Interview

Junge Menschen in der Katholischen Kirche: „Ich sage auch nicht immer Ja und Amen!“

Katholisches Kreuz der Kirche
Vielen jungen Menschen erscheint die Kirche zu altmodisch und konservativ

Der Ruf der Katholischen Kirche ist denkbar schlecht – warum Annabelle (25) und Philipp (24) trotzdem für die Kirche aktiv sind.

Felix Fromm, funky-Jugendreporter

Die aktuellen Schlagzeilen über die Katholische Kirche in Deutschland sind alles andere als positiv: Im Missbrauchsgutachten aus dem Erzbistum München verstrickt sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. in Widersprüchen, durch die Initiative „Out in Church“ erzählen 125 queere Mitarbeiter*innen, wie schlecht mit ihnen im kirchlichen Arbeitsumfeld umgegangen wird, und die Zahl der Kirchenaustritte steigt auf einen historischen Höchststand. Gerade jungen Menschen erscheint die Kirche zu altmodisch, zu konservativ, zu intolerant. Annabelle Schröder (25) und Philipp Pascucci (24) engagieren sich trotzdem: Annabelle für den Pfarrgemeinderat, als Oberministrantin und im Jugendausschuss der Seelsorgeeinheit, Philipp als Jugendgruppenleiter bei der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG). Seit ihrer Jugend bleiben beide ihrem Engagement treu – wenngleich sie nicht ganz unkritisch damit umgehen. Im Gespräch verraten sie ihre Beweggründe, weiterhin für die Kirche aktiv zu sein und was sich ihrer Meinung nach ändern muss, um die Institution wieder attraktiver für junge Menschen zu gestalten.

Annabelle Schröder (25) ist Oberministrantin

Warum engagiert ihr euch (noch) für die Katholische Kirche?

Annabelle: Ich engagiere mich in erster Linie für die Gemeinde und für das Gemeindeleben, damit es funktioniert und es diese Gemeinschaft und diesen Zusammenhalt gibt. Den Gedanken der Unterstützung der Gemeinschaft als solche finde ich schön und er ist es, der mich immer noch dabei hält.

Philipp: Ich engagiere mich, weil mir die Arbeit mit den Kindern Spaß macht und mir die Gemeinschaft in unserer Gruppe mit den anderen Leiterinnen und Leitern viel bedeutet. Engagement heißt für mich, dass ich den Spaß, den ich als Kind hatte, anderen Kindern weitergeben kann und ich einen Raum mitgestalte, in dem sich Kinder entfalten können. Und es hilft mir auch dabei, von meinem Alltag abzuschalten.

wenn ich erzähle, dass ich mit Kindern in der Katholischen Kirche arbeite, werden schnell Vorurteile laut.

Philipp Pasucci (24) leitet eine Katholische Jungen Gemeinde

Musstet ihr euch schon mal für euer Engagement rechtfertigen?

Philipp: Ich hingegen muss mich schon rechtfertigen, und zwar immer dann, wenn man die Katholische Junge Gemeinde, für die ich mich engagiere, eng mit der Kirche verknüpft. Dann erkläre ich immer, dass wir sehr unabhängig von der eigentlichen Institution Kirche agieren können. Aber wenn ich erzähle, dass ich mit Kindern in der Katholischen Kirche arbeite, werden schnell Vorurteile laut.


Annabelle: Nicht direkt, mein Engagement wird nicht kritisch gesehen, sondern eher mein Theologie-Studium. Aber das hängt auch immer vom Umfeld und den Gesprächen ab, die man führt. Im Studium zum Beispiel sind wir eine kleine Gruppe, ähnlich einer Schulklasse, das finde ich sehr schön. Viele Leute dort haben eine ähnliche Meinung wie ich und streben auch Veränderungen an. Wenn man sich mit ihnen unterhält, merkt man auch, dass sie keine Vorurteile oder Kritik gegenüber meinem Engagement für die Kirche haben, für das man sich rechtfertigen müsste.

