Interview

Milena Tscharntke: „Wenn eine Rolle nicht meinem Frauenbild entspricht, lehne ich sie ab.“

Portrait von Milena Tscharnkte
Milena Tscharntke verkörpert die Rolle der Johanna.

„DRUCK“, „One Night Off“, „Alles Isy“ – das sind nur einige der Titel, in denen die Schauspielerin Milena Tscharntke das Publikum in ihren Bann zieht. Zum Start des neuen Kinofilms „Einfach mal was Schönes“ von Karoline Herfurth spricht die 26-Jährige im Interview über die Dreharbeiten, Familie und die deutsche Film-Industrie.

Friederike Jost, funky-Jugendreporterin

Liebe Milena, wie würdest du den Kinofilm zusammenfassen?
In dem Kinofilm „Einfach mal was Schönes“ ist die Hauptfigur Karla bald 40 Jahre alt und hat einen starken Kinderwunsch, jedoch keinen passenden Partner. Da sie auch beim Dating nur Pech hat, beschließt sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und allein ein Baby zu bekommen. Ihre Familie kann das gar nicht nachvollziehen und reagiert ablehnend auf ihren Plan. Karla merkt mit der Zeit, dass nicht nur jeder und jede einen anderen Lebensentwurf hat, sondern auch mit individuellen Problemen zu kämpfen hat.

Wie würdest du deine Rolle als Johanna beschreiben?
Johanna ist die jüngste der drei Schwestern und damit das Nesthäkchen der Familie. Sie strebt nach Perfektion und ist sehr harmoniebedürftig. Deshalb ist ihr der Frieden der Familie enorm wichtig und sie unternimmt immer wieder Versuche, alle zusammenzubringen. Doch sie ist sehr nah am Wasser gebaut, fängt schnell an zu weinen und kriegt Panik. Dadurch wird sie oft nicht so ernst genommen, wie sie es gerne hätte und steckt dann wiederum in einem Teufelskreis fest: Perfektionismus – Familienchaos – Panik.

Was dachtest du, als du das Drehbuch des Kinofilms zum ersten Mal gelesen hast?
Ich finde, unsere Regisseurin Karoline Herfurth hat eine ganz besondere Art und Weise, tiefgründige Emotionen und schwere Themen darzustellen. Mit einem weinenden Auge auf der einen Seite, einem lachenden Auge auf der anderen Seite. Sie verleiht Situationen Leichtigkeit, ohne dass dabei die Ernsthaftigkeit verloren geht. Das ist definitiv die Stärke von Karoline! Beim Lesen des Drehbuchs hat mich die Geschichte von Karla total berührt und ich fand meine Rolle sofort liebenswert. Ich glaube, es geht vielen so, dass sie etwas Wichtiges sagen wollen, aber dann – weil sie emotional berührt sind – nicht entsprechend ernst genommen werden.

Was sollen die Menschen aus dem Film mitnehmen?
Die Message ist für mich eindeutig: Jede und jeder soll selbstbestimmt leben und den eigenen Lebensentwurf realisieren können, egal, was die Norm ist oder was andere erwarten. Familie und Liebe können alles sein! Ich finde, der Film zeigt richtig schön, dass hinter der Fassade vieler Menschen mehr steckt als das, was man nach außen hin wahrnimmt.

Wie war die Zusammenarbeit mit Karoline Herfurth?
Es war meine erste Zusammenarbeit mit ihr. Darüber habe ich mich sehr gefreut, weil ich mit ihren Filmen „Mädchen Mädchen“ oder „Das Parfüm“ aufgewachsen bin und diese richtig toll finde. „Im Winter ein Jahr“ das ist mein liebster Film mit ihr. Auch beim Casting habe ich mich sofort wohl gefühlt und wusste einfach: Das klappt gut mit uns. Ich habe meine Rolle sofort verstanden und hatte so viele Ideen, sie umzusetzen.

Im Kern des Kinofilms steht die Familie. Welche Rolle spielt Familie in deinem Leben?
Meine Familie ist mir sehr wichtig. Ich habe ein sehr gutes und enges Verhältnis zu meinen Geschwistern und zu meinen Eltern. Sie sind für mich auch ein Rückzugsort.

Wie im Kinofilm hast du auch im echten Leben zwei Schwestern. Wie war es für dich, die Beziehung zwischen Johanna und ihren Schwestern zu inszenieren?
Viele Situationen kenne ich gut, bei uns ist es teilweise wie im Film: Wir Schwestern haben alle ganz unterschiedliche Lebenswege gewählt. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns trotzdem immer unterstützen. Karoline und Nora, die meine Schwestern spielen, kennen sich schon lange und gut und ich kam neu dazu. Aber die Dynamik ist im Film eine ähnliche, da Johanna als Nesthäkchen später in die Familie kommt. Das hat gut gepasst. 

