#distantimauniti: So erlebt unser Jugendreporter den Ausnahmezustand in Italien

Corona Rom
Verlassen liegt die Engelsburg in Rom da. Keine Touristen, keine Souvenir-Verkäufer. Roms pulsierendes Leben liegt still.
Nichts geht mehr in Italien: Das Land versetzt sich selbst in Hausarrest, die Regierung legt das öffentliche Leben lahm. Auch der Alltag unseres Jugendreporters ist nicht mehr wiederzuerkennen. Ein Erfahrungsbericht aus Rom.
Von Felix Fromm, funky-Jugendautor

Rom – Trotz geschlossener Fenster dringt es deutlich bis zu mir ins Zimmer durch: Ein Klang, der sich plötzlich durch die geisterhaft verlassenen Straßen von Rom zieht, und die ausgestorbene Stadt mit neuem Leben füllt: Fast eine halbe Stunde lang dröhnen am Freitagabend die schönsten Lieder durch die Stadt, bis die ganze Aktion ihr großes Finale mit der italienischen Nationalhymne findet. Immer mehr Menschen öffnen ihre Fenster, treten so wie auch ich auf den Balkon heraus, winken, filmen und – freuen sich, trotz der gegenwärtig schweren Situation. Für eine halbe Stunde scheint der Notstand vergessen, und die italienische Lebensfreude, die Leichtigkeit spürbar zurückgekehrt. Das tut gut, es weckt uns aus dem Stillstand auf, in dem sich das Land momentan befindet.

Denn binnen kürzester Zeit ist Italien in einen regelrechten Dornröschenschlaf verfallen. Mit den neuesten Maßnahmen, die von der italienischen Regierung am Mittwochabend beschlossen wurden, versetzt sich Italien selbst in den Hausarrest: Alle Bars, Restaurants und Geschäfte haben zu, sämtliche Geschäftsaktivitäten beendet. Alles geschlossen, alles lahmgelegt, nur noch Supermärkte und Apotheken, die unter Auflagen geöffnet haben.  

Unterwegs nur mit schriftlicher Erlaubnis

Mein Alltag hat sich inzwischen drastisch verändert: Wo ich einst jeden Morgen von Marco in seiner Bar mit einem fröhlichen „che dici, Felix?“ begrüßt und mit Cappuccino und Brioche versorgt wurde, ist seit Tagen der Rollladen unten. Kein Frühstück vor, kein Aperitivo nach der Arbeit. Wenn ich unterwegs bin, dann nur von der Wohnung ins Büro und wieder zurück. Sowohl auf dem Weg, als auch im Büro trage ich wie inzwischen alle meine Kollegen eine Schutzmaske. Wobei diese wahrscheinlich gar nicht mehr nötig ist, es begegnet mir sowieso niemand mehr.  

Wer unterwegs ist, braucht nämlich einen triftigen Grund. Und eine schriftliche Erlaubnis, in Form einer Selbstauskunft und Bestätigung seitens des Arbeitgebers. Wer dieses Dokument nicht besitzt und bei einer Kontrolle nicht vorzeigen kann, dem Geldstrafen oder bis zu drei Monaten Gefängnis. Drastische Sanktionen von Vater Staat für diejenigen, die sich im jugendlichen Starrsinn gegen seine Vorschriften auflehnen. Eigentlich ja schon wieder ironisch: Bis vor kurzem habe ich eine entsprechende Bescheinigung immer nur dann gebraucht, wenn ich nicht zur Arbeit oder Schule wollte – und jetzt ist es genau anders herum. Dabei würden hier alle viel lieber arbeiten gehen, als zum Nichtstun verdammt zu sein. Doch egal wen man trifft und wie viel er oder sie flucht, es sehen alle ein, dass die Lage ernst ist.

Einkaufen: Wenn Auswahl Luxus ist

Ein Blick in den Supermarkt bestätigt den Ernst der Lage: Einkaufen ist zum zeitintensiven Hobby für mich geworden, eine Auswahl zu haben kommt inzwischen einem Gefühl von Luxus gleich. Es dürfen nie mehr als eine Handvoll Leute gleichzeitig in den Supermarkt, und das wird strikt kontrolliert. Daher bildet sich vor „meinem“ Supermarkt seit Tagen immer eine lange Schlange, wie es sie sonst nur zu Stoßzeiten an der Kasse gibt. In den Regalen herrscht gähnende Leere – eine Situation, die mich beim ersten Mal völlig überfordert hat und dazu führte, dass ich mehr oder weniger selbst ein wenig panisch anfing zu hamstern und völlig irrational und ohne Plan Lebensmittel für mich eingekauft habe.

Was in diesen Tagen hilft, ist das Wissen, das man – so alleine man sich damit fühlen mag – in dieser Situation nicht alleine ist.

Auf Instagram gibt es inzwischen einen neuen Hashtag: #Distantimauniti – entfernt, aber zusammen. Oder: Zusammen aus der Distanz heraus. Wie bei der abendlichen Aktion, bei der es alle auf die Balkone und an die Fenster gezogen hat. Klatschen, Singen, und dabei vereint sein, trotz der Distanz – es ist ein kleines Zeichen des Mutes, der Hoffnung und des Zusammenhalts. Darin sind die Italiener groß.

Du willst mehr? Du bekommst mehr!

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.