Eine Woche lang ehrlich sein, keinen Plastikmüll produzieren oder auf Instagram verzichten? In dieser Rubrik versucht sich die Jugendredaktion an spannenden Selbstexperimenten.
Ein grüner Smoothie zum Frühstück, zwitschernde Vögel und Reflektion mit dem Partner vor dem Zubettgehen: Das ist keine Instagram-Morgenroutine, sondern ein Tag in meinem zukünftigen Leben – zumindest laut ChatGPT. Tarotkarten waren gestern, jetzt ist KI an der Reihe.
Seit einigen Wochen gibt es wieder einen neuen Trend in den sozialen Medien: Sich von einer KI einen Tag in seinem zukünftigen Leben beschreiben lassen. Alles, was man dafür braucht, ist ChatGPT und jede Menge Träume. Die KI-Zukunftsvisionen sollen dabei helfen, die eigenen Ziele zu visualisieren und manifestieren. Auch ich wollte herausfinden, ob ChatGPT mir wirklich mein Traumleben beschreiben kann. Also habe ich mich an den Prompt einer TikTok-Creatorin gehalten, die damit von ihrem Zukunftstag zu Tränen gerührt wurde.
Dafür soll ich ChatGPT zunächst meine eigenen Träume und Ziele erzählen, egal wie unrealistisch sie im Moment erscheinen mögen. Hier stoße ich bereits auf die erste Hürde: Was sind denn überhaupt meine größten Träume und Ziele? Und wer möchte ich in zehn Jahren sein? In meinem Kopf fängt es an zu rattern. Kinder oder keine Kinder? Stadt oder Land? Der Beruf, den ich gerade anstrebe oder nochmal eine ganz andere Richtung einschlagen? Und am allerwichtigsten: Hund oder Katze? Ohne mich weiter in meinen eigenen Gedanken zu verstricken, fange ich an, in das Textfeld zu schreiben. Nach zehn bis 15 Minuten ist eine ordentliche Liste an Dingen zusammengekommen, die sich zumindest im Moment für mich richtig anhören. Dazu zählen eine gute Work-Life-Balance, ein sinnvoller Job, der mir Spaß macht, mein erstes eigenes Romanprojekt, selbstbewusstes Auftreten, ein Haus mit Garten und ein aktives Sozialleben. Vor zehn Jahren hätten mich diese beschaulichen Zukunftsvisionen zu Tode gelangweilt, jetzt erscheint mir das Ganze gar nicht mal so schlecht. Also setzte ich am Ende meiner Liste folgenden Satz, wie ihn die TikTok-Creatorin vorgibt: „Kreiere mir einen Tag im Leben meines Zukunfts-Ichs, wenn ich all diese Ziele erreichen würde.“
Sofort legt die KI los: „Der Tag beginnt sanft in deinem hellen Schlafzimmer. Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch das Fenster und du wachst erfrischt auf. Dein Partner schläft noch an deiner Seite, und du nimmst dir einen Moment, um den Tag zu begrüßen.“ So sehen also die ersten Sekunden in einem Tag meines zukünftigen Ichs aus. Generischer geht es kaum. „Nach einer erfrischenden Dusche genießt du ein gesundes Frühstück – vielleicht einen grünen Smoothie und frisch gebackenes Brot vom örtlichen Bäcker. Du blätterst in einem Buch oder einem Magazin, das dich inspiriert und dir kreative Ideen für deine Arbeit liefert.“ Das Ganze klingt wie eine einzige, mit Weichzeichner bearbeitete Insta-Morgenroutine. Alles in meinem Leben scheint glattgebügelt, hell und erfrischt – geradezu perfekt.
Der Tag meines Zukunfts-Ichs geht weiter mit meiner Arbeit, bei der ich Artikel zu gesellschaftlich relevanten Themen und an einem Roman schreibe. „Du verlierst dich vollkommen in den kreativen Momenten und bist stolz auf die Fortschritte, die du machst“, prognostiziert ChatGPT. Nach einer Weile ist es Zeit für eine Mittagspause in meinem Garten. „Der Duft der Blumen und das Zwitschern der Vögel schaffen eine beruhigende Atmosphäre“, säuselt die KI weiter. Am Nachmittag bin ich wieder voll und ganz bei meiner Arbeit, die laut ChatGPT ein „Gefühl der Erfüllung“ in meinem Zukunfts-Ich auslöst. Um 16:30 Uhr ist mein Arbeitstag aber auch schon vorbei. Bei meinem Gegenwarts-Ich lösen die Erzählungen inzwischen eher Gefühle des Brechreizes aus. Immerhin die Work-Life-Balance klingt ganz nach meinem Geschmack.
