Interview

Haiyti: „Ich sehe mich als König der Herzen“

Rapperin Haiyti mit einer Pfeife in der Hand
„Natürlich gilt man als Frau im Rap als Exotin, was mich aber immer genervt hat."

Als sie ihre ersten Erfolge feierte, war sie eine echte Rarität in der deutschen Rapszene: Ronja Zschoche, besser bekannt als Haiyti, ist eine von wenigen Frauen, die sich in dem männerdominierten Genre behaupten konnten. Mit schriller Stimme und jeder Menge Autotune eroberte die Hamburger „Trapperin“ sowohl die Herzen ihrer Fans als auch die Bühnen der Konzerthallen im Sturm. Im Interview verrät die 29-Jährige, was sie über ihr Image als „Gangster-Pop-Trap-Queen“ denkt und wieso sie eigentlich kaum Musik macht.

Lukas Breit, funky-Jugendreporterin

Was hat dich am meisten geprägt – dein Elternhaus, dein Freundeskreis oder deine Heimatstadt Hamburg?
An erster Stelle der Freundeskreis, dann Hamburg und zuletzt mein Elternhaus.

Inwiefern hat dich Hamburg geprägt?
Das ist einfach ein Gefühl, das, glaube ich, nur Hamburger auf diese Weise kennen. Wenn man zum Beispiel mit ein paar Freunden am Bahnhof Königstraße aussteigt und besoffen zur Elbe runterläuft, auf dem Weg zum Hafenklang. Das sind Sachen, die einfach unbeschreiblich sind. Das sind Hamburger Momente. Hamburg war eine gute Stadt, um dort aufzuwachsen. Wenn ich mir im Vergleich dazu Berlin anschaue, glaube ich, dass dort längst nicht alles so herzlich ist. Berlin ist viel zu kalt, Hamburg hat genau die richtige Größe. Es hat den Großstadt-Flavour, aber trotzdem etwas Gemütliches. Das kann nur Hamburg. Alles andere in Deutschland ist schon wieder zu sehr Kaff.

Du hast dich trotzdem dafür entschieden, nach Berlin zu ziehen. Was waren deine Beweggründe?
Entschieden habe ich das eigentlich nicht. Wenn ich ganz ehrlich bin, war es ein Trick meines damaligen Vermieters. Der meinte, ich müsste die Wohnung erst kündigen, damit ich mich als Hauptmieterin eintragen lassen kann. Ich habe dann gekündigt und ich musste schlussendlich aus der Wohnung ausziehen. Während meiner Tour bin ich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Wedding gezogen, wo ich aktuell immer noch wohne.

Würdest du sagen, dass du es als Frau zu Beginn deiner Karriere schwerer in der Deutschrap-Szene hattest, als es Rapperinnen heutzutage haben?
Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht. Ich wusste immer, es gibt nur wenige Frauen, hatte aber andere Beweggründe, zu rappen. Natürlich gilt man als Frau im Rap als Exotin, was mich aber immer genervt hat. Wenn man jetzt meinen Lamborghini-Song von damals hört, sieht man: Ich war damals schon allen voraus.

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Was überwiegt in deinem Leben: Depressionen und Herzschmerz oder Party und Glückshormone?
Depressionen und Herzschmerz.

Bei dir sind häufig selbst Songs mit nachdenklichem Inhalt soundtechnisch sehr explosiv. Ist die Verbindung von Gegensätzlichem dein Geheimrezept?
Man lernt schon im dritten Semester des Kunststudiums, dass die Kunst der Gegensätze etwas für Loser ist, die es sich sehr einfach machen wollen. Ich bin als Trap-Star geboren und brauche kein Geheimrezept. Wenn man verletzlich wirkt bei harten Texten, dann ist das etwas Persönliches.

Du bist bekannt für deinen experimentellen, variablen Stimmeinsatz. Wie ist das entstanden? Warst du von Anfang an so selbstbewusst oder hat sich das mit der Zeit entwickelt?
Ich habe mich das am Anfang noch nicht so getraut, weil es damals im Deutsch-Rap noch nicht üblich war. Außerdem hatte ich noch kein Autotune. Wenn man sich meine „Jango“-EP anhört, merkt man aber, dass es damals schon in diese Richtung ging. Ich mache es heute einfach mehr. Es kommt immer darauf an, mit welchen Produzenten ich im Studio bin. Manche mischen sich gar nicht ein, andere sagen dir, wie sie es machen würden. Es ist ja immer eine Zusammenarbeit, wenn man im Studio Musik macht. Bei meinem neusten Album „Speed Date“ hatte ich meistens nur einen Engineer und gar keine Produzenten mit im Raum.

