Interview

Fabian Hart: „Zu sich selbst zart sein, das ist für viele Männer neu!“

Ein Mann liegt in einem bunten Kleid auf einem Sofa
Fabian Hart hat es nicht mit dem klassischen Männerbild.

In seinem Podcast „Zart Bleiben“ räumt Fabian Hart mit veralteten Männerbildern auf. Wir haben mit dem Autoren und Modejournalisten gesprochen.

Maleen Harten, funky-Jugendreporterin

Immer mehr jungen Männern gelingt es, alte Rollenbilder abzustreifen und „neue“ Generation wächst mit einem deutlich aufgeklärteren Männerbild heran. Doch was heißt das eigentlich? Wo ordnet sich der moderne junge Mann ein? Darf Männlichkeit als solche überhaupt noch eine Rolle spielen? Auf all diese Fragen findet Fabian Hart in seinem Podcast „Zart bleiben“ eine Antwort. Der Autor und Modejournalist hatte sich bereits mit seiner Vogue-Kolumne „Das Neue Blau“ einen Namen gemacht, als er 2020 mit seinem Podcast „Zart Bleiben“ startete. Mit seinem Podcast will Fabian Hart herkömmliche Männlichkeitsbilder hinterfragen und dekonstruieren ohne „Männer-Bashing“ zu betreiben. Mit wechselnden Gäst*innen aus Kultur, Politik- und Social Media – darunter auch einige Schwergewichten wie Sibylle Berg und Herbert Grönemeyer – erörtert er, warum es Männern noch immer so schwerfällt, Schwächen einzugestehen und ihre weichen Seiten zu zeigen. Am 29. April 2022 wird nun die dritte Staffel von „Zart Bleiben“ anlaufen. Im Interview erzählt Fabian Hart unter anderem, warum er über den Modejournalismus zum Thema Männlichkeit fand und warum männliche Selbstfürsorge so revolutionär sein kann.

Fabian Hart, Brooklyn/New York, 2020

Fabian, du hast im Sommer 2020 mit deinem Podcast „Zart Bleiben“ begonnen. Erzähl doch mal, wie es dazu kam!
Im Lockdown 2020 kam ich zurück nach Hamburg. Drei Jahre hatte ich zwischen Deutschland und Brooklyn gelebt, Korrespondentenjobs übernommen und meine Kolumne für die Vogue geschrieben. Zurück in Hamburg fiel mir erst einmal die Decke auf den Kopf und dann kam eben diese Idee mit dem Podcast. Natürlich kam ich mir wie ein Klischee vor, jetzt auch einen Podcast zu starten, weil ja inzwischen quasi alle einen haben. Aber ich habe früher schon beim Radio gearbeitet und auch beim Musikfernsehen und meine Kontakte als Journalist hatte ich auch. Also habe ich einfach losgelegt.

Gibt es einen Grund, warum du zunächst Modejournalist geworden bist?
Ich habe mich sicherlich nach dem Abitur in die Modewelt geflüchtet, weil es die eine Branche ist, in der es Identifikationsfiguren für mich als schwulen jungen Mann gab. Die logische Schlussfolgerung war also: „Du schreibst gern, du bist medienaffin und gay, wo sonst als in der Mode sollst du deinen Platz finden?“ Ich habe nach dem Studium für Männermagazine geschrieben, und obwohl es dort auch progressive Modestrecken gab, wurden meine Ideen für Texte oftmals nicht angenommen und ich fühlte mich als der ungebetene Gast in einer reinen Hetero-Welt. Doch dieses Scheitern hatte auch sein Gutes. Denn dadurch habe ich begriffen, dass ich meine eigenen Plattformen gründen muss, um die Themen, die mich interessieren, an die Öffentlichkeit zu bringen. Und das hat dann auch funktioniert, erst mit einem Blog, dann mit meiner Kolumne und jetzt mit dem Podcast.

Fabian Hart, Hamburg, 2021

Wie bist du dann auf dein Thema „toxische Männlichkeit“ gekommen?
Je mehr Erfahrungen ich in der Modewelt machte, desto mehr konnte ich sehen, dass es wirklich immer und überall das gleiche Männerbild ist, das reproduziert und gehyped wird. Vor allem bei klassischen Männermagazinen lief es am Ende immer wieder auf die gleichen Themen hinaus: Bauchmuskeln, Fußball, Cocktails, Barbecue, James Bond, Autos, Frauen. Die Männer, die diesem Bild nicht entsprachen, blieben eher die nerdigen Randfiguren. Wie kann es sein, dass Männlichkeit ein so festgeschriebenes Handbuch ist, eine Art Erwartungskatalog? So bin ich auf dieses Thema gekommen, ohne es damals bereits mit meiner eigenen Biografie und etwa Homophobie in Zusammenhang zu bringen.

In einigen Wochen startet die dritte Staffel von „Zart Bleiben“. Was werden die Themen der kommenden Folgen sein und wer sind die Gäste?
Ich versuche den Podcast so aktuell wie möglich zu halten und frage deshalb auch meine Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen sehr kurzfristig an. Aber so viel kann ich schon verraten: Es wird etwa um das Militär und Männlichkeit gehen. Außerdem werden wir auch über Männerbilder sprechen, die von der ehemaligen Sowjetunion und auch vom Antislawismus geprägt sind.