Abends bekommen mein Partner und ich in unserem großen, lichtdurchfluteten Haus Besuch von Freunden für eine „casual Dinnerparty“, so die KI. Meine Gäste sind glücklich, die Stimmung locker, das Essen himmlisch – besser geht’s wohl kaum. „Es wird viel geplaudert – die Gespräche sind tiefgründig, aber auch voller Lachen. Die Atmosphäre ist warm und entspannt.“ Zum krönenden Abschluss gibt es ein „köstliches Dessert“, das für „noch mehr Gespräche und Genuss sorgt“. Nachdem alle Gäste gegangen sind, reflektieren mein Partner und ich gemeinsam den Tag. „Es war ein Tag voller Erfüllung – sowohl beruflich als auch sozial – und du hast das Gefühl, dass deine sozialen Kontakte und deine Arbeit perfekt in dein Leben integriert sind“, resümiert ChatGPT. „Mit einem Lächeln auf den Lippen schließt du die Augen und freust dich auf den nächsten Tag, der genauso erfüllend sein wird“, beendet die KI ihre Zukunftsvision.
Ein Tag im Leben meines Zukunfts-Ich hört sich wie ein Mix aus „Day in my life“-Videos auf Instagram und Greta Gerwig’s Barbieland an. Alles ist perfekt und erfüllend: Mein Haus, mein Partner, meine Arbeit, das Essen, meine Freund:innen. Ich muss mir um nichts und niemanden Gedanken machen. Mein Leben scheint vollkommen in einer Blase stattzufinden. Ereignisse der Weltpolitik und Gefühle wie Trauer, Zweifel und Wut spielen keine Rolle in diesem Leben.
Vielleicht habe ich schlecht gepromptet oder weiß nicht, was ich mir wirklich für die Zukunft wünsche. Vielleicht ist dieser Trend aber auch nichts für mich, denn so stelle ich mir meine Traum-Zukunft sicher nicht vor. Ich will in zehn Jahren immer noch ein empathischer Mensch sein, der Anteil an der Welt um sich herum nimmt. Ich will die ganze Palette an Gefühlen erleben, nicht nur Glück und Erfüllung in platter Eindimensionalität. Auch mein Zukunfts-Ich soll noch Ziele haben und – wenn Zukunfts-Emely das möchte – einen anderen Weg einschlagen können. Trotzdem hat mir dieser Trend weitergeholfen: Er hat mir ganz genau gezeigt, was ich nicht will.
Eine Woche lang ehrlich sein, keinen Plastikmüll produzieren oder auf Instagram verzichten? In dieser Rubrik versucht sich die Jugendredaktion an spannenden Selbstexperimenten.
Ein grüner Smoothie zum Frühstück, zwitschernde Vögel und Reflektion mit dem Partner vor dem Zubettgehen: Das ist keine Instagram-Morgenroutine, sondern ein Tag in meinem zukünftigen Leben – zumindest laut ChatGPT. Tarotkarten waren gestern, jetzt ist KI an der Reihe.
Seit einigen Wochen gibt es wieder einen neuen Trend in den sozialen Medien: Sich von einer KI einen Tag in seinem zukünftigen Leben beschreiben lassen. Alles, was man dafür braucht, ist ChatGPT und jede Menge Träume. Die KI-Zukunftsvisionen sollen dabei helfen, die eigenen Ziele zu visualisieren und manifestieren. Auch ich wollte herausfinden, ob ChatGPT mir wirklich mein Traumleben beschreiben kann. Also habe ich mich an den Prompt einer TikTok-Creatorin gehalten, die damit von ihrem Zukunftstag zu Tränen gerührt wurde.
