentlichte er eine Autobiografie, in der er seine turbulente Lebensgeschichte erzählt. Fatih Akin (Regisseur von „Soul Kitchen“) hat diese nun auf die Leinwand gebracht, der Film erscheint am 27. Oktober in den deutschen Kinos.

Giware wird durch Emilio Sakraya verkörpert, den man sonst eher mit „Bibi und Tina“ in Verbindung bringt. Auch seine Glatze ist zunächst gewöhnungsbedürftig. Die Vermutung liegt nahe, dass er sich von seinem Schönlings-Image befreien möchte. Ob man ihm am Ende den harten Gangster abkauft, oder ob es doch Emilio Sakraya mit Glatze bleibt, muss jede*r für sich selbst entscheiden.

Von Augenschmaus zu zähem Kaugummi

„Rheingold“ beginnt stark. Wir befinden uns in Syrien, Giware ist im Gefängnis. Die Bedingungen dort sind menschenunwürdig. Einer seiner vielen Mitinsassen erklärt ihm die Toilettensituation: In einer Ecke gibt es Plastikflaschen, in die uriniert wird. Außerdem sagt er auf Kurdisch: „Zum Scheißen gehen wir einmal am Tag in den Hof.“ Dazu kommt die Folter. Er soll verraten, wo das Gold ist –  wenn er dies preisgibt, ist er frei. Allerdings schweigt Giware eisern und gibt sich seinem Schicksal hin. Bis jetzt wissen die Zuschauenden nicht, von welchem und wie viel Gold die Rede ist.

Gleichzeitig wird klar, dass das alles nicht Neues ist für ihn ist: „Meine ersten Erinnerungen sind die an das Gefängnis.“ Seine Eltern sind Kurden und werden im Irak verfolgt. Irgendwann werden sie festgenommen, mit ihnen ihr kleiner Sohn. Diesem entgeht nicht, dass seine Eltern gefoltert werden. Sie kommen schließlich frei, weil der Vater ein bekannter Komponist ist.

Über Umwege gelingt die Flucht nach Deutschland. Aber auch hier hat es für Giware nicht leicht: Der Vater hat hohe Ansprüche, denen er nicht gerecht werden kann. Als sein Vater schließlich die Familie mitsamt allen Geldern verlässt, gerät Giware auf die schiefe Bahn.

Und damit wird auch der Film immer schwächer. An manchen Stellen hat er solch enorme Längen, dass man das Gefühl bekommt, man würde äußerst lange auf einem Kaugummi herumkauen. Dann der Höhepunkt des Filmes: der Goldraub. Hier kommt die Konzentration nun doch zurück. Giware, sein Freund Samy und zwei weitere rauben einen Goldtransporter, der Zahngold transportiert, auf äußerst dreiste Weise aus. Dass das Ganze in der Realität genau so funktioniert hat macht die Szenen noch besser.

3 in 1

Eigentlich könnte man aus dem einen Film drei machen. Erstens: Die Flucht und die Kindheit unter einem strengen Vater. Zweitens: Sein Einstieg in die Kriminalität und der Goldraub. Drittens: Giwares Weg aus der Kriminalität und zum Rapper und Unternehmer. Alle Geschichten können ohne Problem in einem Buch erzählt werden, allerdings verfehlen sie, derart in einen Film gepresst, ihre Wirkung. Denn die Geschichte sind alle interessant und man wünscht sich zu jeder von ihnen mehr Details. Allerdings wäre der Film dann nicht zweieinhalb, sondern eher vier Stunden lang. Aber das eine Buchverfilmung nicht eins zu eins das Buch wiedergeben muss, hatte Akin eigentlich schon mit „Tschick“ bewiesen.

Doch so gehen die vielen Facetten, die die Figur Giware hat, unter: Sohn eines weltbekannten Pianisten und einer kurdischen Freiheitskämpferin, Opfer eines autoritären Vaters, guter Freund und Sohn, der um seine Mitmenschen bemüht ist, fieser Verbrecher, ambitionierter Geschäftsmann und talentierter Rapper, wie es scheint.

Bloß nicht festlegen!

Es wirkt die ganze Zeit so, als könne sich der Film nicht entscheiden. Harte Brutalität oder Witz? Eine Verfilmung von Xatars Leben oder des Goldraubs? Xatar der Rapper oder Giware der Verbrecher? Offensichtlich liegt die Antwort irgendwo dazwischen. Das ist auch logisch, da Menschen nicht eindimensional sind und Giware auch heute mehrere Unternehmen neben seinem Beruf als Rapper führt. Allerdings fehlt dem Film dadurch der Fokus.

Am Ende bleiben die Zuschauenden nach der Moral suchend zurück, nach der tiefen Aussage von grübelnd, was auf der Leinwand zu sehen war. Fatih Akin wollte hier keine reine Unterhaltung kreieren, das spürt man sofort. Aber was er kreieren wollte, ist ebenso unklar. Da ist das Ende des Filmes doch sehr passend: Giwares Tochter fragt, wo das Gold denn heute sei. Er flüstert ihr die Antwort ins Ohr. Daraufhin fährt die Kamera auf den Grund des Rheins und zeigt uns eine magische Unterwasserwelt mit Meerjungfrauen und (ja, ganz richtig) Gold. Hier wird Akins besonderer Fingerabdruck deutlich, denn der Wagner Liebhaber hat sich von der Oper „Rheingold“ inspirieren lassen.

Unsere Meinung: Für Xatar-Liebhaber ist „Rheingold“ wohl ein Muss. Auch für Nicht-Liebhaber ist der Film keine falsche Wahl. Er ist unterhaltsam und erzählt eine wahrlich einzigartige Geschichte, die sehenswert ist. Fatih Akin-Liebhaber werden jedoch nicht auf ihre Kosten kommen und man sollte nicht mit der Erwartung herangehen, ein Meisterwerk an Film zu sehen.

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