Interview

„Diskutieren kann gelernt werden.“ – Kommunikationstrainerin Fatma Erol-Kılıç im Interview über das konstruktive Streiten

Mutter udn Tochter streiten miteinander.
Streiten und kontruktives Diskutieren sind grundlegend verschiedene Arten zu kommunizieren.
Rita Rjabow, funky-Jugendreporterin

Ob nun mit den Eltern, den eigenen Geschwistern oder mit Freundinnen und Freunden: Wir Menschen kommunizieren täglich miteinander. Und wenn man sich austauscht, ist es hin und wieder auch unvermeidbar, dass Konflikte entstehen. Damit aber nicht gleich die Fetzen fliegen und Türen geknallt werden, ist es wichtig, konstruktiv zu streiten. Wie genau das funktionieren kann und was ein gutes Setting für hitzige Diskussionen ausmacht, das erklärt die Kommunikationstrainerin Fatma Erol-Kılıç im Interview.

Kommunikationstrainerin Fatma Erol-Kılıç
© Astrid Piethan

Worin besteht deine Arbeit als Kommunikationstrainerin?
Ich bin ausgebildete Verhaltens- und Kommunikationstrainerin. Trainings biete ich im Bereich Soft Skills an, angefangen bei Kommunikationstechniken bis hin zu Verhandlungsmethoden. Meine Themen sind also: Wie kommuniziere ich richtig? Wie gehe ich mit Konflikten um? Wie trete ich gekonnt souverän auf? Ich selbst habe ein eigenes Konzept kreiert und es ist das Herzstück meiner Arbeit. Das Format heißt „Kommunikation der Macht“. Das Konzept konzentriert sich darauf, Machtstrukturen im eigenen Umfeld oder auch in Gesprächen zu erkennen und einen gezielten Umgang damit zu entwickeln.

Was macht einen Streit zu einem Streit für dich?
Zwei Menschen kommunizieren miteinander, tauschen sich aus, sind in einem Gespräch. Zu einem Streit wird es dann, wenn mindestens eine Seite wahrnimmt, dass das Bereden kein Miteinander mehr ist, sondern ein deutliches Gegeneinander. Diskussion kann als Begriff synonym zu konstruktiv Streiten verwendet werden. Eine Diskussion ist also keine Diskussion mehr, wenn eine Seite versucht, auf die andere Seite einzureden und dabei nicht mehr ihrer Gegenseite zuhört.

Eine Seite oder beide Seiten hören auf, zuzuhören und aufeinander einzugehen. Man macht die Schranken zu.

Was sind Merkmale eines Streits, was sind Merkmale einer Diskussion?
Der Begriff Diskutieren hat seine Wurzeln im Lateinischen (lat. discutere) und bedeutet, dass man ein Thema erörtert, sich damit beschäftigt, es gemeinsam unter die Lupe nimmt. Was braucht es, damit wir uns gemeinsam Thema X widmen können? Die Kriterien dafür können spezifisch sein, denn wir haben unterschiedliche Bedürfnisse. Das sind die Hinweise, die allgemein gelten und die in einem Gespräch Anhalt dazu geben, dass es ein Streit und keine Diskussion ist. Zum Beispiel: Ein Gespräch wird immer lautet und lauter. Eine Seite oder beide Seiten hören auf, zuzuhören und aufeinander einzugehen. Eine Person verliert das Interesse daran, das Gegenüber zu verstehen. Man macht die Schranken zu. Und häufig werden keine Fragen mehr gestellt und es ist kein Verständnis für eine andere Perspektive mehr da. Verstehen und Zuhören funktioniert nämlich nur durch das Stellen von Fragen. Ein Contra-Beispiel sind Talkshow-Formate. Bei einigen dieser Formate wird ein „Diskussionsthema“ vorgegeben, jedoch konfrontieren sich dort die Leute mit ihrer Meinung. Sie reden nicht miteinander, sondern gegeneinander. Das sind keine Diskussionsrunden, das ist kein Konstruktiver Streit. Das ist Streit.

Welcher Moment eignet sich besonders gut zum Diskutieren?
Häufig werden Diskussionen direkt an Ort und Stelle ausgetragen. Daher schaukeln sich Meinungsverschiedenheiten in bestimmten Fällen hoch und werden zum Streit. Es ist wichtig, in solchen Situationen einzuschätzen, ob es das richtige Setting für große Diskussionsthemen ist. Wichtige Fragen, die ich vor dem Einstieg in eine Diskussion empfehle, sind beispielsweise: Wie geht es dem Gegenüber gerade? Wann führen wir diese Diskussion? Ist mein Gegenüber gerade auf dem Sprung? In welcher Atmosphäre führen wir eine Diskussion? Hat mein Gegenüber einen langen Tag, eine lange Woche hinter sich? Wo führen wir diese Diskussion? Anstatt schlechte Momente zu nutzen, um eine Diskussion anzubrechen, gibt es auch einen anderen Weg. Mein Tipp: Nutzt gute Momente, um schwierige Themen zu besprechen. Eine angenehme Atmosphäre ist eine gute Voraussetzung für eine Diskussion.

Die Stimmung im Gespräch hat sich geändert, sie droht zu kippen. Was kann ich in solchen Situationen tun?
„Ich habe das nicht richtig verstanden. Kannst du mir bitte ein Beispiel dafür geben?“ Dieser Satz ist ein Hinweis dafür, dass zugehört wird und dass man die andere Person wirklich verstehen möchte. Solche Sätze sind auch hilfreich, um ein Gespräch wieder auf den Boden zu bringen, wenn der Eindruck entsteht, dass die Unterhaltung langsam zu einem Streit eskaliert. Beide Seiten schauen aus ihrer subjektiven Perspektive auf ein Diskussionsthema. Der Zusammenprall der verschiedenen Welten soll möglichst geschmeidig passieren. Daher rate ich: Zuhören, Fragen stellen und Verständnis aufbringen.

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