Meinung

Sollte es in Deutschland „Menstruationsurlaub“ geben?


In Japan, Taiwan, Südkorea, England oder auch in den Niederladen gibt es ihn schon, den „Menstruationsurlaub“. Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob und wie er auch in Deutschland umgesetzt werden könnte. Eins steht dabei fest: Egal, ob wir beim Thema Verhütung oder Menstruation sind – die Gleichberechtigung hat noch einen langen Weg vor sich. Ein Kommentar.
Nina Sabo, funky-Jugendreporterin

Für so manchen Chef – und hier kann bewusst auf das Gender-Sternchen verzichtet werden – läuten die Alarmglocken, wenn das Wort „Menstruationsurlaub“ im Raum steht. Was in niederländischen Unternehmen als „Moon Days“ und in England als „period leave“ bezeichnet wird, bedeutet für menstruierende Mitarbeiter*innen in der Praxis, dass sie während ihrer Regelblutung nicht arbeiten müssen. Klingt doch eigentlich ziemlich fortschrittlich – oder?

Beim englischen Unternehmen CoExist ist die Regelung ganz einfach: Betroffene können sich einmal im Monat ohne Angaben von Gründen krankmelden. Im Unternehmen „Your Super“ der Niederländerin Kristel de Groot steht es den Mitarbeiter*innen ebenfalls frei, sich während der Periode Urlaub zu nehmen, von Zuhause aus zu arbeiten oder Termine abzusagen.

80 Prozent aller Frauen ertragen in ihrem Leben Periodenschmerzen

Aber warum stehen die Worte „Menstruationsurlaub“, „period leave“ oder „Moon Days“ überhaupt im Raum? Fakt ist, dass rund 80 Prozent aller Frauen in ihrem Leben Periodenschmerzen ertragen müssen. Laut Womens Health Concern wird die Periode bei 40 Prozent der Frauen darüber hinaus von premenstrualen Symptomen wie Aufblähen, schmerzhaftem Spannen der Brüste, Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen und Müdigkeit begleitet. Der Begriff „Urlaub“ suggeriert dem Chef also vielleicht nicht so ganz das Richtige. Für viele Betroffene ist das Menstruieren alles andere als Urlaubsfeeling. Bei manchen gehen drei Ibuprofen drauf, um ohne Schmerzen arbeiten zu können.

Linda Becker hält für den BR im Gespräch mit Dr. Linda Hertlein, Oberärztin an der Frauenklinik der LMU, fest, dass jede zehnte Frau von Endometriose betroffen ist. Das ist eine häufige Unterleibserkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter ansiedelt und starke Schmerzen im Unterleib verursachen kann. Sehr treffend kommentiert Becker dazu: „Würden diese Symptome nicht unter dem Label Menstruation laufen, würde jeder zu Hause bleiben.“

Die Menstruation ist immer noch ein Tabuthema

Verkompliziert wird die Debatte durch die Frage: Aus welcher Perspektive wird entschieden, wie sehr sich die Regelblutung auf das Arbeitsleben der Betroffenen auswirkt? Menschen, die weder menstruieren noch Kinder gebären, sollten meiner Meinung nach nicht die Entscheidungsträger sein. Ihnen fehlt die Vorstellung davon, was mit der Menstruation einhergeht.

Die Menstruation ist leider immer noch ein Tabuthema. Das spiegelt sich vor allem in den verschleiernden Begriffen wie „Erdbeerwoche“ oder „die Tage“ wider, erklärt die taz. Eine Studie der Zyklus-App „Clue“ und der International Women’s Health Coalition aus dem Jahr 2015 ergab, dass 76 Prozent der deutschen Frauen* kein Problem damit haben, mit Kolleginnen oder Mitschülerinnen über ihre Periode zu sprechen. Handelt es sich bei dem Gesprächspartner um einen Mann, sind es nur 25 Prozent.

„Menstruationsurlaub“ wirke negativen Zuschreibungen nicht entgegen

Gerne genutzt wird die Menstruation hingegen als Erklärungsgrund, wenn Frau* mal wieder schwierig ist: „Die hat bestimmt ihre Tage“, heißt es dann. Zuschreibungen wie diese fallen negativ ins Gewicht, wenn über den „Menstruationsurlaub“ diskutiert wird. Gerade solchen Stigmatisierungen müsse man entgegenwirken, indem man den „Menstruationsurlaub“ gar nicht erst zuließe, fordern Gegner*innen.

Nichtsdestotrotz kann ich Linda Becker nur recht geben, wenn sie festhält: Ein Tabu geht nicht weg, indem man es ignoriert. Perspektivwechsel zu vollführen ist kein Kinderspiel, aber Fakten zu akzeptieren ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wenn man Betroffenen dann auch noch freistellt, ob sie den „Menstruationsurlaub“ in Anspruch nehmen möchten oder nicht, ist in meinen Augen schon viel Gutes getan.

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