Der Lockdown drückt auf die Psyche – Wie Digital-Mental-Health-Apps uns helfen können

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Bereits ein Jahr leben wir nun schon mit der Corona-Pandemie, davon schon mehrere Monate im Lockdown. Schulunterricht, Fitnesskurse oder der Musikunterricht– alles ist neuerdings auch online möglich. Dieses Potential haben Digital-Mental-Health-Apps, die Menschen mit psychischen Problemen online eine Behandlung anbieten, bereits lange vor Corona entdeckt. Die aktuellen Angebote sind deshalb ausgereift, vielfältig und reichen von Gedächtnis- und Fitnesstraining bis hin zu digitaler Stressbewältigung. Die Psychologin Dr. Hanne Horvath hat zusammen mit einem Team aus Wissenschaftler*innen und Start-Up-Profis die digitale Mental-Health-Anwendung „HelloBetter“ gegründet. Mit ihren Trainings wollen sie schnelle, professionelle Unterstützung bei psychischen Problemen anbieten, die besonders in Pandemie-Zeiten Hilfe leistet.
Knut Löbe, Funky-Jugenreporter

Schnellere Handlungsmöglichkeit
Im Durchschnitt warten Menschen in Deutschland ganze sieben Jahre, bis sie sich professionelle Unterstützung für ihre psychischen Probleme holen, um dann weitere sechs Monate auf einen Therapieplatz zu warten. Dr. Horvath gibt das zu denken: „Man wartet bei einem gebrochenen Bein ja auch keine sechs Monate auf eine Behandlung.“ Für die Psychologin haben digitale Anwendungen einen großen Vorteil: Menschen erhalten unmittelbare Hilfe für ihre Sorgen und Probleme, sodass die zeitliche Lücke im Gesundheitssystem geschlossen werden kann. „Wir wollen die klassische Psychotherapie nicht ersetzten, können aber Leute früher im Erkrankungsprozess erreichen.“

Die Psychologin Dr. Hanne Horvath
© HelloBetter

Geeignet sind Mental-Heath-Apps für all diejenigen, die das Gefühl haben, unter beginnenden, leicht vorhandenen oder sogar stärkeren Beschwerden zu leiden. Besonders bei jungen Leuten macht sich das Leben im Lockdown langsam aber sicher auch psychisch bemerkbar. Ziemlich genau vor einem Jahr haben wir angefangen, unsere Kontakte zu reduzieren. Die gefühlte Ewigkeit hinterlässt auch mental ihre Spuren. „Der Mensch ist ein soziales Wesen und gerade für junge Leute, die eigentlich raus ins Leben wollen, können die Kontaktbeschränkungen eine schmerzhafte Erfahrung sein“, erzählt Dr. Horvath.

Bei digitalen Gesundheitsangeboten stellt sich berechtigterweise die Frage, wie auch ältere, unerfahrenere Nutzerinnen Hilfe sie in Anspruch nehmen können. Dr. Horvath vergleicht ihre Anwendung mit Ticketautomaten, die speziell für ältere Leute designt werden. Sie sagt: „Wir haben viele Jahre an Arbeit in eine einfache Benutzeroberfläche und ein gut funktionierendes Supportsystem gesteckt, sodass es unkompliziert ist, jemanden per Telefon zu erreichen und Fragen zur Bedienung zu stellen.“ Weil die richtige Anwendung bei digitalen Angeboten besonders wichtig ist, stehen den Nutzerinnen bei den meisten Programmen ausgebildete Psycholog*innen zur Seite, die für individuelle Fragen und Gespräche verfügbar sind.

Was wir für unsere mentale Gesundheit tun können
Aber auch ohne ernsthafte psychische Beschwerden sollten wir in diesen Zeiten unserer mentalen Gesundheit etwas Gutes tun, rät die Psychologin. „Es gibt in Deutschland tolle Präventionstrainings, die eine Erkrankung verhindern können und auch per App abgerufen werden können. All diejenigen, die der Lockdown emotional belastet, könnten so ihre psychische Gesundheit stärken. „Das muss nicht gleich eine Psychotherapie sein, sondern kann auch in Form eines Yoga- oder Stressbewältigungskurses geschehen“, betont Dr. Horvath.

