YOU ARE SUCH A LEO! – Woher kommt der Astrologie-Trend?

neun Monde von weiß nach rose schweben vor einem Sternenhimmel
Was sagen unsere Sternzeichen eigentlich wirklich über uns aus?

Wann immer ich mich in auch nur ansatzweise internetaffine Kreise meiner Generation begebe, werde ich spätestens nach dem zweiten Bier nach meinem Sternzeichen gefragt. Beantworte ich die Frage, so stiehlt sich ein wissendes Lächeln auf die zuvor neugierigen Gesichter. Oft folgt ein: Ja, das war so klar. Aber was ist denn da eigentlich so klar?

Zora Günther, funky-Jugendreporterin

Manchmal fühlt es sich so an, als ob die Gemeinden TikToks und Instagram mehr über mich und meinen Charakter zu wissen scheinen, als ich jemals wissen werde. Ich gebe zu: Da regt sich in mir ein kleiner Zweifel. Also begebe ich mich auf Recherche, um herauszufinden, was hinter der Fassade der Sternzeichenlehre lauert.

Geschichte und heutiges Aufgreifen

Die Astrologie-Lehre kommt ursprünglich aus Babylon und wurde später von den Griechen und Römern weiterentwickelt und erforscht. Wiederentdeckt wurde sie dann in den 1960er-Jahren vor allem von queeren Kreisen. Im Zuge einer Frauen- und Gays-Befreiungsbewegung und einer gleichzeitig aufkommenden „New Age“-Spiritualität entstand eine Gegenkultur zu Patriarchat und Christentum. Viele, unter anderem queere Millennials, erfahren in dieser Gegenkultur und der Spiritualität nun eine Form des Empowerments, die ihnen hilft, mit Alltag und Erlebtem umzugehen. Wie schon Hengameh Yaghoobifarah im „Missy Magazine“ schrieb: „Queere Spiritualität aber, die sich weder an ideologisch-menschenfeindliche Auslegungen von Religion noch in antispirituellen Kontexten anpasst, ist (fast) immer ein radikaler Akt.“

Klar, Astrologie im Sinne der Sternzeichenlehre ist nicht wirklich wissenschaftlich belegbar. Aber beim queeren Ansatz geht es ja mehr darum eine Alternativkultur zu Christentum und Heteropatriachart zu entwickeln. Solange man sein blödes Verhalten also nicht durch das Sternzeichen legitimiert ist dieser Trend damit ziemlich harmlos. Ebenso klar ist, es gibt unterschiedliche Ansätze, wie Astrologie gemacht und verstanden wird. Zum einen gibt es die queere Szene, welche Astrologie quasi Hand in Hand mit Witchcraft (Hexen und Zauberkraft) als ihr Eigen erklärt und als empowernd wahrnimmt. Und dann gibt es noch die Mehrheitsgesellschaft, die alles aufgreift, was minimal trendet und es zu Kassenschlager-Produkten verarbeitet. Die kristallschwingenden, ästhetikkopierenden TikTok-Influencer, die sich im Zuge einer Trendbewegung diese Spiritualität aneignen, sind eben ein typisches Nebenprodukt der kapitalistischen Vermarktung alternativer Trends. Und daher ist auch okay, den ein oder anderen Witz darüber zu machen.

Nun zu mir – denn ich bin sehr wichtig

Im Selbstversuch habe ich also geschaut, was die Mainstreammedien so über mich zu sagen haben.

Und ich muss zugeben, die Antworten waren ernüchternd. Die Beschreibung der Eigenschaften meines Sternzeichens gleichen quasi einer Narzissmusdiagnose. Vor allem zwei Eigenschaften habe ich: Ich bin selbstverliebt und kritikunfähig. So finde ich in der „Brigitte“ die Beschreibung: „Menschen, die derart ins Scheinwerferlicht streben, tun das vor allem, um etwas zu kompensieren.“ Ich bin also, laut Internet, aufmerksamkeitsgeil – und dazu noch ziemlich gut im Einpacken von Geschenken. Wie diese zwei Aussagen sich bedingen, verstehe ich noch nicht ganz. Bis jetzt habe ich noch keine Bewunderung oder Ruhm für sorgsam eingepackte Geschenke einheimsen können. Aber gut. Vielleicht hänge ich mit den falschen Leuten ab. Es wird jedoch noch brisanter: Denn mein Sternzeichen hat scheinbar auch etwas mit der Wahrscheinlichkeit zutun, einen Bandscheibenvorfall zu bekommen. „Auf Rückschläge reagieren (…) [sie] tatsächlich sehr häufig mit Bandscheibenvorfall oder anderen ernsten Beschwerden an der Wirbelsäule.“ Aha. Zuletzt lese ich auf astroweoche.wunderweib.de, dass ich einen Hang zu Luxuskäufen habe. Frustriert fällt da mein Blick auf die Ziegenmilchkäserolle auf meinem Esstisch. Nun gut, ich gebe zu, da habt ihr mich wohl erwischt.

Eines wird mir jedoch immer schmerzlicher bewusst. Menschen, die in abendlichen Gesprächen ein „Das war so klar“ auf meine Sternzeichenantwort erwidern, können mich offensichtlich nicht leiden. Doch nun wappnet mich mein neu gewonnenes Wissen. So werde ich den schelmisch grinsenden Sternzeichenkennern das nächste Mal erbost erwidern: „Ach was! Du denkst wohl, ich kenn mich nicht aus? Aber ich weiß, dass du mich für einen gut einpackenden, kritikunfähigen Narzissten mit Hang zu Luxuskäufen und Bandscheibvorfällen hältst!“

Und dann werde ich den Tisch vorm Spätkauf umschmeißen, wobei der von mir sonderlich schön eingepackte Moet auf dem Boden zerschellt, um leicht humpelnd das Szenario zu verlassen (wegen Bandscheibe, du weißt schon).

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.