Greta Papenbrock, funky-Jugendreporterin
Hauswände, Brücken oder Züge: Graffitis und Tags finden sich in Städten an jeder Ecke, wenn man beim Sonntagsspaziergang die Augen dafür offenhält. Einige sagen, Graffiti würde die Umgebung verschandeln. Doch wer genau hinsieht, kann dahinter eine Kunstform erkennen, die vielleicht nicht der klassischen Kunst aus dem Museum entspricht. Besonders der urbane Raum, in dem das Graffiti seinen Platz findet, spielt dabei eine große Rolle. Doch diese Form der Streetart ist nach wie vor illegal und wird als Vandalismus oder Sachbeschädigung strafrechtlich geahndet. Jules* lebt in Deutschland und sprüht und taggt schon seit Jahren Graffiti. Wie es ist, ein illegales Hobby auszuüben, für das Geldbußen oder Gefängnisstrafe drohen, und wann die beste Zeit zum Sprayen ist, erfahrt ihr im Interview.
Jules, wie kamst du dazu, Graffitis zu machen?
Ein Freund hat mich darauf gebracht. Wir fingen in der 7. Klasse zusammen an, zu sprayen. Erst haben wir Überschriften getaggt und mit der Zeit haben wir Dinge gezeichnet oder gescatched. Ich habe mich an ihm orientiert, was er so macht, und seit fünf oder sechs Jahren bin ich auch am Sprayen.
Sprayst du allein oder seid ihr eine große Truppe?
Ich gehe auch ganz gerne mal allein los, da mir das einen größeren Kick gibt. Wenn man zu zweit oder als Gruppe unterwegs ist, ist es natürlich auch schön, zu wissen, dass noch jemand da ist, auf den man zählen kann.
Würdest du dich als professionellen Sprayer bezeichnen?
Super professionell bin ich auf jeden Fall nicht, da gibt es andere Leute, zu denen ich aufschaue. Es sind vor allem lokale Sprüher, Berliner oder Leute aus Italien, die mich beeindrucken. Man hat immer Vorbilder und Idole.
Wie fühlt sich das an, dass deine Kunst illegal ist?
Ich sehe das nicht als so dramatisch an. Ich schaue mir ungern schlichte graue Wände an, auf denen nichts zu sehen ist. Mir persönlich ist es egal, dass Sprayen illegal ist. Ich weiß, dass es viele Leute gibt, die das nicht stört.
Macht der illegale Teil des Sprayens nicht auch den Reiz aus?
Natürlich! In Situationen, in denen es wirklich darauf ankommt und man erwischt werden könnte, ist ein gewisser Reiz da. Das ist aber nicht das, was mich antreibt. Es gibt eine Reihe an Sprayern, die werden nur von dem Illegalen angetrieben – ich nicht.
Ich denke an nichts mehr, was im Alltag zum Beispiel schiefläuft, das ist für mich der Vibe. Man ist im Moment, alle machen dasselbe, alle fühlen dasselbe.
Jules*, Sprayer aus Deutschland
Wie ist die Atmosphäre beim Sprayen?
Ich blende alles um mich herum aus und habe das Gefühl von einer Art „Nichts“ in mir. Und das ist das, was kickt. Ich denke an nichts mehr, was zum Beispiel im Alltag schiefläuft, das ist für mich der Vibe. Man ist im Moment, alle machen dasselbe, alle fühlen dasselbe. Und du bist einfach du.
Sprayst du lieber tagsüber oder nachts?
Nachts ist es auf jeden Fall ein bisschen geheimnisvoller, tagsüber hingegen ist es provokanter. Das musst du dir so vorstellen: Du gehst dorthin, wo Menschen extra dafür angestellt sind, darauf aufpassen, dass Leute wie ich nicht irgendwohin sprayen. Und wenn man es trotzdem macht, ist es noch einmal gefährlicher und deshalb aber auch interessanter. Das finde ich persönlich ein Stück weit spannender als in der Nacht.
Hast du auch Grenzen? Irgendwas, was du niemals machen oder besprühen würdest?
Ich glaube, ich würde nicht in Lateinamerika Züge besprühen. Das ist schon grenzwertig, denn dort bist du als Sprayer das letzte Glied in der Kette, wenn die Polizei dich erwischt. Und du gehst nicht nur kurz in den Bau, wie in Österreich oder Deutschland. Ich will keine lange Freiheitsstrafe dafür verbüßen, dass ich irgendetwas angesprüht habe.
