Interview

ms_wunderbar: „Ich will Akzeptanz vermitteln.“

ms_wunderbar sagt als Plus-Size-Influencerin dem Cyber-Mobbing den Kampf an
Als ms_wunderbar setzt sich Verena Prechtl für mehr Toleranz im Internet ein.
Cybermobbing ist ein massives Problem, gerade unter Jugendlichen. Soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram erleichtern es, anonyme Hasskommentare zu posten und somit anderen das Leben zur Hölle zu machen. Jeder vierte Schüler ist betroffen.
Von Moritz Tripp, funky-Jugendreporter Berlin

Anlässlich des diesjährigen „Tags des Respekts“ fand in Berlin ein Workshop gegen Cybermobbing statt. Moderiert wurde das Event von YouTuber Mirko Drotschmann alias MrWissen2go. Rund hundert Schüler sprachen hier über ihren Umgang mit Cybermobbing und arbeiteten gemeinsam mit Experten „Spielregeln“ für ein digitales Miteinander aus. Wir haben mit Plus-Size-Model und Mitbegründerin des erfolgreichen Modeblogs „The Skinny and the Curvy One“ Verena Prechtl gesprochen. Im Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen mit Mobbing und gibt Tipps, wie man sich am besten davor schützen kann.

Cybermobbing ist durch Social Media ein großes Problem geworden. Du hast auf Instagram als ms_wunderbar eine beträchtliche Reichweite. Fühlst du dich da verantwortlich gegenüber jungen Leuten?

Als Influencer trage ich natürlich eine große Verantwortung. Das ist zum Beispiel, Vielfalt und Diversität zu zeigen. Bewusstsein zu schaffen auf der ganzen Plattform. Bewusstsein dafür, dass 80 Prozent dessen, was man auf Instagram sieht, nicht echt ist. Gerade bei Beauty- und Lifestyle-Influencern. Die Bilder sind gestellt, alles ist drapiert und viele Leute sehen tatsächlich in echt anders aus. Dadurch, dass ich eine Plus-Size-Influencerin bin, möchte ich mich gar nicht viel verschönern oder Sachen einfach wegretuschieren. Weil ich mich nicht selbst belügen will. Ich will Akzeptanz vermitteln. Dafür, dass anders sein auch cool ist.

Hast du Tipps für junge Mädchen und Frauen, um sich vor diesem „perfekten“ Schönheitsideal zu schützen, das überall in Social Media propagiert wird?

Ich sage immer, man muss das Ganze kritisch begutachten. Wie gesagt, der Großteil ist nicht echt oder gar perfekt. Man kommt nicht perfekt auf die Welt. Und zum Thema Selbstbewusstsein: Wichtig ist, sich mal mit sich selbst auseinanderzusetzen. Und nicht nur mit den Äußerlichkeiten, sondern auch mit dem Inneren. Sich einfach mal zwei Tage nehmen, das Handy weglegen und sich nicht ablenken lassen. Das kann sehr schmerzhaft sein. Aber es kann einen weiterbringen. Wo will ich hin? Wo muss ich vielleicht an mir selbst arbeiten? Das zu tun, gebe ich eigentlich jedem mit.

Und das ist auch der Weg, um zufrieden mit sich sein zu können?

Absolut. Denn wenn du unzufrieden mit dir bist, wirst du das auch nach außen strahlen und mehr Angriffsfläche für Hater bieten. Genauso wirst du es nach außen strahlen, wenn du cool mit dir selbst bist. Damit kannst du Leute absolut in deinen Bann ziehen. Wenn mich zum Beispiel Leute früher angeschaut haben, habe ich das immer falsch verstanden: Ich habe ihre Blicke als negativ und verurteilend gewertet, dabei haben sie mich positiv angeschaut und gesagt: „Wow, guck die Frau an, die geht offen und selbstbewusst durchs Leben.“

Ich möchte mich gar nicht viel verschönern oder Sachen einfach wegretuschieren. Weil ich mich nicht selbst belügen will.

