Selbst wer nicht politisch interessiert ist, wird in den letzten Wochen bemerkt haben: Es stehen mal wieder Bundestagswahlen an. Nahezu überall in Deutschland versuchen Plakate, Litfaßsäulen und Reklamewände die Menschen mit nachdenklichen Botschaften oder eingängigen Slogans von der jeweiligen Partei zu überzeugen. Natürlich zeigen sich die Kandidat*innen dabei auch immer in besonders ansprechenden Posen. Damit wir unser Kreuz an der richtigen Stelle setzen, schenken sie uns ein sympathisches Lächeln oder durchdringen uns mit tiefgründigen Blicken. Anlässlich des Superwahljahrs lohnt es sich, die Wahlkampagnen mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Von Knut Löbe, funky-Jugendreporter
Ein Wahlplakat zu gestalten stelle ich mir schwierig vor. Eine begrenzte Fläche für meine Botschaft und Passant*innen, die meinem Wahlslogan im Vorbeigehen nur Millisekunden an Aufmerksamkeit schenken. Dann erwartet mich an jeder Straßenecke auch noch die Konkurrenz, die das gleiche Ziel verfolgt: Gewählt werden! Um die Aufgabe noch schwieriger zu gestalten, muss ich immer wieder aufs Neue kreativ werden, schließlich finden die Wahlen alle vier Jahre statt. Da kommt es der Politik sehr gelegen, dass wir Plakatbetrachter*innen bei der Flut an Bildern und Informationen doch alle recht vergesslich sind. Wer weiß schon noch, ob dieselbe Versprechung nicht bereits vor vier Jahren gemacht wurde? Ich bin kein Psychologe, aber wage es, die steile These aufzustellen, dass ein Wahlplakat vor allem unser Unterbewusstsein ansprechen soll und mit den einfachsten Mitteln funktionieren muss. Wahlspruch, Parteifarbe, Parteilogo – so schwer dürfte das doch eigentlich nicht sein.
SPD
Olaf Scholz von der SPD hat voller Tatendrang scheinbar Lust auf das Kanzleramt. Bei den Sozialdemokraten geht man dieses Jahr in Sachen Plakatgestaltung mit Porträtfoto auf Nummer Sicher, hat den Kanzlerkandidaten aber ab und zu den auch den Umschlag zur Briefwahl in die Kamera halten lassen. Abwechslung muss schließlich sein. Der Wahlslogan „Scholz packt das an“ wird kurz und knackig wie ein Mantra wiederholt. Faire Mieten? Scholz packt das an. Klimawandel? Scholz packt das an. 12€-Mindestlohn? Scholz packt das … wir sollen überzeugt werden, dass wir es hier mit einem Macher zu tun haben. Lange fackeln? Das ist nichts für Olaf!
FDP
Den Spitzenplatz in der Kategorie „Verträumt und Nachdenklich“ belegt dieses Jahr wenig überraschend wieder Christian Lindner. Mit Dreitagebart lässt er seine Blicke mal über die rechte, dann wieder über die linke Schulter schweifen, den Horizont hat er dabei im Fokus. Darunter pinke Schriftzüge auf gelber FDP-Farbe: „Nie gab es mehr zu tun“. Wer es noch poetischer und tiefgründiger mag, liest: „Aus Liebe zur Freiheit“. Für einen Moment könnte man meinen, auf dem Parship-Profil von Christian Lindner gelandet zu sein, wo der Bundesvorsitzende der FDP den einfühlsamen Herzensbrecher mimt – die Zielgruppe von wohlhabenden Akademiker*innen überschneiden sich zumindest schon mal.
Die Linke
Dieses Jahr verzichtet die Linke vollständig auf die Gesichter ihrer Politiker*innen. Stattdessen hat man auf jedes der Wahlplakate das Signalwort „Jetzt“ gedruckt. Dahinter prangt ein fettes Ausrufezeichen – das soll der ganzen Sache wohl Nachdruck verleihen und den Eindruck entstehen lassen, die machen das wirklich, die meinen das ernst. Eine tiefgründige Analyse benötigt die Kampagne nicht. Neben dem Signalwort findet man nur die Kernpositionen und unterschiedliche Farbakzente. Ob die vergleichsweise unaufgeregte Wahlwerbung im Gedächtnis bleibt, wird sich bei der Bundestagswahl zeigen.
