Meinung

Reingelesen: „Xerox“ – eine Abrechnung mit der Arbeitskultur von heute?

Symbolbild Reingelesen

Judith Abrahams, funky-Jugendreporterin

Fien Veldman lässt in ihrem tragikomischen Roman eine namenlose Ich-Erzählerin zu Wort kommen. Diese hat es aus der Perspektive einer meritokratischen Gesellschaft zu etwas gebracht: Einst in einfachen Verhältnissen in der Provinz als „O-Saft-Kind“ unter „Apfelsinensaft-Kindern“ aufgewachsen, arbeitet sie nun in einem hippen Amsterdamer Start-up.

Doch sie merkt schnell, dass sich ihre soziale Herkunft nicht so leicht abschütteln lässt. Vor allem im Kontakt mit dem restlichen Kollegium, das aus deutlich gehobeneren Verhältnissen stammt und somit eine andere Lebensrealität hat, äußern sich die Schwierigkeiten.

So ist „Xerox“, der Drucker, den sie im Start-up bedient, ihr einziger und zudem engster Vertrauter. Bis sich ihre Wege unerwartet trennen …

Die Geschichte wird durch ein falsch zugestelltes Paket eingeleitet, dessen Abholung der namenlosen Ich-Erzählerin aufgetragen wurde. Obwohl sie weder dessen Absender noch den Inhalt kennt, macht sie sich auf den Weg. Derweil kreisen ihre Gedanken um den Müll auf den Straßen Amsterdams. Veldman baut in geschickten Anspielungen Kritik an der heutigen Wegwerfgesellschaft ein, die als Kritik am modernen Wirtschaftssystem und den daraus resultierenden ungleichen gesellschaftlichen Verhältnissen gewertet werden kann. Letztere wird auch durch Rückblenden geübt, die der Leserschaft Fragmente ihrer Vergangenheit vor Augen führen.

Mit den Rückblenden übt Veldman nicht nur Gesellschaftskritik, sondern macht das Verhalten der Protagonistin nachvollziehbar und ermöglicht ein tieferes Verständnis für ihre Person. Die Tatsache, dass die Hauptfigur trotz Universitätsstudium „nur“ am Drucker arbeitet, ist beispielsweise darauf zurückzuführen, dass sie weder die Perspektive, noch das Selbstvertrauen hatte, eine Führungsposition zu übernehmen, und auch in ihrem Elternhaus nicht darauf vorbereitet wurde.

Anders steht es um die Studierenden aus reicheren Verhältnissen. Einige von ihnen sind nun ihre Kolleginnen und Kollegen. Die Ich-Erzählerin bezeichnet sie nicht namentlich, sondern nach ihrer Funktion im Unternehmen: „Chef“, „Office Management“, „Produkt“, „PR“. Diese Reduktion auf ihre Position lässt die Menschen wie Maschinen erscheinen, entmenschlicht sie und verdeutlicht gleichzeitig die Ersetzbarkeit im Unternehmen – denn Effizienz hat dort höchste Priorität.

Im Kontrast dazu schreibt die junge Ich-Erzählerin dem Drucker menschliche Züge zu: Er ist es, mit dem sie Gespräche führt und vergangene Erlebnisse teilt. Dieser überzeichnete karikatureske Gegensatz ist in Teilen sehr amüsant.

Unsere Meinung: Ein lesenswertes Buch!

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