Larissa Menne, funky-Jugendreporterin
„Und mit zehn Jahren haben Sie am liebsten in rosa Bettwäsche geschlafen, oder?“ Stell dir einmal vor, du würdest diese Frage bei einem Vorstellungsgespräch gestellt bekommen. Was auf den ersten Blick abwegig erscheint, könnte Kindern von Influencerinnen und Influencern aber genauso passieren. Wer als „Familieninfluencerin“ oder „Familieninfluencer“ nicht aufpasst, überschreitet häufig nicht nur die Grenze, dass Kinder nicht „arbeiten“ dürfen, sondern missachtet auch die Privatsphäre der eigenen Kinder. Unter Umständen müssen diese dann ihr ganzes Leben mit den Konsequenzen von Mamas „Outfit oft the day“-Videos und Papas Vlogs über das gemeinsame Spielen in der Badewanne leben.
Ein Großteil der Menschen teilt heute Bilder aus dem eigenen Leben im Internet, sei es ein witziges Selfie auf Snapchat oder ein schöner Sonnenuntergang im WhatsApp-Status. Auf YouTube, Instagram und TikTok überschreiten derweil aber viele Familien diesen Rahmen und machen die sozialen Medien zum öffentlichen Familienalbum und ständigem Alltagsbegleiter. Es gibt unendlich viele deutschsprachige, aber auch internationale Accounts mit ähnlichem Inhalt auf den gängigen Plattformen. Häufig werden in der Profilbeschreibung bereits alle Familienmitglieder mit Namen, Alter und Wohnort vorgestellt, manchmal sogar inklusive Hobbys und Haustieren. Die Menschen hinter den zahlreich abonnierten Accounts sind in der Regel die Mütter der Familie. Nicht selten entwickeln sich die wachsenden Accounts aber hin zu regelrechten „Familienunternehmen“.
Dort wird dann das ganze Familienleben Tag für Tag mit ihnen gänzlich unbekannten Menschen geteilt. Dass die Kinder der Familien wissen, wofür sie ihr Frühstück in die Kamera halten oder wie viele Menschen sehen, wie sie mit ihren neuen Schuhen posieren, ist nahezu ausgeschlossen. Denn wirklich einschätzen, ob zum Teil Millionen von Menschen einen selbst beim Weinen im Laufstall oder beim Sport im Turnverein zuschauen dürfen, kann wohl weder ein zweijähriges Kind noch ein sechsjähriges.
Häufig beginnt der „Auftritt“ und somit auch die Arbeit der Kinder bereits bei der Bekanntgabe der Schwangerschaft im Internet, gefolgt von großen Gender-Reveal-Partys über Eindrücke aus dem Kreißsaal bis hin zur Einschulung und zum Schulabschluss. Sollen Kindern also ihren Eltern ihr liebstes Hobby oder teilweise sogar ihren Beruf verbieten? Wohl kaum. Dass die meist minderjährigen Kinder dabei die eigentlichen Protagonistinnen und Protagonisten sind, wenn der Inhalt ihrer Brotdose oder das neue Buch mit „Gute-Nacht-Geschichten“ in die Kamera gehalten wird, merken diese meist gar nicht und wachsen häufig in der Gesellschaft von TikTok-Trends und Gesichtsfiltern auf, sodass ihnen weder das ständige Posieren noch die häufig große Reichweite auf- oder missfallen.
Die Aussagen von Familieninfluencerinnen und -influencern, dass die Kinder ja nur in ihrem natürlichen Alltag gefilmt und fotografiert werden und alles absolut freiwillig machen, kommt einem spätestens dann zweifelhaft vor, wenn sie Teil von Placements für Nachhilfe-Apps oder zuckerfreien Süßigkeiten werden. Beides sind Produkte, an denen wohl die wenigsten Kinder in ihrem „Alltag“ ernsthaftes Interesse haben. Dass die Regeln für Jugendarbeitsschutz und Persönlichkeitsrecht dabei sowohl nach Altersgrenzen, als auch nach Arbeitszeiten am Wochenende oder Schutz von privaten Informationen häufig gebrochen werden, sollte spätestens dann klar werden, wenn Kinder, die noch nicht einmal die weiterführende Schule besuchen, auf einem am 24. Dezember geposteten Beitrag ihre Weihnachtsgeschenke zeigen, während sie auf dem weihnachtlich dekorierten Bett in ihrem mit Softboxen und Stativen ausgestattetem Kinderzimmer sitzen und die Eltern gleichzeitig Geld für sogenannte „Produktplacements“ bekommen. Hier hinken auch Vergleiche mit Kindern, die im Film-, Model- oder Werbegeschäft tätig sind, denn auch wenn dort nicht alles rosig ist, haben die Kinder dort streng geregelte Arbeitszeiten sowie das Zuhause als privaten Rückzugsort – und auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind in den wenigsten Fällen die eigenen Eltern.
Weitere Gefahren für derartige Familienaccounts sind potenzieller Diebstahl von Inhalten für kriminelle Zwecke oder eine erhöhte Risikoanfälligkeit für psychische Krankheiten für Eltern und Kinder, da ständiges Vergleichen, Performancedruck und Clickbait zum Alltag gehören.