Wie wichtig ist dir dein Image der ignoranten, experimentierfreudigen Gangster-Pop-Trap-Queen?
Für mich ist mein Image ganz klar, aber die Außenwelt kann mich überhaupt nicht verstehen. Trap-Queen wurde ich mal genannt, aber ich habe mich selbst nie so bezeichnet. Ich sehe mich als König der Herzen, nicht umsonst habe ich 2018 bei der Echo-Verleihung den Kritikerpreis gewonnen!

Hat sich dein Freundeskreis verändert, seitdem du bekannt geworden bist?
Nein, ich habe immer noch meine Freunde aus St. Pauli. Ein paar bleiben, ein paar gehen. Früher hatte man auch Party-Freunde, die man nicht privat getroffen hat, sondern eben immer nur auf irgendwelchen Partys. Das ist auch heute noch so.

Woher nimmst du momentan deine Inspiration? Mit drei Alben in zwölf Monaten warst du ja äußerst produktiv.
Das frage ich mich ehrlich gesagt auch. Ich gehe ins Studio, singe irgendetwas ins Mikrofon und meistens wird es anschließend ein Song. Man ist erst Profi, wenn man die Basics beherrscht: einen Song zu schreiben und Melodien zu führen. Da ich das kann, muss ich nicht die ganze Zeit im Studio sein, sondern kann manchmal einfach irgendwas ins Mikro labern und der Rest fügt sich.

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Gibt es Tage in deinem Leben, an denen du nicht an Musik denkst?
Eigentlich an jedem Tag. Ich mache ja nie Musik, das ist ja das Komische. Man muss ganz einfach rechnen: Auf meinem neuen Album „Speed Date“ sind 25 Songs, das macht insgesamt weniger als 20 Studiotage innerhalb eines Jahres.

Wer hat dich während des Albumprozesses musikalisch beeinflusst?
Dr. Sterben höre ich privat und gerade habe ich Kanye Wests Album „Donda“ durchgehört. Wenn ich ehrlich bin, höre ich eigentlich sehr selten Musik. Wenn ich bei Dr. Sterben zuhause bin, gibt es immer so ein kleines Musikseminar und er zeigt mir den neuesten Scheiß aus Detroit.

Nun kommen wir zu deinem Album, das im Dezember 2021 erschienen ist. Was verbirgt sich hinter dem Albumtitel „Speed Date“?
Das ist ein Titel, der das Album zusammenhält. Es geht um Geschwindigkeit, Drogendeals und Seelenverwandtschaft.

Was ist dein Lieblingssong und deine Lieblingszeile des Albums?
Mein Lieblingssong des Albums ist „Goldschmuck“. Meine Lieblingszeile ist aus dem Song „Milligramm“: „Aston Martin mit der Minigun, sechs Verfahren wegen Milligramm. Noch mehr Hits, werden nicht weniger, das Gеld fliegt mir weg, doch ab jetzt еh egal.“

Die Featuregäste auf „Speed Date“ kann man überwiegend zu deinem erweiterten Freundeskreis zählen. Muss bei dir bei einer musikalischen Zusammenarbeit das Zwischenmenschliche passen?
Ich passe schon auf, dass ich die Leute auch persönlich mag. Ich habe dieses Mal eher mit Gleichgesinnten gearbeitet.

Der Song „Wunder“ behandelt den Tod eines Freundes von dir. Wie schwer fiel dir die Aufnahme des Songs? Konntest du den Verlust dadurch besser verarbeiten?
Ich wollte einfach irgendetwas machen. Das ist eine Botschaft an ihn, vielleicht hört er sie ja.

Inwiefern unterscheidet sich deine Herangehensweise bei der Produktion ignoranter Songs wie „Milligramm“ von nachdenklichen, depressiven Songs wie „Wunder“?
Das eine ist Battle-Rap, das andere sind einfach Gefühle. Wenn ich ausgeschlafen habe und es mir gut geht, mache ich lieber Battle-Rap. Wenn ich völlig fertig bin, geht es eher in die nachdenklichere Richtung.

25 Songs sind eine ganze Menge für ein Album. Was ist dein Rezept, damit sich nicht die Hälfte der Songs gleich anhören?
Mal trinke ich Sekt und manchmal Champagner.


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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.