Interview

Finanzexpertin Margarethe Honisch: „Die Börse ist kein elitärer Männerverein“

Finanzexpertin Margarethe Honisch.
Margarethe Honisch will mit den Vorurteilen gegenüber der Börse aufräumen.

Margarethe Honisch ermutigt junge Menschen, die eigenen Finanzen in die Hand zu nehmen.

Alene Paulina Schnell, funky Jugendreporterin

Ob in den sozialen Medien, in der Berichterstattung oder bei Gesprächen mit Bekannten: Das Thema Investieren ist in aller Munde. Doch wenn es um Finanzthemen geht, gelten diese noch immer als „Männersache“. Erst seit 1958 sind Frauen dazu berechtigt, ein eigenes Konto zu eröffnen und eigenständig über ihre Finanzen zu entscheiden. Was Investieren bedeutet und wieso gerade Frauen und junge Menschen sich damit beschäftigen sollten, erklärt die 38-jährige Gründerin der Finanzplattform Fortunalista und Autorin Margarethe Honisch.

© Marcus Witte

Viele junge Menschen stoßen in den sozialen Medien auf das Thema Aktien. Was ist eine Aktie eigentlich?
Margarethe Honisch: Eine Aktie ist ein Anteil an einem Unternehmen. Wenn du sie kaufst, wirst du zu einer Teilhaberin oder einem Teilhaber des Unternehmens, in das du investierst. Dieser bruchhafte Anteil an Eigentum gibt dir gewisse Rechte, wie zum Beispiel das Stimmrecht bei Unternehmensangelegenheiten, die ­Teilnahme an Hauptversammlungen und möglicherweise auch Dividenden, die als Teil der Gewinne des Unternehmens an die Aktionärinnen und Aktionäre ausgeschüttet werden.

Wieso sollte man sich bereits in jungen Jahren mit dem Investieren ­beschäftigen?
Je früher man mit dem Investieren beginnt, desto länger haben die Investitionen Zeit, durch den sogenannten Zinseszinseffekt zu wachsen. Das Geld kann sich so exponentiell vermehren. Das passiert, wenn du nicht nur deinen ursprünglichen Betrag investierst, sondern auch die erzielten Gewinne investiert bleiben. Wenn du früh startest, kannst du risikofreundlicher investieren, da noch viele Jahre bleiben, um mögliche Verluste auszugleichen. Grundsätzlich ist also nicht die Investitionssumme der wichtigste Faktor, sondern die mitgebrachte Zeit.

Die Begriffe NFT und ETF kursieren viel in den Medien. Was genau steckt dahinter?
Diese Begriffe mögen für manche ähnlich klingen, sie könnten aber kaum unterschiedlicher sein. Mit NFTs sichere ich mir einen kleinen Anteil an einem großen Investment, wie zum Beispiel ein kleines Stück eines wertvollen Kunstwerks. NFTs sind „nicht austauschbar“ und damit einzigartig. ETFs sind im Prinzip das Gegenteil: Hier ist die Grundlage ein Korb mit vielen verschiedenen Aktien. Mit dem Kauf eines ETF-Anteils kaufe ich von jedem dieser Unternehmen gleichzeitig einen winzig kleinen Anteil und streue so mein Risiko. Während ich mich bei einem NFT also für ein Investmentobjekt entscheiden muss, investiere ich mit einem ETF in viele verschiedene Aktien gleichzeitig – hochriskant versus Risikostreuung.

Das Schlimmste ist, aus Angst nichts zu tun oder aus Arglosigkeit ein hohes Risiko einzugehen.

Muss ich mich umfassend mit dem Thema auskennen, um anzulegen?
Ein Grundverständnis ist unumgänglich. Doch viele überschätzen das und trauen sich nicht an das Thema Investieren heran. Natürlich sollte man verstehen, wie der Aktienmarkt funktioniert. Aus unseren Kursen wissen wir aber, dass dieses Wissen nicht nur schnell erlernt werden kann, sondern dass es den Teilnehmerinnen sogar Spaß bereitet. Das Schlimmste ist, aus Angst nichts zu tun oder aus Arglosigkeit ein hohes Risiko einzugehen.

