Sophie von der Tann im Gespräch über ihre Arbeit als ARD-Außenkorrespondentin in Tel Aviv
Judith Abrahams, funky-Jugendreporterin
Tel Aviv. Für Sophie von der Tann gehört es zu einem normalen Arbeitstag dazu, den komplexen und kontrovers diskutierten Nahostkonflikt für die deutsche Medienberichterstattung verständlich aufzubereiten. Im Gespräch geht die 32-jährige Auslandskorrespondentin auf die Herausforderungen ihrer Arbeit in Tel Aviv ein und nennt Formate, die dabei helfen können, sich einen guten Überblick über die Lage im Nahen Osten zu verschaffen.
Wie bist du Auslandskorrespondentin geworden? Auslandskorrespondentin zu werden, war schon lange mein Traum. Im Studium habe ich mich viel mit dem Nahen Osten beschäftigt, bin in der Region gereist und habe begonnen, Arabisch und Hebräisch zu lernen. Um das Handwerkszeug für den Journalismus zu lernen, habe ich mich danach entschieden, ein Volontariat beim Bayerischen Rundfunk zu machen. Im Rahmen dieser zweijährigen Ausbildungszeit durfte ich einen Monat im ARD-Studio Tel Aviv verbringen, was ich sehr spannend fand. Nach dem Volontariat habe ich als Korrespondentin im BR-Hauptstadtstudio in Berlin Erfahrungen im Nachrichtengeschäft gesammelt. Von dort habe ich auch für die News-WG berichtet, einem Nachrichtenformat auf Instagram, das ich mitgegründet habe. In dieser Zeit war ich noch mal im Studio Tel Aviv, um einen Korrespondenten zu vertreten und habe mich dann umso mehr gefreut, dass ich im August 2021 selbst als Auslandskorrespondentin nach Tel Aviv ziehen konnte.
Was war deine allererste Auslandsreportage? Im Volontariat habe ich damals eine Reportage über einen Hackathon in Tel Aviv gemacht, wo junge Menschen digitale Lösungen entwickelt haben, um die Erinnerungen an den Holocaust am Leben zu halten, wenn es immer weniger Zeitzeugen gibt. Zum Beispiel haben sie einen Chatbot programmiert, der einen Dialog mit Anne Frank simulieren konnte. Als ich dann als Korrespondenten-Vertreterin noch mal hier war, bin ich ins von Israel besetzte Westjordanland gefahren und habe dort einen Bauern interviewt, der wegen einer israelischen Siedlung kaum mehr zu seinem Olivenhain kommt. Danach habe ich in dieser Siedlung eine junge Frau besucht, die es als ihr religiöses Recht ansieht, dort zu leben – auch wenn das gegen internationales Recht verstößt und das Land vorher jemand anderem gehörte.
Es wäre sicherlich gut, das Thema deshalb intensiver im Unterricht zu besprechen und mehr über die Geschichte des Nahostkonflikts und die verschiedenen Perspektiven zu lernen.
Auslandskorrespondentin Sophie von der Tann
Der Konflikt im Nahen Osten wird hitzig diskutiert und spaltet die Gesellschaft. Worauf gilt es bei der Berichterstattung im Nahostkonflikt zu achten, damit diese möglichst neutral ist? Wie wirkt sich die derzeit viel diskutierte fehlende Differenzierung zwischen israelischer Regierung/jüdischer Zivilbevölkerung und Hamas/palästinensischer Zivilbevölkerung auf die Darstellung verschiedener Perspektiven aus? Ich denke, komplette Neutralität gibt es nicht. Aber unser Ziel ist es, objektiv zu berichten – das heißt, verschiedene Blickwinkel auf ein Thema zu werfen, Menschen und ihre Perspektiven in den Mittelpunkt zu stellen und einen Kontext zu geben. Dabei ist es sehr wichtig, die Vielfalt innerhalb der Gesellschaft zu zeigen – sowohl in der israelischen Gesellschaft als auch in der palästinensischen. Die gesamte israelische Bevölkerung komplett gleichzusetzen mit der aktuellen ultrarechten Regierung würde der Realität genauso wenig gerecht werden, wie alle Menschen in Gaza mit der Hamas gleichzusetzen.
