Interview

Louis über seine Transidentität: „Wir brauchen mehr Akzeptanz in der Gesellschaft!“

Junger Mann schaut aufs Wasser

Louis studiert in Erlangen und ist transident. Transidentität beschreibt ein natürlich bedingtes Phänomen, bei dem die Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht übereinstimmt. Vor einiger Zeit hat er begonnen, seine Geschlechtsangleichung auf Instagram zu dokumentieren. Im Interview spricht er über sein Outing und die Schritte der Geschlechtsangleichung.

Helena Heikaus, funky-Jugendreporterin

Wann hast du gemerkt, dass du transident bist?
Das erste Mal gemerkt habe ich etwas im Alter von fünf Jahren, aber so richtig benennen konnte ich meine Identität erst mit 16. Dann habe ich nämlich aktiv gegoogelt und auch über soziale Medien Informationen sammeln können. Hauptsächlich habe ich mir auf YouTube Erfahrungen von trans-Männern angeschaut und auch die deutsche Gesellschaft für Trans und Intersexualität bietet jede Menge Infomaterial an.

Als du dich dann geoutet hast, wie haben deine Freunde und Familie darauf reagiert?
Bei meinen Eltern outete ich mich zuletzt. Das war sehr schwierig, weil ich bei dem ersten Outing, im Kindergarten, schon nicht ernst genommen wurde. Mir wurde entgegnet: Es geht halt nicht, du bist ein Mädchen und fertig. Und dadurch hatte ich natürlich vor diesem Schritt am meisten Angst. Zudem sind Teile meiner Familie auch recht konservativ, dort trifft meine Identität bis heute auf Unverständnis. Aber mit der Zeit wurde es schon besser. Bei meinen Freunden war das gar kein Problem. Zum Glück.

Was hat dir in der Zeit des Outings Sicherheit und Stabilität gegeben?
Hauptsächlich meine Freunde. Es war auch ganz witzig, denn am Anfang wollte ich natürlich schon auf die Herrentoilette gehen, aber habe mich so kurz nach dem Outing noch nicht getraut, weil man mir mein biologisches Geschlecht noch deutlich angesehen hat. Meine Freunde haben mich dann motiviert, es einfach zu machen. Was soll schon passieren? 

Auf deinem Instagram Kanal „looks_like_loupi“ dokumentierst du deine Geschlechtsangleichung. Warum hast du diesen Account erstellt? Du könntest es ja auch für dich im Privaten festhalten.
Ich bin immer noch ein bisschen zwiegespalten, ob ich da wirklich so viel posten möchte. Einfach wegen der Angst, dass die falschen Leute es finden. Aber da ich mich nun dazu entschieden habe, weitere Operationen machen zu lassen, habe ich selbst nach Erfahrungsberichten gesucht. Da es davon einfach nicht so viele gibt, möchte ich auf diesem Weg meinen Beitrag leisten. Ich persönlich finde es immer schön, wenn man Erfahrungen von Betroffenen widergespiegelt bekommt und nicht nur von Ärzten.

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Was sind eigentlich grob die Schritte bei einer Geschlechtsangleichung?
Ein erster Schritt ist eine Therapie, in der dir deine Transidentität „zertifiziert“ wird. Danach kann man eine Personenstandsänderung vornehmen, bei der Name und Geschlecht offiziell geändert werden. Gleichzeitig gibt es bereits die Möglichkeit, Testosteron einzunehmen. Und darauf folgen dann die geschlechtsangleichenden Operationen.

Wenn man anfängt, Testosteron zu nehmen, kannst man es auch irgendwann wieder absetzen?
Im Moment produziert mein Körper noch Östrogene, also weibliche Hormone. Und theoretisch könnte ich jetzt noch aufhören mit Testosteron, was aber eher kontraproduktiv wäre, weil dann würden einige Veränderungen wieder rückgängig gemacht werden. Außerdem möchte ich auch meine Eierstöcke entfernen lassen. Da dort auch Testosteron gebildet wird, muss ich das also nach der Operation mein ganzes Leben lang zugeführt bekommen.  

Wie oft bekommst du Testosteron verabreicht?
Das schwankt, ungefähr alle drei bis vier Wochen. 

Wie verändert sich denn dann der Körper?
Ich glaube, wann sich was verändert ist sehr individuell. Ich hatte nach der ersten Woche das Gefühl, dass sich ganz viel verändert. Ich würde sagen, die Stimme verändert sich als erstes. Ich hatte zu Beginn auch Nebenwirkungen, zum Beispiel Hitzewallungen, Schlafprobleme und extremen Haarwuchs, und das überall außer am Kopf. Da fallen sie eher aus, ich habe sogar schon Geheimratsecken. Ansonsten kommt es zu einer erhöhten Libido und einem veränderten Körperbau durch mehr Muskeln und Fettumverteilung. 

Was würdest du anderen Trans-Personen raten, die vor ihrem Outing stehen oder vielleicht vor einer Geschlechtsangleichung?
Schwer zu sagen. Also ich glaube, Geduld spielt eine große Rolle. Ich war am Anfang sehr ungeduldig und habe viel erwartet. Aber im Endeffekt überfordert der ganze Prozess und das Outing auch Angehörige. Man selbst weiß einfach schon sehr viel länger, was mit einem los ist, bis man sich einmal outet. Aber im Endeffekt muss man seinen Weg gehen und dann sollte es egal sein, was andere darüber denken.

Was würdest du dir für dich und für deine Zukunft wünschen?
Dass ich Stück für Stück mehr in meinem Körper ankomme, da bin ich jetzt auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Und dass das nach den Operationen noch mehr der Fall ist.

Was würdest du dir für die LGBTQ-Community wünschen, gerade im Pride Month?
Ich denke, dass die Szene gerade als gesellschaftlicher Trend dargestellt wird. So ist das ja aber gar nicht. Zudem sollte offen über das Transsexuellengesetz diskutiert werden, welches mehr Selbstbestimmung ermöglichen soll. Wie brauchen auf jeden Fall mehr Akzeptanz in der Gesellschaft!

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.