Interview

funky-Jobkompass | Alltagsbegleiter im Pflegeheim: „Es gibt nichts Schöneres, als alten Menschen zu helfen“

Altenpfleger hilft altem Mann
Pflegeberufe sind so wichtig wie nie zuvor.
Anna Abraham, funky-Jugendreporterin

Alle wollen sie, nicht jeder genießt sie: Die berühmte erste Arbeitserfahrung. In der Rubrik „Jobkompass“ berichtet die junge Generation von interessanten, skurrilen und unschönen Praktikums- und Nebenjoberfahrungen und interviewt Menschen mit inspirierenden Berufen.

Alexander Girengir hat seine Erfüllung im Job des Alltagbegleiters gefunden.

Alexander Girengir kommt aus Hessen und arbeitet dort als Alltagsbegleiter in einer Pflegeeinrichtung. Für ihn ist klar: Die Pflege ist trotz stressiger Phasen ein wirklich erfüllender Berufsbereich. Um auch junge Menschen für Pflegeberufe zu begeistern, schreibt der 45-Jährige momentan sogar an einem Buch über seine Erfahrungen. Im Interview spricht er vom Geben und Nehmen, von Wertschätzung und Dankbarkeit, die ihm entgegengebracht werden.

Alexander, wie läuft ein Arbeitstag ab?
Alexander Girengir: Wenn ich morgens auf die Station komme, begrüße ich erst einmal die Bewohnenden und frühstücke gemeinsam mit ihnen. Wenn nötig, helfe ich ihnen dabei. Später wird ein Freizeitprogramm auf die Beine gestellt: Man spielt etwas oder hört gemeinsam Musik.

Was unterscheidet dich als Alltagsbegleiter von einer Pflegekraft?
Pflegekräfte erledigen vor allem die hygienischen Pflegearbeiten. Alltagsbegleiter dürfen hingegen nicht mal die Mahlzeiten anreichen. Die Pflege hat mit der Alltagsbegleitung nicht viel zu tun. Jemand, der in der Pflege arbeitet, hat nämlich nicht unbedingt die Zeit, sich so um die Menschen zu kümmern, wie es uns Alltagsbegleitern möglich ist. Unsere Hauptaufgabe ist es, Zeit mit den Menschen zu verbringen und ihnen Gesellschaft zu leisten. Das kann in Form von Gesellschaftsspielen erfolgen, aber auch Gespräche und Unterhaltungen gehören dazu, zum Beispiel über die Lebensgeschichte der Menschen. Manchmal lesen wir auch Geschichten vor, gehen spazieren oder erledigen etwas Gartenarbeit. Eben genau das, was verschiedene Menschen in ihrer Freizeit gerne machen.

Wie kamst du zum Beruf des Alltagsbegleiters?
Ich steckte viele Jahre in einer schweren Depression fest. Während dieser Zeit habe ich mich auch ehrenamtlich engagiert. Außerdem habe ich schon vorher als Festangestellter bei der Tafel gearbeitet, dort habe ich in der Hauswirtschaft oder beim Mittagessen geholfen. Dabei wurde mir bewusst, dass ich gerne weiterhin mit Menschen arbeiten möchte. Mein Antrag auf Frühverrentung war bereits ausgefüllt, als ich mich spontan beim Lehrgang zum Alltagsbegleiter anmeldete. Dort wurde mir noch einmal klar, wie wichtig es ist, generationsübergreifend zu helfen. Wir alle werden einmal auf Hilfe angewiesen sein.

Älterwerden und Demenz geht uns alle etwas an. Diese Themen sollte man gesellschaftlich mehr in den Fokus rücken, auch bei der jungen Generation.

Führt die Arbeit dazu, dass man mehr über das Altern nachdenkt?
Ja, man denkt sowohl über das Leben als auch den Tod nach. Als Alltagsbegleiter wird man damit häufig konfrontiert. Natürlich kommt es auch vor, dass Menschen sterben. Mir ist dabei wichtig, dass ich diesen Menschen bei diesem Prozess unterstützen konnte. Gleichzeitig bin ich auch ein Teil seiner letzten Tage. Ich glaube, Älterwerden und Demenz geht uns alle etwas an. Diese Themen sollte man gesellschaftlich mehr in den Fokus rücken, auch bei der jungen Generation.

Was magst du an deiner Arbeit am liebsten, was weniger gern?
Ich liebe meine Arbeit. Am besten gefallen mir Gruppenangebote, aber auch die Eins-zu-Eins-Betreuung genieße ich. Hierbei steht besonders die Beziehungsarbeit im Vordergrund. Im Gespräch ist so viel möglich, weil man sich auf eine Person konzentrieren kann, die alles sagen kann, was sie möchte. Die Senioren erzählen viel aus ihrem Leben. Das finde ich unglaublich interessant. Darauf baue ich dann die jeweilige Beziehung auf und reflektiere das Gesagte. Ich mag es auch, gemeinsam Bücher zu lesen, zu singen oder zu tanzen. Mir ist wichtig, dass ich für den Menschen da bin und ihm Aufmerksamkeit geben kann, denn das verdienen alle.

Wie viel gibt man in den Gesprächen von sich selbst preis?
Natürlich erzählt man auch etwas über sich. Man möchte Feedback geben und erzählt damit immer auch etwas aus dem eigenen Leben. Meistens frage ich: Was haben Sie heute gemacht? Dann kommt häufig zurück: Was haben Sie gemacht? Und dann gehe ich darauf ein.

Einerseits besteht der Beruf aus Beziehungsarbeit. Auf der anderen Seite muss man natürlich aufpassen, dass es einem selbst gut geht, damit man Kraft hat, sich um andere zu kümmern.

Wie geht man damit um, wenn jemand auf der Station stirbt?
Diese Frage ist keine Seltenheit und sie ist auch berechtigt. Einerseits besteht der Beruf aus Beziehungsarbeit. Auf der anderen Seite muss man natürlich aufpassen, dass es einem selbst gut geht, damit man Kraft hat, sich um andere zu kümmern. Ich gleiche das aus, indem ich fotografiere, im Wald spaziere oder ins Schwimmbad gehe. Zum Abschalten spiele ich auch manchmal auf der Konsole oder streame auf Twitch.

Welche Eigenschaften braucht ein Alltagsbegleiter oder eine Alltagsbegleiterin?
Auf jeden Fall Empathie. Man sollte authentisch sein und eine große Portion Humor mitbringen. Ich denke, gerade Jugendliche sollten sich ein Bild davon machen, wie es in einem Altersheim aussieht. Generell würde ich es jedem Menschen empfehlen, denn es gibt nichts Schöneres, als alten Menschen zu helfen.


So wird man Alltagsbegleiter oder Alltagsbegleiterin:

Der Beruf Alltagsbegleiter/Altagsbegleiuterin wurde im Rahmen der Pflegereform 2008 ins Leben gerufen. Er umfasst die Betreuung von Pflegebedürftigen. Der Lehrgang dauert meist drei Monate. Neben der Praxis lernt man zum Beispiel mehr über Demenz und Alterskrankheiten sowie Kommunikationstechniken. Ein bestimmter Schulabschluss wird nicht benötigt. Das Monatsgehalt liegt je nach Einrichtung zwischen 1700 bis 2400 Euro brutto.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.