Meinung

Warum Thomas Gottschalk mit „Wetten, dass…?“ die deutsche Fernsehlandschaft bereichert

Thomas Gottschalk auf der Bühne von Wetten, dass...
Blonde Locken, buntes Outfit und breites Grinsen: Thomas Gottschalk ist DAS Gesicht von "Wetten,dass...?"

Die Fortsetzung des Fernsehshow-Klassikers „Wetten,dass..?“ mit dem Kult-Moderator Thomas Gottschalk führte zu reichlich Disskusionen. Ein Kommentar.

Gustav König, funky-Jugendreporter

Es war einer dieser Momente, die man nur schön finden kann. Der Moment, wenn die Eurovisions-Hymne erklingt, Thomas Gottschalk den Studio-Tunnel verlässt, das Publikum von den Sitzen springt und minutenlang applaudiert, während Gottschalk nur grinsend nickt. Über 14 Millionen Menschen sahen am 6. November 2021 die offiziell letzte Sendung von „Wetten, dass…?“ – über 50 Prozent Marktanteil bei den 14-bis 49-Jährigen, Einschaltquoten, auf die jeder Fernsehsender höchstes mal während einer Fußball-WM hoffen kann. Kein Wunder also, dass ZDF-Unterhaltungschef Oliver Heidemann nach diesem Erfolg der Revival-Show vor Stolz platzte: „Die Resonanz des TV-Publikums war überwältigend. Gemeinsam mit Thomas Gottschalk haben wir uns dazu entschlossen, die Geschichte von „Wetten, dass…?“ weiterzuschreiben.“

Es geht also weiter. Geplant ist jeweils eine Show in den nächsten beiden Jahren, natürlich mit dem goldgelockten Urgestein des deutschen Unterhaltungsfernsehens. Diese gute Nachricht stieß allerdings nicht bei allen auf dieselbe Begeisterung wie bei ZDF-Chef Heidemann, wie etliche Diskussionen im Feuilleton und im Netz zeigten. Vor allem unter jungen Leuten, für die „Wetten, dass…?“ keinen nostalgischen Erinnerungswert besitzt, war wenig Verständnis für diese Idee da. Kernpunkt der Kritik: Die nun zum wiederholten Male bewiesene Mutlosigkeit im Präsentieren „neuer“ Gesichter beim ZDF.

Opfer der verbalen Attacken war allerdings nicht die Sendung an sich, sondern Thomas Gottschalk selbst, für die junge Generation ein Symbolbild des „alten, weißen Mannes“. Aber warum eigentlich? Er war es doch, der einst die größten Stars der Welt in seine Show lockte: Pamela Anderson, Bud Spencer, Terence Hill, Siegfried&Roy, Paris Hilton, Falco, Michael Douglas, Bill Gates, ja sogar Michael Jackson und Bundespräsidenten nahmen gern zur besten deutschen Sendezeit auf seiner Couch Platz. Die Wetten wurden dabei häufig zur Nebensache.

Doch dann begann das Image der Showlegende plötzlich zu bröckeln: In der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ behauptete Gottschalk vor gut einem Jahr, auf einer Kostümparty in Jimi-Hendrix-Verkleidung, das erste Mal so richtig erfahren zu haben, „… wie sich ein Schwarzer fühlt“. Was folgte, war nicht überraschend: Shit-Storm, Bild-Zeitung, schwierige Talk-Show-Auftritte.

Gottschalks Megaerfolg ist mit Sicherheit auch auf seine schnellen Sprüche und seine Spontanität zurückzuführen: je cooler und frecher, desto besser. Er konnte in den 80er- und 90er-Jahren so gut wie alles sagen, ohne darüber nachdenken zu müssen, ob es irgendjemanden düpieren könnte. Das ist heute anders. Geschmacklose Sprüche wie die aus der WDR-Sendung sind völlig daneben. Doch das waren sie auch schon in den 80ern. Auch der Gender-Witz, den Gottschalk im letzten Jahr auf der „Wetten, dass…?“-Couch zum Besten gab, war unnötig, unlustig und ist völlig unangebracht. Natürlich gibt es da berechtigte Kritikpunkte, allerdings braucht niemand eine aus dem Ruder laufende Twitter-Schlacht und einen von Gottschalk-Hatern entfesselten Shitstorm. Wer nur gut oder schlecht kennt und keine Differenzierung vornimmt, der verkennt eines: Thomas Gottschalk bleibt – auch aufgrund neuer Alternativen – der wohl größte deutsche Entertainer.

Dass diese Leistung Respekt verdient, steht außer Frage. Wer sonst kann eine Messehalle allein durch sein Auftreten für mehrere Minuten in Ekstase versetzen? Wer schafft es, einen Landwirt aus dem Emsland mit seiner obligatorischen „Bagger-Wette“ im gleichen Licht erscheinen zu lassen wie Pop-Göttin Madonna? Wer vermag es, salopp, spontan und lässig zu sein und dabei mehrere Millionen Menschen zu unterhalten?

Ich persönlich freue mich jedenfalls auf Gottschalks Comeback. Ich freue mich auf diese Boosterimpfung gegen die Langeweile, zumindest an einem Fernseh-Samstag im Jahr, ich freue mich auf ein paar Florian-Silbereisen-freie Sendestunden im ZDF, und ja, ich freue mich auf Gottschalk im Pailletten-Anzug! Wollt ihr ernsthaft lieber ein neues Gesicht bei der erfolgreichsten TV-Show aller Zeiten? Wer soll es denn machen? Die umtriebige Barbara Schöneberger, der routinierte Jörg Pilawa, Kai Pflaume oder doch wieder Markus Lanz?

Ein Geniestreich des ZDF wäre es zweifellos, eine*n junge*n, freche*n, unbekannte*n Entertainer*in zu präsentieren, ein wirklich „neues Gesicht“ im alten ZDF. Wetten, dass das nicht passieren wird?

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