Kann ich mit gutem moralischen Gewissen investieren?
Der Finanzmarkt befindet sich dahingehend im Wandel. Viele möchten nachhaltig investieren, müssen aber für sich selbst definieren, wie diese Nachhaltigkeit aussehen kann. Was möchte ich bewirken? Übrigens: Wer nachhaltig investiert, muss nicht auf Renditen verzichten. Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube.

Brauche ich viel Geld, um zu investieren?
Nein. Je nach Broker kannst du schon mit Kleinstbeträgen loslegen und sogar für einen Euro Anteile an Aktien erwerben. Kleine Beträge machen Sinn, wenn man sie in laufende Sparpläne investiert und regelmäßig einzahlt. So kannst du langfristig dein Portfolio aufbauen und vom Zinseszinseffekt profitieren.

Wie kaufe ich Aktien oder Fonds?
Zunächst muss man sich mit den eigenen Zielen befassen: Welchen Anlagehorizont habe ich? Wie ist mein Risikoprofil? Erst danach geht es an die Umsetzung. Viele sind erstaunt, dass das Investieren selbst so spät kommt. Habe ich mir all das erarbeitet, dann erfolgt der tatsächliche Kauf mit nur wenigen Klicks. Die Vorarbeit ist das, was zählt. Daher auf keinen Fall einfach eine App herunterladen und irgendetwas kaufen.

Laut einer Studie der ING investieren Frauen erfolgreicher als Männer.

Kryptowährung ist ein weiteres Thema, das für viele Menschen nicht greifbar ist. Welche Risiken muss man beachten?
Kryptowährungen basieren auf der Blockchain-Technologie. Eine Blockchain ist im Wesentlichen eine Kette von Blöcken, die Transaktionsdaten enthält. Das Besondere daran ist, dass jede Transaktion unveränderlich und somit fälschungssicher ist – und dass ich direkt Geld von einer Person an eine andere überweisen kann. Heutzutage stehen noch Banken dazwischen, die eine Transaktion jederzeit blockieren könnten. So spannend die Technologie ist, so groß sind jedoch die Risiken. Anlegerinnen und Anleger müssen insbesondere die extreme Preisvolatilität beachten. Preise können innerhalb kurzer Zeiträume erheblich schwanken, was zu hohen Gewinnen, aber auch zu erheblichen Verlusten führen kann. Zusätzlich braucht es ein höheres technisches Verständnis, um sich dabei vor Betrug zu schützen.

Laut dem Deutschen Aktieninstitut investierten 2021 circa doppelt so viele Männer wie Frauen. Wie lässt sich dieser enorme Unterschied erklären?
Historisch gesehen wurden Männer häufiger ermutigt, sich mit Finanzen, Investitionen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zu befassen, während diese Themen Frauen weniger zugetraut wurden. Zusätzlich sind Männer oft risikobereiter und lassen sich von der Börse weniger abschrecken. Frauen betrachten die Börse teilweise als elitär, was falsch ist. Daher ist es mir so wichtig zu betonen, dass die Börse kein elitärer Männerverein ist, in dem für Frauen kein Platz ist. Es gibt allerdings auch eine positive Entwicklung: In 2022 haben laut dem Deutschen Aktieninstitut 428.000 Frauen neu an der Börse investiert. Und damit haben sie sogar Männer überholt! Denn der Erfolg gibt den Frauen recht: Laut einer Studie der ING investieren Frauen nämlich auch erfolgreicher als Männer.

Wie kann man Unsicherheiten und Zweifeln begegnen?
Es ist klar, dass es Unsicherheiten bei dem Thema gibt – insbesondere bei Frauen. Ihnen wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder erzählt, Finanzen wären Männersache. Wichtig ist, sich diesen Vorurteilen zu stellen und zu überlegen: Wann habe ich meine Finanzen erfolgreich gemeistert? Welche weiblichen Vorbilder gibt es zur Orientierung? Das baut die finanzielle Selbstwirksamkeit auf. Und danach kann ich mich mit anderen Frauen vernetzen und Vorträge oder Seminare zu dem Thema besuchen, um auf gleichdenkende Frauen zu stoßen. Wir erleben in den Kursen, dass nicht nur die Vermittlung von Wissen wichtig ist, sondern auch, diesen geschützten Raum unter Frauen zu haben. Jede Frage darf gestellt und jede Geschichte offen erzählt werden. Den Frauen gibt das Mut und wir sehen, wie positiv sich Finanzthemen auch auf andere Lebensbereiche auswirken. Also unbedingt anfangen!

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