Die High Society in der Pampa: Mein Leben im Eliteinternat

Das Leben im Internat brachte unsere Autoprin dazu, ihre Komfortzone zu verlassen.
Das Leben im Internat brachte unsere Autoprin dazu, ihre Komfortzone zu verlassen.
Franziska Scharfenstein, funky-Jugendreporterin

Es klingelt, die Hausmutter wünscht „Guten Appetit“ und alle setzen sich. Das Frühstück hat begonnen und damit ein neuer Schultag am Internat. Wir alle beeilen uns mit dem Essen, damit der Teller vor dem zweiten Klingeln leer ist.  Hier im Internat sollen uns Schüler:innen Struktur, Verantwortung und eine humanistische Bildung beigebracht werden. Und was wir hier erleben, prägt uns für das ganze Leben.

Ich bin Schülerin der elften Klasse und lebe seit einem halben Jahr in einem ländlichen Eliteinternat. Nur dank eines Stipendiums habe ich überhaupt hierher wechseln können, an einen Ort, der es eigentlich nur reichen Familien ermöglicht, ihre Kinder dort hinzuschicken. Meine komplette Welt wurde auf den Kopf gestellt. Ich habe eine neue Form des Unterrichts, des Wohnens, der Freundschaft und des gesellschaftlichen Miteinanders kennengelernt.

Upperclass …

Wer jetzt gleich an „Hanni und Nanni“ denkt, den muss ich enttäuschen. Wir spielen kein Hockey, teilen uns höchstens zu zweit ein Zimmer, tragen keine Schuluniformen und sind außerdem kein reines Mädcheninternat. Einige Klischees erfüllt meine Schule dennoch. Hier gehen die Kinder der oberen Prozente Deutschlands zur Schule. Vermögen, Arbeit, Status und der Familienname spielen eine große Rolle. Ich habe vorher noch nie so viele adlige Menschen, Monclear-Jacken und Polo-Zeichen auf einem Haufen gesehen. Mittlerweile überrascht es mich kaum noch, wenn mir Freundinnen und Freunde von ihren Feriensitzen auf Sylt oder Mallorca erzählen.

Es ist jedoch wichtig, festzustellen, dass sowohl die finanziell sehr starken Schüler:innen, als auch die Stipendiaten im Endeffekt eigentlich alle einfach nur Kinder sind. Die Personen, mit denen ich gemeinsam am Frühstückstisch sitze, haben mit denselben zwischenmenschlichen Problemen zu kämpfen wie jeder andere Teenager auch. Leistungsprobleme, Liebeskummer und Freundschaftsdramen stehen auch hier auf der Tagesordnung.

Wie bei Gossip Girl

Durch das enge Zusammenleben gibt es eine große Gossip-Kultur. Die Gerüchteküche brodelt am laufenden Band und die meisten Geheimnisse kommen innerhalb von 24 Stunden ans Licht. Jeder und jede weiß über jeden und jede Bescheid, es ist fast unmöglich, sich davor zu verstecken. Der einzige Ausweg ist, sein Geheimnis wirklich niemandem zu erzählen. Weiß es oder sieht es jemand, wissen es alle. Im letzten halben Jahr habe ich viele sehr gute Freundinnen und Freunde, mit denen ich dann doch meine Geheimnisse teile, gefunden und mich gut eingelebt, unter anderem durch Hobbys und Partys. Am Anfang war es etwas schwierig, da viele sich schon zuvor kannten, doch meine Mitschüler:innen und ich sind offen und nähern uns gegenseitig an.