CDU
Es scheint so, als ob die CDU dieses Jahr keine Lust mehr auf das Image des konservativen Bewahrers hat. „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“, möchte uns Kanzlerkandidat Armin Laschet mit einem verschmitzten Lächeln glaubhaft vermitteln. Über allem prangt ein Kreis in Nationalfarben, damit auch wirklich allen klar ist, für welches Land der Herr hier kandidiert. Wenn man weiß, dass Armin Laschets engster Berater ein frommer Katholik ist, der in der Vergangenheit Homosexuellen sein Mitleid aussprach, dann macht der Wahlslogan für mehr Modernität allerdings milde gesagt wenig Sinn. Ein Euro ins Phrasenschwein bitte! Ansonsten bedient die CDU die Themen Sicherheit, bezahlbares Wohnen, Bildung und Altersvorsorge unter der Headline: „Deutschland gemeinsam machen“. Auch hier ist die Partei auf ihren Wahlplakaten so divers wie ein Stammtisch. Menschen mit Migrationsgeschichte sind auf keinem der zahlreichen Wahlplakate der CDU vertreten.
Bündnis 90/Die Grünen
Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist grün. Die Kanzlerinkandidatin Anna-Lena Baerbock steht allerdings überraschend wenig im Mittelpunkt der Wahlkampagne der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist neben Parteikollegen und unbekannten Gesichtern nur eine von vielen. Umso wortwörtlich grüner ist die Kampagne geworden. Über allen Personen liegt ein maigrüner Schleier, der vor nichts und niemandem Halt gemacht hat und böse Zungen an Disneys tollkühnen Helden Shrek erinnern mag. Abgesehen von diesem farblich gewagten Plakatdesign signalisiert die Partei, dass sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Unter dem Slogan „Bereit, weil Ihr es seid“ wird dieses Jahr Wahlkampf gemacht.
AfD
Die AfD sorgt sich um den Zustand in diesem Land: „Deutschland. Aber normal“ hat das Rennen um den diesjährigen Wahlslogan gemacht. Gewohnt populistisch und konfrontativ werden Themen der rechten Wählerschaft bedient. In puncto Wahlslogan hätte man von der AfD allerdings mehr erwarten können, wo man doch als Populist*in eigentlich wissen müsste, wie man Themen verkürzt zu präsentieren hat. Und was ist schon normal? Die AfD traut sich mit voller Ernsthaftigkeit Sätze wie: „Wir sind nicht von gestern. Wir sind die Zukunft“ auf ihr Plakat zu drucken, um dann auf dem nächsten Plakat in Erinnerung an die Vergangenheit zu schwelgen: „Wofür mein Vater damals nach Deutschland kam? Für deutsche Leitkultur“. Seid ihr nun von gestern oder nicht?! Ein kleiner Tipp an die AfD: Hängt diese beiden Plakate besser nicht an den gleichen Laternenpfahl, solche Widersprüche könnten bei den Wähler*innen für Verwirrung sorgen.
Selbst wer nicht politisch interessiert ist, wird in den letzten Wochen bemerkt haben: Es stehen mal wieder Bundestagswahlen an. Nahezu überall in Deutschland versuchen Plakate, Litfaßsäulen und Reklamewände die Menschen mit nachdenklichen Botschaften oder eingängigen Slogans von der jeweiligen Partei zu überzeugen. Natürlich zeigen sich die Kandidat*innen dabei auch immer in besonders ansprechenden Posen. Damit wir unser Kreuz an der richtigen Stelle setzen, schenken sie uns ein sympathisches Lächeln oder durchdringen uns mit tiefgründigen Blicken. Anlässlich des Superwahljahrs lohnt es sich, die Wahlkampagnen mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ein Wahlplakat zu gestalten stelle ich mir schwierig vor. Eine begrenzte Fläche für meine Botschaft und Passant*innen, die meinem Wahlslogan im Vorbeigehen nur Millisekunden an Aufmerksamkeit schenken. Dann erwartet mich an jeder Straßenecke auch noch die Konkurrenz, die das gleiche Ziel verfolgt: Gewählt werden! Um die Aufgabe noch schwieriger zu gestalten, muss ich immer wieder aufs Neue kreativ werden, schließlich finden die Wahlen alle vier Jahre statt. Da kommt es der Politik sehr gelegen, dass wir Plakatbetrachter*innen bei der Flut an Bildern und Informationen doch alle recht vergesslich sind. Wer weiß schon noch, ob dieselbe Versprechung nicht bereits vor vier Jahren gemacht wurde? Ich bin kein Psychologe, aber wage es, die steile These aufzustellen, dass ein Wahlplakat vor allem unser Unterbewusstsein ansprechen soll und mit den einfachsten Mitteln funktionieren muss. Wahlspruch, Parteifarbe, Parteilogo – so schwer dürfte das doch eigentlich nicht sein.
SPD
Olaf Scholz von der SPD hat voller Tatendrang scheinbar Lust auf das Kanzleramt. Bei den Sozialdemokraten geht man dieses Jahr in Sachen Plakatgestaltung mit Porträtfoto auf Nummer Sicher, hat den Kanzlerkandidaten aber ab und zu den auch den Umschlag zur Briefwahl in die Kamera halten lassen. Abwechslung muss schließlich sein. Der Wahlslogan „Scholz packt das an“ wird kurz und knackig wie ein Mantra wiederholt. Faire Mieten? Scholz packt das an. Klimawandel? Scholz packt das an. 12€-Mindestlohn? Scholz packt das … wir sollen überzeugt werden, dass wir es hier mit einem Macher zu tun haben. Lange fackeln? Das ist nichts für Olaf!