Sollte der Nahostkonflikt deiner Meinung nach mehr in den Schulen thematisiert werden und wenn ja, in welcher Form? Ja, das wäre sicherlich gut. Ich kann mir vorstellen, dass viele Schülerinnen und Schüler gerade verfolgen, was auf Insta, TikTok und Co. zum Krieg in Gaza gepostet wird. Fast immer fehlt es hier an Einordnung und Kontext. Es wäre sicherlich gut, das Thema deshalb intensiver im Unterricht zu besprechen und mehr über die Geschichte des Nahostkonflikts und die verschiedenen Perspektiven zu lernen.
Was würdest du jungen Menschen raten, die sich von den aktuellen Bildern und Nachrichten „überrollt“ fühlen, dennoch gut informiert bleiben wollen? Denen kann ich unseren BR24-Podcast „Lost in Nahost“ empfehlen. Darin versuchen wir, ganz verschiedene Fragen umfassend und in die Tiefe gehend zu beantworten. Zum Beispiel haben wir darüber gesprochen, wie die Hamas funktioniert, welche Rolle Katar spielt, ob in Gaza ein Genozid stattfindet und was Lösungen im Konflikt sein könnten. Unser Ziel ist es auch, die vermeintlich „dummen“ Fragen zu beantworten, die man sich vielleicht sonst nicht traut zu stellen. Auf Instagram und TikTok kann ich sehr empfehlen, der Tagesschau, der News-WG und dem Weltspiegel zu folgen. Dort gibt es auch immer wieder Beiträge von uns, mit denen wir versuchen, die News aus dem Nahen Osten kurz und verständlich zu erklären und Fragen zu beantworten.
Sophie von der Tann im Gespräch über ihre Arbeit als ARD-Außenkorrespondentin in Tel Aviv
Tel Aviv. Für Sophie von der Tann gehört es zu einem normalen Arbeitstag dazu, den komplexen und kontrovers diskutierten Nahostkonflikt für die deutsche Medienberichterstattung verständlich aufzubereiten. Im Gespräch geht die 32-jährige Auslandskorrespondentin auf die Herausforderungen ihrer Arbeit in Tel Aviv ein und nennt Formate, die dabei helfen können, sich einen guten Überblick über die Lage im Nahen Osten zu verschaffen.
Wie bist du Auslandskorrespondentin geworden?
Auslandskorrespondentin zu werden, war schon lange mein Traum. Im Studium habe ich mich viel mit dem Nahen Osten beschäftigt, bin in der Region gereist und habe begonnen, Arabisch und Hebräisch zu lernen. Um das Handwerkszeug für den Journalismus zu lernen, habe ich mich danach entschieden, ein Volontariat beim Bayerischen Rundfunk zu machen. Im Rahmen dieser zweijährigen Ausbildungszeit durfte ich einen Monat im ARD-Studio Tel Aviv verbringen, was ich sehr spannend fand. Nach dem Volontariat habe ich als Korrespondentin im BR-Hauptstadtstudio in Berlin Erfahrungen im Nachrichtengeschäft gesammelt. Von dort habe ich auch für die News-WG berichtet, einem Nachrichtenformat auf Instagram, das ich mitgegründet habe. In dieser Zeit war ich noch mal im Studio Tel Aviv, um einen Korrespondenten zu vertreten und habe mich dann umso mehr gefreut, dass ich im August 2021 selbst als Auslandskorrespondentin nach Tel Aviv ziehen konnte.
Was war deine allererste Auslandsreportage?
