Meinung

„Warum willst du nichts trinken?“ – Das Problem mit dem Alkohol

Frau sitzt missmutig an der Bar vor einem Glas gefüllt mit Alkohol
Nicht jede*r möchte Alkohol trinken.

„Zu Vino sag ich nie no“, „Wo früher meine Leber war, ist heute eine Minibar“, „Was du heute kannst entkorken, das verschiebe nicht auf morgen“: Alkohol ist nach wie vor die beliebteste und die am häufigsten konsumierte Droge in Deutschland.

Sarah Melziarek, funky-Jugendreporterin

Pro Kopf werden hier im Jahr durchschnittlich rund 130 Liter alkoholische Getränke getrunken, was in etwa dem Inhalt einer gut gefüllten Badewanne entspricht. Doch woher kommt diese kompromisslose Akzeptanz der Volksdroge Nummer eins, die fast schon in einem Zwang für alle mündet, die bewusst auf Alkohol verzichten wollen?

Früher galt Alkohol als Geschenk der Götter, in der Bibel verwandelte Jesus Wasser in Wein. Innerhalb jahrtausendalter Tradition wurde Alkohol als Genuss-, Rausch- und Nahrungsmittel konsumiert und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem weltweiten Kulturgut. In Bayern gilt Bier sogar als Grundnahrungsmittel und ist auch als „flüssiges Brot“ bekannt.

Die gesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol kann schnell verharmlosend wirken und zur Normalisierung regelmäßigen Trinkens beitragen. Aber der Schein trügt: Im Rahmen einer Studie vom britischen Zentrum für Kriminalitäts- und Justizstudien belegt Alkohol als gefährlichste Substanz den ersten Platz unter allen Drogen, noch vor Heroin und Crack. Dabei wurden körperliche Schäden und die Auswirkungen auf die Gesellschaft mit einbezogen. Als kleiner Vergleich: Die illegale Droge Marihuana liegt viele Plätze hinter Alkohol, genießt aber gerade in konservativeren Kreisen einen viel schlechteren Ruf. Vielleicht ist es an der Zeit, die unverhältnismäßige Kriminalisierung von illegalen Drogen im Vergleich zu Alkohol zu überdenken.

Und obwohl Alkohol den ersten Platz unter den gefährlichsten Drogen belegt, bleiben nett gemeinte aber absolut nervige Überredungsversuche, doch etwas zu trinken, so gut wie nie aus. Wer nichts trinkt, wird kritisch beäugt und gerne als Langweiler*in abgetan. Ständiges Nachfragen kann aber leider unerwartet taktlos werden. Nicht immer sind die Gründe, keinen Alkohol zu trinken, so unbedarft wie der/die Fragensteller*in im ersten Moment vielleicht vermutet. „Ich bin seit 5 Jahren trocken“, „Mein Vater war Alkoholiker“ oder „Ich bin im 3. Monat schwanger“ sind die Art persönlicher Antworten, zu denen man sein Gegenüber nicht drängen sollte.

Auch religiöse Gründe können hinter einem Alkohlverzicht stehen oder einfach der Wunsch, keine 10.000 Gehirnzellen zu verlieren. Und selbst wenn man keine „gute“ Ausrede parat hat, sollte die Wahl des Getränks einfach hingenommen werden. Viel wichtiger ist doch, in welcher Gesellschaft man den Abend verbringt, und nicht, ob es sich beim Inhalt der Flasche um Wein oder Wasser handelt.

Es gibt genügende und gute Gründe, auf Alkohol zu verzichten, und kaum eine*r würde (glücklicherweise) nervige Fragen über den Nichtkonsum von Koks oder LSD stellen, obwohl diese Drogen dem internationalen Vergleich nach harmloser als Alkohol sind. Wer was oder wie viel in einem gesunden Maß trinkt, sollte schließlich jeder/jedem selbst überlassen werden.


Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.