FDP
Den Spitzenplatz in der Kategorie „Verträumt und Nachdenklich“ belegt dieses Jahr wenig überraschend wieder Christian Lindner. Mit Dreitagebart lässt er seine Blicke mal über die rechte, dann wieder über die linke Schulter schweifen, den Horizont hat er dabei im Fokus. Darunter pinke Schriftzüge auf gelber FDP-Farbe: „Nie gab es mehr zu tun“. Wer es noch poetischer und tiefgründiger mag, liest: „Aus Liebe zur Freiheit“. Für einen Moment könnte man meinen, auf dem Parship-Profil von Christian Lindner gelandet zu sein, wo der Bundesvorsitzende der FDP den einfühlsamen Herzensbrecher mimt – die Zielgruppe von wohlhabenden Akademiker*innen überschneiden sich zumindest schon mal.
Die Linke
Dieses Jahr verzichtet die Linke vollständig auf die Gesichter ihrer Politiker*innen. Stattdessen hat man auf jedes der Wahlplakate das Signalwort „Jetzt“ gedruckt. Dahinter prangt ein fettes Ausrufezeichen – das soll der ganzen Sache wohl Nachdruck verleihen und den Eindruck entstehen lassen, die machen das wirklich, die meinen das ernst. Eine tiefgründige Analyse benötigt die Kampagne nicht. Neben dem Signalwort findet man nur die Kernpositionen und unterschiedliche Farbakzente. Ob die vergleichsweise unaufgeregte Wahlwerbung im Gedächtnis bleibt, wird sich bei der Bundestagswahl zeigen.
CDU
Es scheint so, als ob die CDU dieses Jahr keine Lust mehr auf das Image des konservativen Bewahrers hat. „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“, möchte uns Kanzlerkandidat Armin Laschet mit einem verschmitzten Lächeln glaubhaft vermitteln. Über allem prangt ein Kreis in Nationalfarben, damit auch wirklich allen klar ist, für welches Land der Herr hier kandidiert. Wenn man weiß, dass Armin Laschets engster Berater ein frommer Katholik ist, der in der Vergangenheit Homosexuellen sein Mitleid aussprach, dann macht der Wahlslogan für mehr Modernität allerdings milde gesagt wenig Sinn. Ein Euro ins Phrasenschwein bitte! Ansonsten bedient die CDU die Themen Sicherheit, bezahlbares Wohnen, Bildung und Altersvorsorge unter der Headline: „Deutschland gemeinsam machen“. Auch hier ist die Partei auf ihren Wahlplakaten so divers wie ein Stammtisch. Menschen mit Migrationsgeschichte sind auf keinem der zahlreichen Wahlplakate der CDU vertreten.
Bündnis 90/Die Grünen
Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist grün. Die Kanzlerinkandidatin Anna-Lena Baerbock steht allerdings überraschend wenig im Mittelpunkt der Wahlkampagne der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist neben Parteikollegen und unbekannten Gesichtern nur eine von vielen. Umso wortwörtlich grüner ist die Kampagne geworden. Über allen Personen liegt ein maigrüner Schleier, der vor nichts und niemandem Halt gemacht hat und böse Zungen an Disneys tollkühnen Helden Shrek erinnern mag. Abgesehen von diesem farblich gewagten Plakatdesign signalisiert die Partei, dass sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Unter dem Slogan „Bereit, weil Ihr es seid“ wird dieses Jahr Wahlkampf gemacht.
AfD
Die AfD sorgt sich um den Zustand in diesem Land: „Deutschland. Aber normal“ hat das Rennen um den diesjährigen Wahlslogan gemacht. Gewohnt populistisch und konfrontativ werden Themen der rechten Wählerschaft bedient. In puncto Wahlslogan hätte man von der AfD allerdings mehr erwarten können, wo man doch als Populist*in eigentlich wissen müsste, wie man Themen verkürzt zu präsentieren hat. Und was ist schon normal? Die AfD traut sich mit voller Ernsthaftigkeit Sätze wie: „Wir sind nicht von gestern. Wir sind die Zukunft“ auf ihr Plakat zu drucken, um dann auf dem nächsten Plakat in Erinnerung an die Vergangenheit zu schwelgen: „Wofür mein Vater damals nach Deutschland kam? Für deutsche Leitkultur“. Seid ihr nun von gestern oder nicht?! Ein kleiner Tipp an die AfD: Hängt diese beiden Plakate besser nicht an den gleichen Laternenpfahl, solche Widersprüche könnten bei den Wähler*innen für Verwirrung sorgen.