Meinung

Nicht jede*r ist depressiv, nicht alles ist toxisch!

Psychologische Begriffe auf einem Tisch
Ob es nun ungesunde Partnerschaften, krankhafter Egoismus oder das gezielte Verunsichern des Gegenübers sind: Fachbegriffe aus der Psychologie werden zunehmend auch in Alltagssituationen verwendet.

Toxische Beziehungen, Narzissmus, Gaslighting. Diese und andere Begriffe halten aktuell vermehrt Einzug in den gewöhnlichen Sprachgebrach junger Menschen, die sich in den sozialen Medien herumtreiben und als Hobbypsychologen betätigen. Ob es nun ungesunde Partnerschaften, krankhafter Egoismus oder das gezielte Verunsichern des Gegenübers sind: Fachbegriffe aus der Psychologie werden zunehmend auch in Alltagssituationen verwendet. Und genau das ist das Problem.

Ylva Immelmann, funky-Jugendreporterin

Denn psychische Krankheiten und ein ungesundes Beziehungsverhalten sind viel mehr als normale Emotionen oder Streitigkeiten. Doch Gegenteiliges lassen zurzeit viele Videos und Kommentarspalten auf Instagram, TikTok und Co. vermuten: Wer dort Gewohnheiten, Gefühle oder die eigene Beziehung zeigt, bekommt unter dem Beitrag häufig die geballte Diagnosewut des Internets zu spüren. Und dabei wirken die Analysen und Feststellungen meist eher wie ein Vorwurf als ein gut gemeinter Hinweis.

Das Problem dabei ist jedoch nicht die Alltäglichkeit der Begriffe. Vielmehr ist es ihre falsche Verwendung. Dass es Depressionen und toxische Verhaltensweisen häufiger gibt, als viele Menschen denken, bedeutet keineswegs, dass es sie buchstäblich überall gibt – und man sie überall hineininterpretieren sollte. Wenn psychische Erkrankungen und ungesunde Verhaltensweisen mit normalen Emotionen und Streitigkeiten gleichgesetzt werden, dann werden tatsächlich Betroffene immer weniger ernstgenommen. Für niemanden sind extreme Gefühlsschwankungen und Streits angenehm, doch es gibt einen großen Unterschied zwischen gesunden (negativen) Emotionen und psychischen Krankheiten!

Um den Stigmata um psychische Erkrankungen entgegenzutreten, braucht es die breite Aufmerksamkeit und eine aufrichtige und informierte Sensibilisierung für das Thema. Dazu gehört keinesfalls, dass Begriffe inflationär verwendet werden, ohne dabei über ihre wahre Bedeutung im Klaren zu sein. Dass das freimütige Diagnostizieren von ernstzunehmenden Krankheiten zum Trend geworden ist, führt dazu, dass eines vergessen wird: Psychische Erkrankungen und toxisches Verhalten sind kein Trend. Sie so zu behandeln, verschlimmert lediglich das Stigma, mit dem Betroffene ohnehin zu kämpfen haben. Und helfen tut es so oder so niemandem.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.