Es muss alles wieder zusammen harmonieren, damit dieser „Körper“ Kirche funktionieren kann.

Wie stark identifiziert ihr euch noch mit der Institution Kirche?

Annabelle: Ich nehme für meinen Wunsch, später als Religionslehrerin in der Schule zu arbeiten, viel in Kauf. Und ich habe mich dafür entschieden, für die Kirche zu arbeiten, weil hier viel im Umbruch ist: Arbeitsgruppen haben beispielsweise einen Brief an den Erzbischof geschickt, meine Studienvertretung umfasst auch die Arbeitsgruppe „Missio“  – es ist viel im Umbruch und es ist interessant und spannend, ein Teil davon zu sein. Die Kirche kann man im Prinzip mit einem menschlichen Körper vergleichen, die verschiedenen Gemeinden sind die einzelnen Glieder. Damit dieser Körper funktionieren kann, muss alles im Gleichtakt laufen. Und jetzt gerade stellen sich die Glieder quer – das, was sozusagen der innere Teil vom Körper macht, möchten die Glieder nicht mehr und wehren sich dagegen. Es muss alles wieder zusammen harmonieren, damit dieser „Körper“ Kirche funktionieren kann. Und dazu braucht es eben die Veränderung. Auch ich sage nicht immer „Ja und Amen“ zu allem!

Philipp: Es ist schwierig für mich. Ich identifiziere mich in dem Sinne, weil ich mit der Gruppe aufgewachsen bin und sie seit der Erstkommunion ein großer Bestanteil meiner Freizeitgestaltung war, schon bevor ich mich mit den derzeitigen Themen in der Kirche wirklich auseinandergesetzt habe. Ich hatte immer mit der Kirche zu tun und bin auch religiös erzogen worden. Aber ich denke auch bewusst über einen Kirchenaustritt nach. Ich könnte mich in der Gruppe auch dann noch engagieren, wenn ich kein Mitglied mehr wäre. Wir haben auch evangelische oder nicht getaufte Kinder in unserer Gruppe, das ist kein Problem.

Was machen die negativen Schlagzeilen über die Kirche mit eurem persönlichen Glauben?

Annabelle: An meinem Glauben ändert das nichts, weil ich zwischen meinem persönlichen Glauben und der Institution Kirche trenne.

Philipp: Glauben und Kirche trenne ich ebenfalls. Aber bei jeder neuen Nachricht frage ich mich schon, ob ich noch mit meinem Engagement und damit mit der Katholischen Kirche assoziiert werden möchte. Generell zweifele ich immer mehr an meinem eigenen Glauben an Gott, auch unabhängig von den Nachrichten über die Katholische Kirche.

Gott hat uns alle so geschaffen, wie wir sind.

Was muss sich eurer Meinung nach verändern, damit die Kirche wieder attraktiver für junge Leute wird?

Annabelle: Ganz klar die Gleichstellung von Mann und Frau, dass auch Frauen das Priesteramt übernehmen können. Dann natürlich die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle für die Betroffenen, weil es für sie wie ein Schlag ins Gesicht ist, wenn die Vorfälle weiterhin vertuscht oder heruntergespielt werden. Da muss man klar dazu stehen, dass schwere Fehler passiert sind. Und dann sollte es auch viel mehr Präventionsmaßnahmen geben, damit so etwas nicht wieder passiert. Und definitiv gehört in die Veränderung auch die Akzeptanz von queeren Menschen – Gott hat uns alle so geschaffen, wie wir sind.

Philipp: Die Kirche muss sich komplett intern verändern, sehr viele Regeln abschaffen, offener und toleranter werden. Von Jahr zu Jahr habe ich weniger Lust und Zeit, mich neben meinem Engagement wirklich mit der Kirche und ihren Problemen zu beschäftigen. Erst wenn es wirklich Veränderungen gibt, dann könnte es auch für mich persönlich wieder interessanter werden, mich mehr mit der Kirche als Institution auseinanderzusetzen.

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