Interview

Saskia Niechzial: „Schulen sollten schnell auf digitale Neuerungen reagieren können“

Schüler und Lehrerin an Tafel
Für Saskia Niechzial ist der Unterricht auf Augenhöhe ein wichtiges pädagogisches Tool.
Lena Enders, funky-Redakteurin
Saskia Niechzial

Als Lehrkraft und Bildungsinfluencerin setzt sich Saskia Niechzial bereits viele Jahre für ein zeitgemäßes Lernen ein. Auf Social Media teilt sie auf ihrem Instagram-Profil „liniert.kariert“ ihren Schulalltag und zeigt konkret, wie Schule auf Augenhöhe erfolgreich funktionieren kann – was auf  jede Menge Interesse stößt. Saskia gibt nicht nur Tipps und Impulse für den Unterricht, sondern betont auch die Relevanz des digitalen Unterrichtens. Im Interview zeigt die Lehrerin den Handlungsbedarf auf, um das Bildungssystem alltagsnah und modern zu gestalten.

Liebe Saskia, in deiner Arbeit dreht sich alles um Schule auf Augenhöhe. Wieso liegt dir das Thema am Herzen?
Bereits als Schülerin ist mir die Schieflage aufgefallen. Schule soll für Kinder und Jugendliche gemacht sein, damit sie lernen und ins Erwachsenenleben hineinbegleitet werden. Ich fand es schwierig, dass junge Menschen dabei so wenig nach ihren Bedürfnissen gefragt werden. Letztendlich sind es Erwachsene, die entscheiden, was gelernt wird, wie gelernt wird, wann gelernt wird, wann Pause gemacht wird, wie man beim Lernen sitzt, wie der Stift gehalten wird. Natürlich sollen Expertinnen und Experten für Lernprozesse die Zügel in der Hand haben, aber auf der anderen Seite sollten Kinder und Jugendliche miteinbezogen werden.

Wie kann man sich das vorstellen?
Es geht vor allem um die Frage: Was brauchen die Schülerinnen und Schüler für das Lernen? Lerninhalte sind nicht getrennt von der Beziehung zwischen Lehrkräften und den Lernenden. Beim Lernen passiert etwas Zwischenmenschliches, das einen deutlichen Effekt auf den Lernerfolg hat. Das hatte man auf professioneller Ebene lange nicht im Blick. Mir ist es ein großes Anliegen, die Beziehungsarbeit beim Lernen ins Bewusstsein zu bringen. Wir verschenken so viel Potenzial, wenn wir uns nicht darüber im Klaren sind, dass eine Beziehung und Augenhöhe wichtig sind. Lernen kann nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn wir die Kinder in Entscheidungsprozesse einbeziehen. Mittlerweile gibt es viele tolle Impulse zu Beziehungsarbeit in der Schulbildung. Das Thema moderner Unterricht wird viel diskutiert, also scheint es eine Relevanz zu haben.

Was genau bedeutet das im Schulkontext?
Es sind große strukturelle, aber auch kleine Momente. Beispielsweise ist die Lernumgebung wichtig. Allein die Art, wie der Klassenraum gestaltet ist, hat etwas mit Augenhöhe zu tun. Dieser Raum sollte möglichst vielen Lerncharakteren mit unterschiedlichen Lernbedürfnissen gerecht werden. Aber auch die Meinung der Schülerinnen und Schüler zu erfragen gehört dazu. Das Thema Augenhöhe wird unter Lehrkräften häufig fälschlicherweise mit schwindendem Respekt verbunden. Umso wichtiger ist es, aufzuklären und diese Angst zu nehmen. Man muss die Entscheidungsprozesse natürlich begleiten, doch Kinder wählen nicht immer den unvernünftigsten Weg, nur weil man ihnen mehr Freiheit gibt. Das Bild von jungen orientierungslosen Menschen, die auf die Barrikaden gehen, wenn man ihnen nicht den Weg weist, gilt es aufzulösen. So bringt man jungen Menschen mehr Verantwortung und Vertrauen entgegen und gibt ihnen die Chance, zu kooperieren.