Auch die Argumente, dass die öffentlich geposteten Inhalte primär Familie und Bekannte adressieren, sind kurzsichtig, denn kaum ein Kind möchte wahrscheinlich, dass die Tante dritten Grades jedes Mal mitbekommt, wenn es Ärger für schlechtes Benehmen gibt. Auch den peinlichen Moment, wo Personalerinnen, Personaler oder (ehemalige) Freundinnen einen nach zehn Jahren auf unangenehme Kinderbilder oder die rosa Bettwäsche ansprechen, sollten Eltern ihren Kindern durch den Verzicht von Social Media als „Familienalbum“ und die damit einhergehende Kinderarbeit ersparen.
Du willst mehr? Du bekommst mehr!
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Ein Großteil der Menschen teilt heute Bilder aus dem eigenen Leben im Internet, sei es ein witziges Selfie auf Snapchat oder ein schöner Sonnenuntergang im WhatsApp-Status. Auf YouTube, Instagram und TikTok überschreiten derweil aber viele Familien diesen Rahmen und machen die sozialen Medien zum öffentlichen Familienalbum und ständigem Alltagsbegleiter. Es gibt unendlich viele deutschsprachige, aber auch internationale Accounts mit ähnlichem Inhalt auf den gängigen Plattformen. Häufig werden in der Profilbeschreibung bereits alle Familienmitglieder mit Namen, Alter und Wohnort vorgestellt, manchmal sogar inklusive Hobbys und Haustieren. Die Menschen hinter den zahlreich abonnierten Accounts sind in der Regel die Mütter der Familie. Nicht selten entwickeln sich die wachsenden Accounts aber hin zu regelrechten „Familienunternehmen“.
Dort wird dann das ganze Familienleben Tag für Tag mit ihnen gänzlich unbekannten Menschen geteilt. Dass die Kinder der Familien wissen, wofür sie ihr Frühstück in die Kamera halten oder wie viele Menschen sehen, wie sie mit ihren neuen Schuhen posieren, ist nahezu ausgeschlossen. Denn wirklich einschätzen, ob zum Teil Millionen von Menschen einen selbst beim Weinen im Laufstall oder beim Sport im Turnverein zuschauen dürfen, kann wohl weder ein zweijähriges Kind noch ein sechsjähriges.
Häufig beginnt der „Auftritt“ und somit auch die Arbeit der Kinder bereits bei der Bekanntgabe der Schwangerschaft im Internet, gefolgt von großen Gender-Reveal-Partys über Eindrücke aus dem Kreißsaal bis hin zur Einschulung und zum Schulabschluss. Sollen Kindern also ihren Eltern ihr liebstes Hobby oder teilweise sogar ihren Beruf verbieten? Wohl kaum. Dass die meist minderjährigen Kinder dabei die eigentlichen Protagonistinnen und Protagonisten sind, wenn der Inhalt ihrer Brotdose oder das neue Buch mit „Gute-Nacht-Geschichten“ in die Kamera gehalten wird, merken diese meist gar nicht und wachsen häufig in der Gesellschaft von TikTok-Trends und Gesichtsfiltern auf, sodass ihnen weder das ständige Posieren noch die häufig große Reichweite auf- oder missfallen.
Die Aussagen von Familieninfluencerinnen und -influencern, dass die Kinder ja nur in ihrem natürlichen Alltag gefilmt und fotografiert werden und alles absolut freiwillig machen, kommt einem spätestens dann zweifelhaft vor, wenn sie Teil von Placements für Nachhilfe-Apps oder zuckerfreien Süßigkeiten werden. Beides sind Produkte, an denen wohl die wenigsten Kinder in ihrem „Alltag“ ernsthaftes Interesse haben. Dass die Regeln für Jugendarbeitsschutz und Persönlichkeitsrecht dabei sowohl nach Altersgrenzen, als auch nach Arbeitszeiten am Wochenende oder Schutz von privaten Informationen häufig gebrochen werden, sollte spätestens dann klar werden, wenn Kinder, die noch nicht einmal die weiterführende Schule besuchen, auf einem am 24. Dezember geposteten Beitrag ihre Weihnachtsgeschenke zeigen, während sie auf dem weihnachtlich dekorierten Bett in ihrem mit Softboxen und Stativen ausgestattetem Kinderzimmer sitzen und die Eltern gleichzeitig Geld für sogenannte „Produktplacements“ bekommen. Hier hinken auch Vergleiche mit Kindern, die im Film-, Model- oder Werbegeschäft tätig sind, denn auch wenn dort nicht alles rosig ist, haben die Kinder dort streng geregelte Arbeitszeiten sowie das Zuhause als privaten Rückzugsort – und auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind in den wenigsten Fällen die eigenen Eltern.
Weitere Gefahren für derartige Familienaccounts sind potenzieller Diebstahl von Inhalten für kriminelle Zwecke oder eine erhöhte Risikoanfälligkeit für psychische Krankheiten für Eltern und Kinder, da ständiges Vergleichen, Performancedruck und Clickbait zum Alltag gehören.
Auch die Argumente, dass die öffentlich geposteten Inhalte primär Familie und Bekannte adressieren, sind kurzsichtig, denn kaum ein Kind möchte wahrscheinlich, dass die Tante dritten Grades jedes Mal mitbekommt, wenn es Ärger für schlechtes Benehmen gibt. Auch den peinlichen Moment, wo Personalerinnen, Personaler oder (ehemalige) Freundinnen einen nach zehn Jahren auf unangenehme Kinderbilder oder die rosa Bettwäsche ansprechen, sollten Eltern ihren Kindern durch den Verzicht von Social Media als „Familienalbum“ und die damit einhergehende Kinderarbeit ersparen.
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