Außerdem rät die Psychologin, die eigenen sozialen Kontakte mit den erlaubten Alternativen weiter aufrecht zu erhalten. Auch wenn Videoanrufe oder die immer gleichen Spaziergänge im Lockdown keinen vollwertigen Ersatz für einen coronafreien Alltag bieten, sind soziale Kontakte, Bewegung und Sport besonders bei jungen Leuten wirklich gut für die Psyche, denn „… es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Körper und Geist“, so die Psychologin. Ebenso wichtig sind sogenannte tägliche Kraftgeber, die das „HelloBetter“-Team auch in die eigenen Trainingsprogramme eingebaut hat. Die Psychologin legt uns ans Herz, im ersten Schritt nach den eigenen Kraftgebern zu suchen und sich jeden Tag etwas Gutes zu tun. Ein Beispiel wäre das Dankbarkeitstagebuch, bei dem man jeden Abend drei bis fünf Dinge aufschreibt, die einem den Tag über gut getan haben – eine kleine Technik, die bewiesenermaßen eine große Wirkung erzielt. Außerdem sei die tägliche Routine wichtig, um gut durch diese Zeit zu kommen. Dr. Horvarth weiß: „Selbst junge Leute, die vielleicht noch kein Leben haben, das jeden Tag gleich abläuft, brauchen eine Struktur.“

In der Regel dauern die Programme von „HelloBetter“ sechs bis acht Wochen. Das Angebot ist sehr breit gefächert: Es stehen Präventionstrainings und die Behandlung von akuten Beschwerden zur Auswahl. „Unsere Nutzer*innen werden an die Hand genommen, ihre psychische Gesundheit selber zu erforschen und Strategien aus der kognitiven Verhaltenstherapie so zu erlernen, dass diese auch wirklich im eigenen Alltag umgesetzt werden“, erklärt Dr. Horvath. Push-Notifications und digitale Terminplaner sollen dabei helfen. „HelloBetter“ hat während der Pandemie sogar ein spezielles Corona-Training entwickelt, welches Menschen durch die Krise führen soll. Den Betroffenen werden die Werkzeuge mitgegeben, um sich selber etwas Gutes zu tun. Dabei geht unter anderem darum, negative Emotionen zuzulassen und die eigenen Gefühle zu akzeptieren.

Seriöse Angebote erkennen
Die eigene Gesundheit ist nach wie vor ein sehr privates Thema. Datensicherheit spielt deshalb bei digitalen Mental-Health-Angeboten eine besonders große Rolle. Mindestens genauso wichtig ist die Wirksamkeit der Trainingsprogramme. Woran lassen sich seriöse digitale Angebote also eigentlich erkennen? Für Dr. Horvath sind es vor allem klinische Studien, die bei Mental-Health-Apps eine zuverlässige Aussage über die Qualität der App treffen können. „Gute Angebote erkenne ich unter anderem daran, dass es veröffentlichte wissenschaftliche Wirksankeitsbelege gibt, die Krankenkasse schon davon gehört hat und dass es kein reines Selbstzahlerprodukt ist.“ Das Problem vieler Angebote ist, dass sie zwar auf bewährten psychologischen Methoden aufbauen, diese aber digital keine Wirksamkeit entfalten. Durch unseriöse Angebote können die psychischen Beschwerden sogar chronisch werden. Ein Tipp von Dr. Horvath sind deshalb Mental-Health-Anwendungen, die von Ärztinnen und Psychotherapeuten*innen auf Rezept verschrieben oder von Krankenkassen übernommen werden und dazu auf ihrer Website eigene klinische Studien verlinken.

Wann sollte ich mir Hilfe holen?
Dr. Horvath ermutigt dazu, sich lieber zu früh als zu spät professionelle Hilfe zu suchen: „Erkennt man eine Verstimmung gleich zu Beginn, gibt es tolle Präventionsprodukte, die eine Krankheit verhindern können.“ Wie befürchtet hat die Coronapandemie starke Auswirkungen auf die Psyche der Bevölkerung. „In Deutschland haben Depressionen und Ängste bei Erwachsenen unter 60 Jahren ungefähr um ein Drittel zugenommen,“ fasst die Psychologin zusammen. „Auf Selbstdiagnose sollten wir verzichten. Eine Diagnose kriege ich auch nicht online, sondern nur bei meiner Ärztin, Psychotherapeut*in oder anderem Fachpersonal.“


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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.