Ein klassischer Tag im Internat

Der Unterricht startet um 8.15 Uhr. Doch davor wird – wie schon erwähnt – gefrühstückt. Genau wie mittags (13 Uhr), als auch abends (19 Uhr) essen wir gemeinsam. Am Nachmittag ist dann Zeit für die Hobbys. Viele beschäftigen sich mit Sport: Das Internat besitzt mehrere Sportplätze, Indoor und Outdoor, wo Rugby, Tennis, Fußball oder sonstige Ballsportarten gespielt werden können. Außerdem gehört ein Reiterhof zur Anlage. Es ist lustig, wenn ich aus meinem Klassenraumfenster beobachten kann, wie Pferde longiert werden. Aber auch die kreativen Menschen werden versorgt: Ich zum Beispiel besuche die Töpferwerkstadt und verbringe viele Nachmittage im Musikhaus, wo ich mit einer Band probe, Klavier übe und Songs schreibe. Neben diesen freiwilligen Aktivitäten müssen alle Schüler:innen mindestens einen sozialen Dienst absolvieren. Schließlich soll man auch lernen, Verantwortung zu übernehmen. 

Um 22.30 Uhr müssen wir dann wieder auf unseren Zimmern sein. Der Tag ist offiziell vorbei. Inoffiziell kann dann noch eine Menge passieren, es ist die Zeit des sogenannten „Aussteigens“. Damit ist das nächtliche Rausschleichen in andere Häuser oder das Verlassen des Geländes gemeint. Auch Internatsschülerinnen und -schüler feiern gerne und befolgen nicht alle Regeln.

Von alten Traditionen und dem Discofox der Adeligen

Zusätzlich zu dem sich ständig wiederholenden Alltag gibt es im Internat viele traditionelle Feiern, wie zum Beispiel einen Winterball oder das Altschülertreffen. Auf diesen Veranstaltungen treffen sich ehemalige und aktuelle Schülerinnen und Schüler jeder Altersgruppe. Zusammen wird viel getrunken, gegessen und zu Friesenrock getanzt.  Letzteres ist ein Paartanz, ähnlich dem Discofox. Dieser Tanz ist in Adelskreisen besonders beliebt.

Es gibt viele Traditionen, unausgesprochene Regeln und andere Verhaltensweisen, die mir gänzlich unbekannt waren. Der Friesenrock ist nur ein Beispiel dafür. Jedes Kind lernt diesen Tanz und er wird auf jedem Fest getanzt. Außerdem pflegen viele Familien der Internatssprösslinge eine große Jagd- und Reitkultur.

Wie bereits erwähnt gehören die meisten Menschen meiner Schule nicht der durchschnittlichen gesellschaftlichen Schicht an. Fast alle Schülerinnen und Schüler entstammen sehr wohlhabenden und adligen Familien oder sind die Kinder von sehr erfolgreichen Geschäftsleuten. Sie bilden eine vom Mittelstand abgegrenzte Gruppe, in der man sich untereinander unterstützt und kennt. Diese Abgrenzung ist mir vor meinem Internatsbesuch nie sonderlich aufgefallen. Ich dachte, heutzutage gäbe es so eine „Elite“ in derartigem Ausmaß nicht mehr.

Erfahrungen fürs Leben

Ich schätze mich glücklich, ein Stipendium für diese Schule erhalten zu haben. Es gibt viele positive und herausfordernde Momente. Für mich ist es genau das Richtige, denn ich liebe das Internatsleben! Meine Mittschüler:innen und das Lehrpersonal sind herzliche und lustige Menschen, von denen ich viel lernen uns Spaß haben kann. Außerdem ist es eine tolle Erfahrung, mit seinen besten Freundinnen und Freunden zusammenzuleben. Selbstverständlich schätze ich auch die persönliche Unterstützung der Lehrer:innen sowie das großartige Freizeitangebot. Es gibt eine Menge Stipendienprogramme für Internate, Auslandsjahre und andere Möglichkeiten, tolle neue Erfahrungen zu sammeln. Und im Endeffekt gehört auch das Verlassen der eigenen sozialen Komfortzone zu diesen neuen Erfahrungen. Nur so lerne ich neben Geschichte, Mathe und Co auch immer ein bisschen mehr über mich selbst und die Dinge, die mir wirklich wichtig sind.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.