Buchclub: Lesen außerhalb der Komfortzone

Zwei Personen sitzen nebeneinander und lesen jeweils in einem Buch.
Zu zweit liest man weniger allein: Buchclubs laden zum Entdecken neuer Bücher und Austauschen ein.

Emely Hofmann, funky-Jugendreporterin

Lesen liegt dank TikTok, Bookstagram und Co. im Trend. Auf den Plattformen findet anstelle eines Dialogs aber oft ein Monolog statt. Ich hatte Lust auf echten Austausch und bin einem Buchclub beigetreten.

Bookstagram, Booktok und Goodreads: Ein Mekka für Bücherwürmer, könnte man meinen. Überall werden die spannendsten Plot-Twists, romantischsten Liebesgeschichten und herzzerreißendsten Familiendramen angepriesen. Was lohnt es sich zu lesen? Wie glaubwürdig ist die Lovestory wirklich? Und ist das Buch den Hype wert? Die Flut an Meinungen und „Must-Reads“ ist überwältigend. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich nur noch sehr ähnliche Bücher gelesen habe, meine Meinung aber selten mit der im Internet übereinstimmte. Ich hatte Lust, ein wenig Abwechslung in meinen Lesestoff zu bringen und mit anderen in einen echten Diskurs über die gelesenen Bücher zu treten. Das hübsch illustrierte Plakat mit der Überschrift „Buchclub Brunch“, dass ich während eines Spaziergangs entdeckte, kam also wie gerufen. Bücher und Brunch? Count me in.

Die einzigen Bedingungen, um zum Buchclub dazu zu stoßen: Die Teilnehmer:innen müssen zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein und gerne Gegenwartsliteratur lesen. Das passte also schonmal . Eine kurze Nachricht an die Initiatorin später und schon wurde ich in die neugegründete Buchclub-Gruppe aufgenommen. Neben mir waren noch zehn weitere Teilnehmer:innen in der Gruppe. Die Abstimmung über das erste Buch lief bereits.

Vielfalt statt Einheitsbrei

Nach einigen Tagen war dann klar, dass „Leonard und Paul“ von Rónán Hession zuerst auf der Leseliste stand. Ein Roman, den ich selbst nie ausgewählt hätte. Der Klappentext klang zu langweilig und die Themen zu weit weg von meinen eigenen Interessen. Ohne den Buchclub hätte ich es in der Buchhandlung beiseitegelegt und wahrscheinlich die fünfte Coming-of-Age Geschichte mit einer queeren Liebesbeziehung gekauft – und mich später darüber aufgeregt, dass alle Bücher, die ich lese, gleich sind.

Doch von den ersten Seiten an fühlte sich dieses Buch wie eine warme Umarmung an. Es war unaufgeregt, lustig, traurig und hoffnungsvoll zugleich. Nicht nur das Buch war anders als das, was ich sonst lese, auch das Lesererlebnis selbst war neu: Ich habe aufmerksamer gelesen, Passagen markiert, Fragen notiert und wichtige Stellen mit Post-Its versehen. Mein Gedanke beim Lesen war passenderweise: „Ich frage mich, was die anderen darüber denken.“

Bei unserem ersten Treffen in einem gemütlichen Café waren wir nur eine kleine Runde aus fünf Teilnehmer:innen. Niemand kannte sich. Wir tasteten unsere Literatur-Vorlieben ab und tauschten kurz die wichtigsten Eckdaten über unser Leben aus. Die meisten waren Mitte zwanzig und befanden sich irgendwo zwischen Studium und Berufsleben. Wir alle waren aus unterschiedlichen Gründen da: Ob zur Motivation zum Lesen, die Suche nach anderen Genres oder zum Austauschen.

Gemeinsam lesen gegen Einsamkeit

Dann ging es schließlich um das Buch. Schnell stellte sich heraus: Ich war mit meinem Eindruck nicht allein. Allen hatte das Buch sehr gut gefallen. Interessant waren dabei allerdings die unterschiedlichen Begründungen: Die Stellen und Charakterzüge, die ich besonders toll fand, waren anderen gar nicht aufgefallen. Andere Passagen und Aussagen wiederum waren mir beim Lesen entgangen und ich sah sie erst durch die Erläuterungen der anderen Teilnehmer:innen in einem neuen Licht. Am Ende des Treffens war mir klar: Ich werde wiederkommen.

Dranzubleiben hat sich gelohnt. Für die monatlichen Treffen in den vergangenen sechs Monaten habe ich die unterschiedlichsten Bücher gelesen. Nicht jedes davon hat mir gefallen und oft sind die Meinungen auch auseinander gegangen, aber trotzdem hat sich jedes Buch und jedes Treffen gelohnt. Immer wieder sind auch neue Leute dazu gestoßen, sodass unsere Gruppe inzwischen etwa 12 regelmäßige Teilnehmer:innen zählt. Es ist bereichernd, zu hören, was sie an den Charakteren oder Geschichten fasziniert hat und welche Gefühle diese auslösen können. Denn am Ende des Tages ist Lesen immer subjektiv. Ich kann mir vorher noch so viele Videos auf TikTok anschauen oder Rezensionen auf Goodreads durchlesen: Niemand kann mir sagen, ob mir das Buch gefallen wird oder nicht – und das ist auch gut so. Denn oft kann ich aus Geschichten, von denen ich es am wenigsten erwartet hätte, das meiste mitnehmen, weil sie mir neue Welten und Perspektiven eröffnen.

Lesen kann ein einsames Hobby sein, bei dem die Charaktere in den Büchern die einzigen Weggefährten durch die Seiten sind. Das kann gemütlich und eine schöne Flucht vor der echten Welt sein, aber oft wünsche ich mir, meine Gedanken und Erfahrungen zu einem Buch teilen zu können. Durch den Austausch im Buchclub habe ich also nicht nur neue Perspektiven und Geschichten dazugewonnen, sondern auch eine ganz neue Facette des Lesens entdeckt.

Du willst mehr? Du bekommst mehr!

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.