Meinung

Wie Dating-Apps Gefühle verändern können

Frau am Handy
Noch ein Swipe, dann geht's ins Bett: Die Dating-App hält Greta wach.
Greta Papenbrock, funky-Jugendreporterin

Es ist 23 Uhr in Berlin, ich muss morgen zur Arbeit und liege bereits im Bett.  Gucke ich noch einen Film auf Netflix? Oder doch lieber irgendwas Belangloses auf YouTube? Schlafen gehen möchte ich ehrlich gesagt noch nicht, denn ich genieße die Ruhe, die sich in mir ausbreitet, wenn die Nacht anbricht. Natürlich habe ich noch mein Handy in der Hand, schließlich ist es das, was ich als Letztes checke, bevor ich meine Augen schließe und endgültig einschlafe.

Für die meisten ist es die Abhängigkeit von Instagram oder TikTok, die das Einschlafen in die Länge zieht. Ja, ja – die Gen Z ist handysüchtig. Das ist ja nichts Neues mehr. Ich befinde mich allerdings weder auf Insta, TikTok oder YouTube. Ich hänge mal wieder auf einer Dating-App herum. Tinder ist wohl seit Jahren die meistgenutzte Dating-App Deutschlands. Verständlich: Die App spielt mit unserem Dopaminausstoß, als wäre es eine Droge. Mal ist ein Match dabei, mal nicht. Dann ploppt plötzlich eine Nachricht von jemandem auf. Aus dem Nichts bekomme ich ein Kompliment zu meinen Bildern, das mir schmeichelt. Fühlt sich doch ganz gut an, denke ich.

Aber das reicht mir noch nicht. Ich wische weiter und weiter und weiter. Suche ich die große Liebe, den kleinen Flirt oder einfach nur die Bestätigung? Ich weiß es nicht. Spannend bleibt es allemal, vielleicht ist beim nächsten Swipe eine Überraschung dabei. Also bleibe ich lieber noch ein bisschen wach. Schließlich ist es zwei Uhr nachts. Meine Augen brennen. Jemand hat mich über Tinder gefragt, ob ich jetzt noch zu ihm kommen möchte und mit ihm Spaß haben will – ich mache mein Handy aus und schließe die Augen. Stille. Ich schlafe erschöpft ein.

Nicht nur Tinder erfreut sich bei vielen an großer Beliebtheit. Auch Dating-Apps wie Bumble oder Hinge sind groß im Kommen: In einer Umfrage von Statista gaben 23 Prozent der Deutschen an, schon einmal auf Dating-Portalen unterwegs gewesen zu sein. Für die Hälfte hat sich sogar etwas Romantisches oder Erotisches daraus ergeben. Das klingt alles schön und gut. Aufregend irgendwie auch. Und cool, dass unsere Welt mittlerweile so digitalisiert ist, dass wir immer und überall mit Menschen flirten können. Eine Sache ist mir dennoch aufgefallen: Wenn ich mit meinen Freundinnen über mein Datingleben spreche, kommt oft zur Sprache, dass ich zwar viel auf den Dating-Apps herumhänge, mich aber mit den wenigsten wirklich treffe.

Der Prozess, der sich auf der Dating-App abspielt, ist für mich also interessanter als das Treffen selbst. Der kurze Kick, der kurze Rausch bei einem Match – ist mein Antrieb vielleicht lediglich, etwas Bestätigung von anderen Personen zu bekommen? Gut möglich.

Aber auch mein Verliebtsein veränderte sich durch das digitale Datingleben. So erwische ich mich manchmal dabei, wie ich nach einem Match schon denke: Wow, dieser Mensch ist perfekt, ich glaube, ich bin verknallt. ,,Rede keinen Unsinn“, sagen meine Freunde dann zu mir. ,,Du magst nur die Idee von einer Person, die dir durch ein inszeniertes Profil mit besonders gut ausgesuchten Bildern vermittelt wird. Und die Aufmerksamkeit, die diese Person dir gibt.“ Da ist vielleicht etwas dran – nach ein paar Tagen habe ich die Person nämlich meistens wieder vergessen.

Dating-Apps sorgen also dafür, alles auf einen Schlag fühlen zu können, diese Gefühle aber genauso schnell wieder verdrängen. Wann ist mein Leben so unfassbar schnelllebig geworden? Sind das noch echte Gefühle, die ich in mir habe? Oder ist es das Überangebot auf verschiedenen Plattformen, diese monotone Art einfach immer und überall Menschen im Internet kennenlernen zu können, die mich vergessen lässt, wie sich wahre Liebe überhaupt anfühlt?

Es ist 9 Uhr morgens. Ich wache nach einer Nacht voller Swipes und Matches mit einigen Nachrichten auf Tinder und Hinge auf.  Alle von verschiedenen, gutaussehenden Männern. Doch in der Masse verliert plötzlich alles seinen Glanz.

Ich entschied mich dazu, die Dating-Apps zu löschen. Letztendlich ist das Kennenlernen auf der Straße doch der viel größere Kick, nach dem ich mich sehne. Weg von der digitalen Welt, rein ins Leben. Back to the roots, wie man so schön sagt. Denn nur so können Dinge entstehen, die mein Leben auf ein viel höheres Dopamin-Level bringen als belanglose Matches auf irgendwelche Dating-Apps. Ich bin gespannt, ob sich mein Leben ohne Tinder und Hinge verändert – oder ob ich bald schon wieder dorthin zurückkehren werde.  

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