Im Volontariat habe ich damals eine Reportage über einen Hackathon in Tel Aviv gemacht, wo junge Menschen digitale Lösungen entwickelt haben, um die Erinnerungen an den Holocaust am Leben zu halten, wenn es immer weniger Zeitzeugen gibt. Zum Beispiel haben sie einen Chatbot programmiert, der einen Dialog mit Anne Frank simulieren konnte. Als ich dann als Korrespondenten-Vertreterin noch mal hier war, bin ich ins von Israel besetzte Westjordanland gefahren und habe dort einen Bauern interviewt, der wegen einer israelischen Siedlung kaum mehr zu seinem Olivenhain kommt. Danach habe ich in dieser Siedlung eine junge Frau besucht, die es als ihr religiöses Recht ansieht, dort zu leben – auch wenn das gegen internationales Recht verstößt und das Land vorher jemand anderem gehörte.
Der Konflikt im Nahen Osten wird hitzig diskutiert und spaltet die Gesellschaft. Worauf gilt es bei der Berichterstattung im Nahostkonflikt zu achten, damit diese möglichst neutral ist? Wie wirkt sich die derzeit viel diskutierte fehlende Differenzierung zwischen israelischer Regierung/jüdischer Zivilbevölkerung und Hamas/palästinensischer Zivilbevölkerung auf die Darstellung verschiedener Perspektiven aus?
Ich denke, komplette Neutralität gibt es nicht. Aber unser Ziel ist es, objektiv zu berichten – das heißt, verschiedene Blickwinkel auf ein Thema zu werfen, Menschen und ihre Perspektiven in den Mittelpunkt zu stellen und einen Kontext zu geben. Dabei ist es sehr wichtig, die Vielfalt innerhalb der Gesellschaft zu zeigen – sowohl in der israelischen Gesellschaft als auch in der palästinensischen. Die gesamte israelische Bevölkerung komplett gleichzusetzen mit der aktuellen ultrarechten Regierung würde der Realität genauso wenig gerecht werden, wie alle Menschen in Gaza mit der Hamas gleichzusetzen.
Sollte der Nahostkonflikt deiner Meinung nach mehr in den Schulen thematisiert werden und wenn ja, in welcher Form?
Ja, das wäre sicherlich gut. Ich kann mir vorstellen, dass viele Schülerinnen und Schüler gerade verfolgen, was auf Insta, TikTok und Co. zum Krieg in Gaza gepostet wird. Fast immer fehlt es hier an Einordnung und Kontext. Es wäre sicherlich gut, das Thema deshalb intensiver im Unterricht zu besprechen und mehr über die Geschichte des Nahostkonflikts und die verschiedenen Perspektiven zu lernen.
Was würdest du jungen Menschen raten, die sich von den aktuellen Bildern und Nachrichten „überrollt“ fühlen, dennoch gut informiert bleiben wollen?
Denen kann ich unseren BR24-Podcast „Lost in Nahost“ empfehlen. Darin versuchen wir, ganz verschiedene Fragen umfassend und in die Tiefe gehend zu beantworten. Zum Beispiel haben wir darüber gesprochen, wie die Hamas funktioniert, welche Rolle Katar spielt, ob in Gaza ein Genozid stattfindet und was Lösungen im Konflikt sein könnten. Unser Ziel ist es auch, die vermeintlich „dummen“ Fragen zu beantworten, die man sich vielleicht sonst nicht traut zu stellen. Auf Instagram und TikTok kann ich sehr empfehlen, der Tagesschau, der News-WG und dem Weltspiegel zu folgen. Dort gibt es auch immer wieder Beiträge von uns, mit denen wir versuchen, die News aus dem Nahen Osten kurz und verständlich zu erklären und Fragen zu beantworten.
Du willst mehr? Du bekommst mehr!
Die Initiative Ferhat Unvar setzt sich dafür ein, dass die Opfer rassistischer Gewalt nicht vergessen…
Viele Menschen verbreiten Falschinformationen über den Klimawandel. Was daran so tückisch ist, erfahrt ihr in…
Was macht dich glücklich? Diese Frage stellt ein Instagram-Account Passanten auf der Straße. Die Antworten…
Freude am Unglück anderer - obwohl das fast jeder Mensch schonmal erlebt hat, klingt das…