Hass, Hetze und Verschwörungstheorien – typisch Rap?

Fans bei einem Kollegah-Konzert
Fans bei einem Kollegah-Konzert

Seit dem Echo-Skandal ist klar: Rapper müssen Verantwortung für ihre Texte übernehmen. Warum „is‘ doch nur Rap“ einfach nicht mehr zählt.

Von Kathrin Keller

Selbst Wochen nach der Echo-Verleihung ist der Skandal um die Rapper Kollegah und Farid Bang noch ein Thema: Das Internationale Auschwitz Komitee hat die beiden zu einem Besuch in die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau eingeladen. Und noch immer wird im Netz heftig darüber diskutiert, ob Deutsch-Rap per se antisemitisch, also judenfeindlich, ist oder eben nicht.

Auf beinahe jedem deutschen Schulhof wird Rap gehört. Viele haben für die zahlreichen „Deine Mutter“-Sprüche nur ein müdes Lächeln übrig. Doch für nicht wenige sind die „Jungs von der Straße“ eben echte Vorbilder. Sie lernen die Texte bis zur letzten Silbe auswendig und stellen sich verteidigend hinter ihre Idole. Das kann gefährlich werden.

Ben Salomo ist jüdischer Rapper und Gründer des Rap-Battle-Formats „Rap am Mittwoch“

Wer versteht, wie eine Zeile „tatsächlich“ gemeint ist?

Ben Salomo, Berliner Rapper und Gründer des Rap-Battle-Formats „Rap am Mittwoch“, fordert deshalb mehr Verantwortung von seinen Kollegen. „Es kann nicht sein, dass die Jungs ihre Texte oder Videos mit antisemitischen Symbolen völlig unkommentiert ins Netz stellen“, kritisiert er. In einem Rap-Video von Kollegah aus dem Jahr 2016 wird beispielsweise der Helfer des Teufels mit einem Davidstern dargestellt.

Tracks von den großen Stars der Szene werden auf YouTube millionenfach geklickt und haben daher einen enormen Einfluss auf die Fans. Sie brauchen nur ein einziges Schlagwort liefern, sagt Salomo, und schon landeten die Fans auf Propaganda-Seiten oder Dokumentationen mit verschwörungstheoretischen Inhalten. Besonders gefährlich werde es, sagt er, „wenn die Fans glauben, sich eine Art Geheimwissen angeeignet zu haben, während das große Idol ihnen letztlich nur die Tür dahin geöffnet hat“.

„Rapper präsentieren sich gerne als Aufklärer“

Oliver Marquart
Oliver Marquart ist Chefredakteur von rap.de

Dass gerade Verschwörungstheorien ziemlich gut bei den jungen Fans ankommen, bestätigt Oliver Marquart, Chefredakteur des Hip-Hop-Magazins Rap.de. Das sei nichts Neues, erklärt er, schon zu Zeiten von Prinz Porno Anfang der 2000er gehörten Verschwörungstheorien zum festen Bestandteil des Hip-Hops. „Rapper präsentieren sich auf diese Weise gerne als Aufklärer und Weltverbesserer, die sich nicht nur um ihre Fans, sondern auch um die ‚Wahrheit‘ kümmern“, sagt Marquart. Von Illuminaten, der Flat Earth Theory, Pizzagate oder der von Rapper Haftbefehl erfundenen „Rothschild-Theorie“ ist dann die Rede. Ob das Rap-Idol selbst an so manche weltfremde Behauptung glaubt, das stehe wiederum auf einem ganz anderen Blatt.

Also alles reine Marketing-Strategie? Zumindest bezeichnen sich Rapper selbst nicht als Antisemiten, Rassisten, Frauenhasser oder Verschwörer. Auch wenn sie mit ihrer Musik genau denjenigen in die Hände spielen. Salomo findet das unverantwortlich: Rapper könnten von ihren – hauptsächlich minderjährigen – Fans nicht erwarten, dass sie schon verstünden, wie eine Zeile „tatsächlich“ gemeint sei. Vor allem dann nicht, wenn sie ihre Texte kommentarlos im Raum stehen lassen würden.

Die Zensur von Texten kann keine Lösung sein

Klar ist aber auch, dass Rap schon immer eine Art Rebellion war. „Die Stimme der Stimmlosen“ sozusagen. Eine Sprache, die mit Provokationen spielt und auf knallharte Weise die Probleme der Gesellschaft wiederspiegelt. Trotzdem: Fragwürdig wird es, wenn Grenzen zwischen der eigentlichen Rap-Kunst und ideologischer Hetze zu zerfließen beginnen.

Nun könne man Rappern nicht einfach vorschreiben, worüber sie rappen dürfen, hält Marquart fest. Mit Verboten oder gar einer Zensur von Rap-Texten, wie von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vorgeschlagen, komme man sicherlich nicht weiter. Eher müssten Jugendliche besser geschult werden, „damit sie nicht einfach jeden Mist glauben“, sagt Marquart.

Ben Salomo zieht sich als einer der wenigen jüdischen Rapper in Deutschland übrigens aus dem Deutsch-Rap zurück. Eigentlich wollte er als eine Art Galionsfigur über Antisemitismus in Deutschland aufklären. Nun will er versuchen, den Deutsch-Rap von außen wachzurütteln.

Titelbild: Kollegah-Fans bei einem Konzert / Picture Alliance/Ralph Goldmann

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.

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