Dafür soll ich ChatGPT zunächst meine eigenen Träume und Ziele erzählen, egal wie unrealistisch sie im Moment erscheinen mögen. Hier stoße ich bereits auf die erste Hürde: Was sind denn überhaupt meine größten Träume und Ziele? Und wer möchte ich in zehn Jahren sein? In meinem Kopf fängt es an zu rattern. Kinder oder keine Kinder? Stadt oder Land? Der Beruf, den ich gerade anstrebe oder nochmal eine ganz andere Richtung einschlagen? Und am allerwichtigsten: Hund oder Katze? Ohne mich weiter in meinen eigenen Gedanken zu verstricken, fange ich an, in das Textfeld zu schreiben. Nach zehn bis 15 Minuten ist eine ordentliche Liste an Dingen zusammengekommen, die sich zumindest im Moment für mich richtig anhören. Dazu zählen eine gute Work-Life-Balance, ein sinnvoller Job, der mir Spaß macht, mein erstes eigenes Romanprojekt, selbstbewusstes Auftreten, ein Haus mit Garten und ein aktives Sozialleben. Vor zehn Jahren hätten mich diese beschaulichen Zukunftsvisionen zu Tode gelangweilt, jetzt erscheint mir das Ganze gar nicht mal so schlecht. Also setzte ich am Ende meiner Liste folgenden Satz, wie ihn die TikTok-Creatorin vorgibt: „Kreiere mir einen Tag im Leben meines Zukunfts-Ichs, wenn ich all diese Ziele erreichen würde.“
Sofort legt die KI los: „Der Tag beginnt sanft in deinem hellen Schlafzimmer. Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch das Fenster und du wachst erfrischt auf. Dein Partner schläft noch an deiner Seite, und du nimmst dir einen Moment, um den Tag zu begrüßen.“ So sehen also die ersten Sekunden in einem Tag meines zukünftigen Ichs aus. Generischer geht es kaum. „Nach einer erfrischenden Dusche genießt du ein gesundes Frühstück – vielleicht einen grünen Smoothie und frisch gebackenes Brot vom örtlichen Bäcker. Du blätterst in einem Buch oder einem Magazin, das dich inspiriert und dir kreative Ideen für deine Arbeit liefert.“ Das Ganze klingt wie eine einzige, mit Weichzeichner bearbeitete Insta-Morgenroutine. Alles in meinem Leben scheint glattgebügelt, hell und erfrischt – geradezu perfekt.
Der Tag meines Zukunfts-Ichs geht weiter mit meiner Arbeit, bei der ich Artikel zu gesellschaftlich relevanten Themen und an einem Roman schreibe. „Du verlierst dich vollkommen in den kreativen Momenten und bist stolz auf die Fortschritte, die du machst“, prognostiziert ChatGPT. Nach einer Weile ist es Zeit für eine Mittagspause in meinem Garten. „Der Duft der Blumen und das Zwitschern der Vögel schaffen eine beruhigende Atmosphäre“, säuselt die KI weiter. Am Nachmittag bin ich wieder voll und ganz bei meiner Arbeit, die laut ChatGPT ein „Gefühl der Erfüllung“ in meinem Zukunfts-Ich auslöst. Um 16:30 Uhr ist mein Arbeitstag aber auch schon vorbei. Bei meinem Gegenwarts-Ich lösen die Erzählungen inzwischen eher Gefühle des Brechreizes aus. Immerhin die Work-Life-Balance klingt ganz nach meinem Geschmack.
Abends bekommen mein Partner und ich in unserem großen, lichtdurchfluteten Haus Besuch von Freunden für eine „casual Dinnerparty“, so die KI. Meine Gäste sind glücklich, die Stimmung locker, das Essen himmlisch – besser geht’s wohl kaum. „Es wird viel geplaudert – die Gespräche sind tiefgründig, aber auch voller Lachen. Die Atmosphäre ist warm und entspannt.“ Zum krönenden Abschluss gibt es ein „köstliches Dessert“, das für „noch mehr Gespräche und Genuss sorgt“. Nachdem alle Gäste gegangen sind, reflektieren mein Partner und ich gemeinsam den Tag. „Es war ein Tag voller Erfüllung – sowohl beruflich als auch sozial – und du hast das Gefühl, dass deine sozialen Kontakte und deine Arbeit perfekt in dein Leben integriert sind“, resümiert ChatGPT. „Mit einem Lächeln auf den Lippen schließt du die Augen und freust dich auf den nächsten Tag, der genauso erfüllend sein wird“, beendet die KI ihre Zukunftsvision.
Ein Tag im Leben meines Zukunfts-Ich hört sich wie ein Mix aus „Day in my life“-Videos auf Instagram und Greta Gerwig’s Barbieland an. Alles ist perfekt und erfüllend: Mein Haus, mein Partner, meine Arbeit, das Essen, meine Freund:innen. Ich muss mir um nichts und niemanden Gedanken machen. Mein Leben scheint vollkommen in einer Blase stattzufinden. Ereignisse der Weltpolitik und Gefühle wie Trauer, Zweifel und Wut spielen keine Rolle in diesem Leben.
Vielleicht habe ich schlecht gepromptet oder weiß nicht, was ich mir wirklich für die Zukunft wünsche. Vielleicht ist dieser Trend aber auch nichts für mich, denn so stelle ich mir meine Traum-Zukunft sicher nicht vor. Ich will in zehn Jahren immer noch ein empathischer Mensch sein, der Anteil an der Welt um sich herum nimmt. Ich will die ganze Palette an Gefühlen erleben, nicht nur Glück und Erfüllung in platter Eindimensionalität. Auch mein Zukunfts-Ich soll noch Ziele haben und – wenn Zukunfts-Emely das möchte – einen anderen Weg einschlagen können. Trotzdem hat mir dieser Trend weitergeholfen: Er hat mir ganz genau gezeigt, was ich nicht will.
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