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Fabian Hart, Los Angeles, 2021

Was willst du mit deinem Podcast erreichen und warum ist er auch für jüngere Leute interessant?
Meiner Meinung nach gibt es auch heute, im Jahr 2022, kaum Narrative in den klassischen Medien, in denen Männlichkeit oder Geschlechterrollen neu gedacht werden. Das will ich mit meinem Podcast ändern. Denn ich bin überzeugt davon, dass hinter den traditionellen Geschlechterzuschreibungen für uns alle eine neue Freiheit liegt, weil patriarchale Männlichkeit nicht nur Frauen und marginalisierten Gruppen schadet, sondern auch den Männern selbst. Männlichkeit ist ein ganzer Anforderungskatalog, der dich limitiert: von der Art wie du sprichst, ein Getränk hältst, bis hin zur Berufswahl oder wen und wie du liebst. Unsere Vorstellung von einem „richtigen Kerl“, einem „echten Mann“ unterdrückt Persönlichkeitsanteile. „Heul nicht rum“, „Sei keine Memme“, „Du Mädchen“, „Schwächling“, „Lass dir ein paar Eier wachsen“ – ständig Männlichkeit beweisen und verteidigen zu müssen, hat nicht nur eine grundlegende Aggression anderen gegenüber zur Folge, sondern macht einen auch selbst fertig.

Männlichkeit ist ein ganzer Anforderungskatalog, der dich limitiert.

Fabian Hart

Wenn es da zu einer Entkrampfung kommen würde, hätte jeder etwas davon. Gleichzeitig sind es tatsächlich auch viele Frauen, die an alten Rollenbildern festhalten und die irritiert sind, wenn ein Mann plötzlich schwach ist, keinen Hammer halten kann oder auch mal weint. Und das ist ja auch ganz verständlich, denn wir sind ja alle mit diesen Bildern und Strukturen aufgewachsen und alles andere ist erstmal neu und ungewohnt. Hier setze ich große Hoffnungen auf die Jüngeren, weil sie die bestehenden Traditionen und Institutionen, etc. nicht mehr als „gegeben“ abnicken, sondern sie, viel stärker als meine Generation, hinterfragen und aktiv zu ändern versuchen.

Gibt es eigentlich auch eine männliche Sehnsucht nach einem Prinzen auf einem Pferd, der einen rettet?
Klar gibt es die. Und wenn ich reiten könnte, dann würde ich auch definitiv mal jemanden mit dem Pferd abholen. Im Endeffekt ist es doch so: Jeder Mensch kennt diese Momente totaler Überforderung, sich ausgeliefert zu fühlen, nicht mehr weiter zu wissen. Wir alle wollen manchmal „auf den Arm“ und gerettet werden. „In der Schwäche verbinden wir uns“ hat Herbert Grönemeyer in der ersten Staffel von „Zart Bleiben“ gesagt. Die Frage ist nur, warum haben viele Männer oft Probleme damit, die eigenen Schwächen und Sehnsüchte auch zum Ausdruck zu bringen?

Dein Sponsor bei „zart bleiben“ ist die Naturkosmetikmarke Dr. Hauschka. Welche Rolle spielen Selfcare und Kosmetik für dich?
Bei den meisten Männern ist es doch noch immer eher so: „Ich schmier mir irgendwas ins Gesicht, egal was“ oder „Ich mach den Vorsorge-Termin nicht. Ich bin ja gesund.“ Der Körper ist eine Maschine, die funktioniert und trainiert wird, aber wenig Zuwendung braucht, nach dem Motto: harte Schale, harter Kern. Ich denke, dass daher gerade in der Selbstfürsorge so viel Revolutionäres für den Mann liegt. Zu sich selbst zart zu sein, sich selbst fürsorglich gegenüber zu treten, das ist für viele Männer neu, aber so wichtig.

Und last but not least: Wann fühlst du dich männlich? Und hat sich das in den letzten Jahren verändert?
Mittlerweile denke ich, dass ich nicht rosa tragen muss, um zu zeigen, dass ich ein moderner Mann bin. Das war früher anders. Zum Beispiel habe ich mich jahrelang gegen Kraftsport gewehrt, weil ich immer dachte, das machen nur so Bodybuilder-Typen, die alte Werte vertreten und ich sei eher so der Typ Pilates. Jetzt mache ich seit einem halben Jahr Kraftsport und es macht mir total viel Spaß. Gleichzeitig kann ich mir gut vorstellen, dass deswegen einige über mich sagen: „Was redet der denn über neue Männlichkeit, der ist doch total trainiert, hat kurze Haare und Bizeps.“ Ja, aber warum denn auch nicht?

In der Selbstfürsorge liegt so viel Revolutionäres für den Mann.

Fabian Hart

Allein durch meine Arbeit stelle ich patriarchale Männlichkeit infrage und das bedeutet auch, dass ich mich immer wieder kritisch beäuge. Poche ich auf mein Selbstverständnis am lautesten sein zu können, den meisten Raum einzunehmen, am ehesten gehört zu werden, den Chef zu spielen, etc.? Ich möchte aber auch nicht den „erträglichen Schwulen“ spielen, der sich in eine heteronormative Gesellschaft einfügt und glücklich ist, endlich auch heiraten zu dürfen oder als der beste schwule Freund, der immer top gekleidet ist und auch ein bisschen „crazy“. Das Schlimmste, das man zu mir sagen könnte, ist: Ich finde dich echt witzig. Viele queere Personen in den deutschen Medien werden als Paradiesvögel inszeniert und als Witzfiguren entsexualisiert. Aber ich will, dass man mich ernst nimmt. Sowohl in einer Jeanshose als auch im Kleid. Ich will nicht paradiesvögelt werden.

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