Ist Sprayen nur ein Ding für Jugendliche bzw. junge Erwachsene?
Nein, definitiv nicht. Dadurch, dass es Graffiti in Deutschland seit fast 40 Jahren gibt, ist das natürlich nicht nur für Jugendliche interessant. Man darf auch nicht vergessen, wo die Wurzeln des Sprayens liegen.
Ist die Sprayerszene von Männern dominiert?
Ja, die Szene ist schon sehr männerdominiert, wobei ich nicht weiß, woran es liegt. Es gibt natürlich auch viele Frauen, die können was an der Dose. Doch die meisten Sprayer, die ich kennengelernt habe, sind Männer.
Die Erfahrenen ermutigen die Jüngeren darin, kreativ zu werden und nicht die klassischen Konzepte von Kunst abzuliefern, sondern eigene Impulse miteinzubringen.
Jules*, Sprayer aus Deutschland
Sollte es mehr legale Flächen zum Sprayen geben?
Ich glaube, es würde wenig bringen, wenn es mehr legale Flächen geben würde, da die Menschen sowieso illegal weitersprayen.
Wie können junge Menschen kreativ sein und ihre Liebe für Graffiti entfalten, ohne illegal vorzugehen?
Das ist eigentlich ziemlich einfach. Ich habe mitbekommen, dass es bereits in der Schule Workshops gibt, in denen Graffiti-Kunst beigebracht wird. Es gibt viele Workshops, in denen die älteren Leute den jungen Leuten – teilweise Fünftklässler – Graffiti beibringen. Die Erfahrenen ermutigen die Jüngeren dazu, kreativ zu werden und nicht die klassischen Konzepte von Kunst abzuliefern, sondern eigene Impulse miteinzubringen. Es muss nicht alles illegal sein, was mit Graffiti zu tun hat.
Meinst du, du wirst irgendwann mit dem Sprayen aufhören?
Auf keinen Fall. Ich dachte mal, das sei nur eine Phase, doch ich habe festgestellt, dass es meinen ganzen Alltag durchzieht. Es geht schon beim Einkaufszettel-Schreiben los. Die Worte, die ich schreibe, sehen so aus, als wären sie getaggt. Ob in der Schule, in der Uni oder auf der Arbeit: Egal, in welcher Lebenslage ich bin, lässt mich das Sprayen nicht los. Das richtige Sprühen genauso wenig. Ich will auch nicht missen wollen, mit meinen Leuten zu grillen, das Wetter zu genießen und zu sprayen.
*Name von der Redaktion geändert
Du willst mehr? Du bekommst mehr!
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Hauswände, Brücken oder Züge: Graffitis und Tags finden sich in Städten an jeder Ecke, wenn man beim Sonntagsspaziergang die Augen dafür offenhält. Einige sagen, Graffiti würde die Umgebung verschandeln. Doch wer genau hinsieht, kann dahinter eine Kunstform erkennen, die vielleicht nicht der klassischen Kunst aus dem Museum entspricht. Besonders der urbane Raum, in dem das Graffiti seinen Platz findet, spielt dabei eine große Rolle. Doch diese Form der Streetart ist nach wie vor illegal und wird als Vandalismus oder Sachbeschädigung strafrechtlich geahndet. Jules* lebt in Deutschland und sprüht und taggt schon seit Jahren Graffiti. Wie es ist, ein illegales Hobby auszuüben, für das Geldbußen oder Gefängnisstrafe drohen, und wann die beste Zeit zum Sprayen ist, erfahrt ihr im Interview.
Jules, wie kamst du dazu, Graffitis zu machen?
Ein Freund hat mich darauf gebracht. Wir fingen in der 7. Klasse zusammen an, zu sprayen. Erst haben wir Überschriften getaggt und mit der Zeit haben wir Dinge gezeichnet oder gescatched. Ich habe mich an ihm orientiert, was er so macht, und seit fünf oder sechs Jahren bin ich auch am Sprayen.
Sprayst du allein oder seid ihr eine große Truppe?
Ich gehe auch ganz gerne mal allein los, da mir das einen größeren Kick gibt. Wenn man zu zweit oder als Gruppe unterwegs ist, ist es natürlich auch schön, zu wissen, dass noch jemand da ist, auf den man zählen kann.
Würdest du dich als professionellen Sprayer bezeichnen?
Super professionell bin ich auf jeden Fall nicht, da gibt es andere Leute, zu denen ich aufschaue. Es sind vor allem lokale Sprüher, Berliner oder Leute aus Italien, die mich beeindrucken. Man hat immer Vorbilder und Idole.