Für die Figur Johanna ist nichts wichtiger als ihre Hochzeit. Dabei ist gerade das ein kontroverses Thema in unserer Generation. Wie stehst du dazu?
Das sollte jede und jeder für sich entscheiden. You do you – das vermittelt ja auch der Film ganz deutlich. Tu, was dich selbst glücklich macht. Eine Beziehung kann mit und ohne Hochzeit schön und wertvoll sein.

Wie empfindest du den gesellschaftlichen und biologischen Druck, den Karla in Bezug auf das Kinderkriegen spürt?
Ich selbst mache mir gar keinen Druck. Wir leben in einem Land, in dem jede und jeder das Privileg hat, selbst über den eigenen Körper zu bestimmen. Ich lasse mir da von niemandem etwas einreden, weiß aber auch, dass das nicht selbstverständlich ist. Gerade wenn man in andere Länder wie die USA oder den Iran guckt, wird einem das immer wieder bewusst.

Für dich bedeutet Feminismus auch, dass du deine Rollen bewusst auswählst. Gab es schon einmal ein Rollenangebot, das du abgelehnt hast?
Ja, das passiert oft. Ich achte darauf, dass die Moral des Films mit meiner eigenen übereinstimmt. Wenn eine Rolle absolut nicht meinem Frauenbild entspricht, dann lehne ich sie auch ab. Aber manchmal spielt man ja auch die Antagonistin und das ist für mich auch okay, solange ich die Message des Films unterstützen kann. 

Würdest du sagen, die deutsche Filmindustrie ist woke?
Wir sind auf dem richtigen Weg, gerade Karoline Herfurth erzählt ein sehr diverses Bild. Natürlich kann man sagen: Mehr geht immer. Aber Formate wie DRUCK sind meiner Meinung nach gute Beispiele, wo starke Frauen-, aber auch Männerfiguren in jeder Hinsicht umgesetzt werden. In unserem Film gibt es auch viele weibliche Hauptrollen. 

Auf Insta, TikTok und Co. sind die „Die wilden Hühner”-Filme wieder im Trend, da hast du als Kind auch mitgespielt. Die Fans, die mit dem Film aufgewachsen sind, möchten einen neuen Teil, der die Charaktere jetzt zeigt. Hättest du auch Lust darauf?
Ich selbst war beim Dreh erst 13 Jahre alt und ein ganz großer Fan der Reihe! Früher habe ich mit meinen Freundinnen oft „Wilde Hühner“ gespielt. Deshalb würde es mich auch interessieren, was die Charaktere jetzt in ihren Zwanzigern machen würden und wie sie sich entwickelt hätten. Und ich wäre natürlich auch gerne wieder dabei!

Was machst du in deiner Freizeit?
Ich versuche, zwischen meinen Schauspiel-Projekten zur Ruhe zu kommen und etwas für meine Seele zu tun. Yoga oder Pilates mache ich gerne und ich verbringe viel Zeit mit meiner Familie und meinen Freundinnen und Freunden. Zum Beispiel esse ich unheimlich gerne oder werkele in meiner Wohnung herum. MeinPrivatleben gibt mir Energie für den nächsten Dreh. 

Im Kinofilm wird deutlich, dass alle Charaktere ein eigenes „Päckchen“ zu tragen haben. Wie sollten wir in unserem Alltag damit umgehen?
Wir sollten ein Bewusstsein dafür schaffen. Gerade auf Instagram und Co. geht man schnell davon aus, dass es bei anderen besser läuft als bei einem selbst. Dabei steckt unter jedem Dach ein Ach. Bevor wir irgendetwas kommentieren, sollten wir uns vor Augen führen: Ich weiß nicht alles über die Person. Bei privaten Dingen wie Schwangerschaft, Familie oder auch dem Körper sollte man besonders sensibel sein. 

Seitdem du ein Kind warst, spielst du in Filmen mit. Was war deine liebste Rolle bisher?
Ich kann mich gar nicht entscheiden. An jeder Rolle und jedem Projekt wächst man und lernt dazu. Außerdem kann ich nicht nur meine Rolle an sich betrachten, sondern habe immer den Eindruck des gesamten Projekts inklusive Crew vor Augen. Bei DRUCK hat es mir besonders gut gefallen, dass wir selbst kreativ werden konnten und die Texte teilweise mitschreiben durften. 

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.