Verena Prechtl sagt als Plus-Size-Influencerin dem Cyber-Mobbing den Kampf an

Hängt diese Selbstwahrnehmung auch mit eigenen Vorurteilen zusammen, die man nicht los wird?

Ja. Jeder Mensch hat Vorurteile, doch diese Denkweise ist einfach schlichtweg falsch. Es kann sehr schwierig sein, Vorurteile abzulegen. Deswegen bekomme auch ich viele Hasskommentare: Leute, die zum Beispiel gar nicht wissen, wie ich mich ernähre, sagen: „Friss mal nicht so viel, mach mal Sport.“ Dabei wissen die gar nicht, dass ich sehr viel Sport mache. Vorurteile existieren in so gut wie jedem Lebensbereich. Deshalb ist es auch so wichtig, dass immer wieder darüber gesprochen wird, etwa an Schulen. Und ich weiß, man kann hundert Mal darüber reden, doch auch das hundertste Mal ist wichtig, weil dadurch immer mehr Bewusstsein geschaffen wird, dass Vorurteile falsch sind. Es muss darüber gesprochen werden, dass es normal ist, homosexuell zu sein, dass es dicke Leute gibt wie auch schlanke, dass Menschen in einem falschen Körper geboren wurden. Es ist normal.

Du warst schon sehr früh in deinem Leben Mobbing ausgesetzt. Was hättest du damals, mit dem Wissen und der Erfahrung, die du jetzt als gestandene Frau hast, anders gemacht?

Das ist auch Thema meines Buches „Selbstbewusst ist das neue Sexy“. Am Ende des Buches haben meine Kollegin und ich einen Brief an unser 13-jähriges Ich verfasst. Und meinem 13-jährigen Ich würde ich einfach sagen: „Auch wenn du dich jetzt so fühlst, als wärst du ungeliebt und unverstanden. Du wirst alles schaffen. Du musst nur an dich selbst glauben. Das ist eine Scheißzeit, doch da musst du einfach drüberstehen und es abperlen lassen.“ Denn ich glaube an Karma – alles im Leben kommt zurück.

Dir hat also damals jemand gefehlt, der dir diesen Mut zuspricht?

Ja, bis ich angefangen habe, darüber mit meinen Freunden zu reden. Und die haben mir auch gut aus der Sache rausgeholfen. Deshalb mein Rat: Wenn ihr Hilfe braucht, redet mit jedem, der euch guttut. Geht zu euren Freunden, geht zu euren Eltern, wendet euch auch gern an Influencer. Es gibt andere Betroffene, es gibt Foren, es gibt so viele Stellen, an die man sich wenden kann. Das Wichtige ist: Ihr müsst sprechen. Es tut gut, mit jemandem darüber zu reden. Und es tut auch gut, mal zu weinen.

Leitfaden für ein besseres Miteinander

Dass man heutzutage als betroffene Person nicht alleine dasteht, machten auch die anderen Gäste des Events klar: So erklärte Sophie Pohle vom Kinderhilfswerk die technischen Möglichkeiten, um etwa Hasskommentare zu blockieren. Das Kinderhilfswerk selbst bietet auch Hilfe und Anlaufstellen für Gemobbte an. Die App-Entwickler Julius de Gruyter und Kai Lanz stellten ihre App „exclamo“ vor, mit der Schüler Mobbingfälle anonym melden und sich Hilfe von Vertrauenspersonen holen können. Ein Interview mit ihnen lest ihr kommende Woche auf dieser Jugendseite. Am Ende des Events hatten die Schüler einen Leitfaden entwickelt, der zu einem besseren Miteinander im Netz führt. Außerdem formulierten sie, was sich in Zukunft ändern muss, damit künftig weniger Leute Opfer von Cybermobbing werden.

Anlässlich des Tags des Respekts erarbeiteten Schüler einen Leitfaden gegen Cybermobbing. (
Anlässlich des Tags des Respekts erarbeiteten Schüler einen Leitfaden gegen Cybermobbing. (c) BASECAMP Berlin

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