Welchen Handlungsbedarf siehst du im Bereich der Digitalisierung?
Allein der Blick auf einzelne Bundesländer und Schulen zeigt, wie unterschiedlich sie ausgestattet sind. Häufig hängt das davon ab, ob sich eine Lehrkraft zufälligerweise auskennt. Ich erlebe Lehrkräfte, die durchaus bereit sind, sich der Digitalisierung anzunehmen, mit allem was dazu gehört. Ich selbst bin so eine Lehrkraft. Das Problem ist: Es wird kein Ausgleich geschaffen, keine Entlastungsstunden oder Vergütung. Es bedarf zum einen sinnvoller Konzepte, die für motivierte Lehrkräfte Anreize schaffen, sich dem Thema Digitalisierung zu widmen. Es braucht also ein System, das festlegt, wie diese Ressourcen ausgespielt werden können, um die Stärken eines Kollegiums zu fusionieren. Die personellen Ressourcen sind nämlich da, wir müssen sie nur nutzen. Ich glaube, so wären wir auf einen Schlag deutlich weiter.Zweitens muss sich in den Köpfen der Lehrkräfte etwas ändern. Ich spüre die Angst vor dem Thema Digitalisierung. Die Angst liegt vor allem darin, das Gewohnte abzulegen und neue Wege einzuschlagen. Drittens wird zu viel geredet und damit viel Zeit verschwendet. Digitale Neuerungen passieren so schnell. In der Corona-Pandemie war eine große Dringlichkeit da und es wurde viel Neues für Schulen entwickelt. Es gibt viele tolle digitale Möglichkeiten zu unterrichten – dabei haben wir jedoch nicht die Zeit, auf politische Entscheidungsprozesse zu warten. Schulen sollten schnell auf digitale Neuerungen reagieren können.

Was wünschst du dir von Lehrkräften, Entscheidungsträgern und der Gesellschaft?
Offenheit im Kollegium gegenüber dem Thema Digitalisierung. Ja, Kinder verbringen viel Zeit an digitalen Geräten, doch das kann man positiv nutzen. Kinder haben früh medialen Kontakt, und jetzt geht es darum, das zu erkennen und damit zu arbeiten. Wir Lehrkräfte müssen sie in Bezug auf Medien so kompetent wie möglich machen. Wir können aufzeigen, welchen Wert Medien haben – wo sie sinnvoll sind, wo sie uns unterstützen können, wo wir mit Medien kreativ sein können. An dieser Stelle braucht man von den Erziehungsberechtigten eine Bildungspartnerschaft und Zusammenarbeit, sodass Kinder im Medieneinsatz auch zu Hause begleitet werden. Des Weiteren müssen Entscheidungsträger und Politik wahrnehmen, was an Schulen los ist und was die realen digitalen Bedürfnisse sind. Und schließlich braucht es Verständnis von der Gesellschaft. Wenn sich Lehrkräfte digitalen Inhalten und Methoden stellen sollen, dann wird das nicht gelingen, indem man mit dem Finger auf sie zeigt.  

Was kann Lehrkräfte dabei unterstützen, digital zu arbeiten?
Man muss sie möglichst konkret an die Hand nehmen. Man muss ihnen zeigen, dass das digitale Unterrichten etwas Positives ist, durch das sie unterstützt werden. Dafür muss man ihnen Möglichkeiten bieten, die unkompliziert und schnell im Unterricht umgesetzt werden können. Es braucht einen selbst erlebten Lerneffekt im Sinne von: „Es ist doch gar nicht so schwierig, wie ich dachte, den Kindern macht es Spaß und es hat meinen Unterricht bereichert.“ Deshalb muss es Angebote geben, die direkt vor Ort, ganz passgenau und schnell anwendbar für Lehrkräfte stattfinden.

Was hilft dir beim digitalen Unterrichten?
Eine große Unterstützung sind Präsentationen an der digitalen Tafel, die eine grundlegende Struktur der Unterrichtsstunde bereitlegen. So kann ich mich auf das Unterrichten selbst konzentrieren, bin im Austausch mit den Schülerinnen und Schülern und widme mich der Beziehungsarbeit. So bin ich eine geduldigere, zugewanderte Lehrkraft.

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