Wie fühlt sich das an, dass deine Kunst illegal ist?
Ich sehe das nicht als so dramatisch an. Ich schaue mir ungern schlichte graue Wände an, auf denen nichts zu sehen ist. Mir persönlich ist es egal, dass Sprayen illegal ist. Ich weiß, dass es viele Leute gibt, die das nicht stört.
Macht der illegale Teil des Sprayens nicht auch den Reiz aus?
Natürlich! In Situationen, in denen es wirklich darauf ankommt und man erwischt werden könnte, ist ein gewisser Reiz da. Das ist aber nicht das, was mich antreibt. Es gibt eine Reihe an Sprayern, die werden nur von dem Illegalen angetrieben – ich nicht.
Wie ist die Atmosphäre beim Sprayen?
Ich blende alles um mich herum aus und habe das Gefühl von einer Art „Nichts“ in mir. Und das ist das, was kickt. Ich denke an nichts mehr, was zum Beispiel im Alltag schiefläuft, das ist für mich der Vibe. Man ist im Moment, alle machen dasselbe, alle fühlen dasselbe. Und du bist einfach du.
Sprayst du lieber tagsüber oder nachts?
Nachts ist es auf jeden Fall ein bisschen geheimnisvoller, tagsüber hingegen ist es provokanter. Das musst du dir so vorstellen: Du gehst dorthin, wo Menschen extra dafür angestellt sind, darauf aufpassen, dass Leute wie ich nicht irgendwohin sprayen. Und wenn man es trotzdem macht, ist es noch einmal gefährlicher und deshalb aber auch interessanter. Das finde ich persönlich ein Stück weit spannender als in der Nacht.
Hast du auch Grenzen? Irgendwas, was du niemals machen oder besprühen würdest?
Ich glaube, ich würde nicht in Lateinamerika Züge besprühen. Das ist schon grenzwertig, denn dort bist du als Sprayer das letzte Glied in der Kette, wenn die Polizei dich erwischt. Und du gehst nicht nur kurz in den Bau, wie in Österreich oder Deutschland. Ich will keine lange Freiheitsstrafe dafür verbüßen, dass ich irgendetwas angesprüht habe.
Ist Sprayen nur ein Ding für Jugendliche bzw. junge Erwachsene?
Nein, definitiv nicht. Dadurch, dass es Graffiti in Deutschland seit fast 40 Jahren gibt, ist das natürlich nicht nur für Jugendliche interessant. Man darf auch nicht vergessen, wo die Wurzeln des Sprayens liegen.
Ist die Sprayerszene von Männern dominiert?
Ja, die Szene ist schon sehr männerdominiert, wobei ich nicht weiß, woran es liegt. Es gibt natürlich auch viele Frauen, die können was an der Dose. Doch die meisten Sprayer, die ich kennengelernt habe, sind Männer.
Sollte es mehr legale Flächen zum Sprayen geben?
Ich glaube, es würde wenig bringen, wenn es mehr legale Flächen geben würde, da die Menschen sowieso illegal weitersprayen.
Wie können junge Menschen kreativ sein und ihre Liebe für Graffiti entfalten, ohne illegal vorzugehen?
Das ist eigentlich ziemlich einfach. Ich habe mitbekommen, dass es bereits in der Schule Workshops gibt, in denen Graffiti-Kunst beigebracht wird. Es gibt viele Workshops, in denen die älteren Leute den jungen Leuten – teilweise Fünftklässler – Graffiti beibringen. Die Erfahrenen ermutigen die Jüngeren dazu, kreativ zu werden und nicht die klassischen Konzepte von Kunst abzuliefern, sondern eigene Impulse miteinzubringen. Es muss nicht alles illegal sein, was mit Graffiti zu tun hat.
Meinst du, du wirst irgendwann mit dem Sprayen aufhören?
Auf keinen Fall. Ich dachte mal, das sei nur eine Phase, doch ich habe festgestellt, dass es meinen ganzen Alltag durchzieht. Es geht schon beim Einkaufszettel-Schreiben los. Die Worte, die ich schreibe, sehen so aus, als wären sie getaggt. Ob in der Schule, in der Uni oder auf der Arbeit: Egal, in welcher Lebenslage ich bin, lässt mich das Sprayen nicht los. Das richtige Sprühen genauso wenig. Ich will auch nicht missen wollen, mit meinen Leuten zu grillen, das Wetter zu genießen und zu sprayen.
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