Intersektionalität sichtbar machen: Dominik und Zuher vom „Black Brown Queer“-Podcast im Interview

Zuher Jazmati und Dominik Djialeu
Zuher Jazmati und Dominik Djialeu wollen mit ihrem Podcast Themen außerhalb der heterosexuellen, binären und weißen Normen auf den Tisch bringen.

Wer queer ist und einen migrantischen Hintergrund hat, erfährt in der Gesellschaft nicht selten gleich eine doppelte Diskriminierung – Queerfeindlichkeit und Rassismus. Gleichzeitig finden die Perspektiven dieser Menschen in der Dominanzgesellschaft nur wenig Platz. Das wollen Zuher Jazmati und Dominik Djialeu mit BBQ, dem „Black Brown Queeren Podcast“, nun ändern. Zuher ist politischer Bildner und Antirassismustrainer, Dominik ist als Veranstalter queerfeministischer Hip-Hop-Partys und Radiohost tätig. In ihren Podcastfolgen geht es zum Beispiel um Queerness und Rap, Fetischisierung, „Ballroom Culture“ und viele weitere spannende Themen außerhalb der heterosexuellen, binären und weißen Normen. Im Interview sprechen die beiden über die weiße Dominanz in der queeren Szene, die Rolle der Medien in dem Diskurs und die Wichtigkeit von Intersektionalität.

Liora Shahrestani, funky-Jugendreporterin

Warum empfindet ihr es als notwendig, die queere Perspektive mit eurer Perspektive als nicht-weiße Personen im Podcast miteinander zu verbinden?
Zuher: Wenn wir über Queerness reden, haben wir automatisch ein weißes Queerness-Bild vor Augen. Die queere nicht-weiße Lebensrealität wird hingegen nur selten abgebildet. Der Podcast soll eine Plattform sein, die diese Perspektiven zugänglicher macht.

Dominik: Als nicht-weiße und queere Personen erfahren wir auch innerhalb der queeren Szene Rassismus. Die Köpfe der Menschen werden von Bildern beherrscht, wer wir sind und wie wir zu sein haben. Wir brauchen einen Rahmen, in dem wir darüber sprechen können, weil das sonst zu wenig getan wird.

Queer- und Migrantischsein wird von der Mehrheitsgesellschaft oft als gegensätzlich zueinander angesehen und passt für die meisten nicht zusammen. Darüber sprecht ihr unter anderem auch in eurer Folge „Islam und Queerness”. Wie seid ihr mit eurer Identität als Schwarze beziehungsweise muslimische Person, der das Queersein von außen abgesprochen wird, früher umgegangen? Und wie seht ihr das heute?
Dominik: Für mich war das ein super langer Prozess, der wahrscheinlich auch noch gar nicht abgeschlossen ist. Als schwarzes schwules Kind hat es mir an Vorbildern gefehlt, wodurch für mich eine gewisse Leere entstanden ist. Früher konnte ich gar nicht benennen, wodurch dieses Problem verursacht wurde, weil ich in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft aufgewachsen bin. Musik hat mir dabei geholfen, zu verstehen, dass ich in der Gesellschaft anders gesehen werde. Aber auch, dass Schwarzsein etwas sehr Schönes ist. Das war für mich der erste Schritt. Was Queerness angeht, musste ich mich selbst erstmal von ganz vielen Rollenbildern und Klischees lösen. Auch hier hat mir vor allem queerer Hip-Hop geholfen, mich in jungen Jahren zu empowern. Aber ich glaube, diesen Kampf, dass ich anders gesehen und wahrgenommen werde, führe ich heute noch.

Zuher: Wenn wir von Menschen in einer Gesellschaft reden, dann denken wir generell erstmal an eine heterosexuelle, binärgeschlechtliche und monogam lebende Norm. Wenn wir einen Schritt weitergehen und von migrantischen Menschen sprechen, dann denken wir oft an Herkünfte, die von außen als patriarchaler, queerfeindlicher und frauenfeindlicher betrachtet werden. Wir haben also ein gewaltvolles und rückständiges Bild von einer migrantischen Gesellschaft, das auch sehr stark durch einen eurozentrischen Blick geprägt ist. Queerness hat aus diesem Blickwinkel kaum noch Platz und wird von der weißen Gesellschaft daher auch immer nur aus einer mitleidigen Perspektive diskutiert, in der man als queere migrantische Person ein Opfer der eigenen Kultur oder Religion ist. Der Westen und die weiße Gesellschaft werden daher oft als der Befreiungsraum aus dieser uns zugeschriebenen Opferposition dargestellt. Und natürlich macht das etwas mit den jungen migrantischen Kids in Deutschland, weil sie dann denken, die eigene Kultur und die nicht-weiße Herkunft seien etwas Negatives, einfach weil uns von außen beigebracht wird, dass sie per se queerfeindlich ist. Durch eine Auseinandersetzung mit der islamischen Geschichte in Bezug auf Queerness hat sich für mich dann vieles geöffnet und diese vermeintliche Gegensätzlichkeit einer muslimischen und queeren Identität ergaben plötzlich keinen Sinn mehr.

Ihr sprecht auch immer wieder darüber, wie wichtig Vorbildern und eine Repräsentanz in den Medien sind. Wie hat der Mangel an queerer migrantischer Repräsentation euren Podcast beeinflusst?
Dominik: Ich glaube, der Mangel an Vorbildern ist die Wurzel dieses Podcasts. Wir haben festgestellt, dass schwarze Menschen und nicht-weiße Menschen in den Medien oft nur einem gewissen Entertainmentzweck dienen sollen. Oftmals sind das dann Menschen, über die sich lustig gemacht wird und die als besonders exotisch und schrill dargestellt werden. Und diese vermeintliche Repräsentation ist uns nicht genug. Wir möchten Weichen für unsere Sichtweisen stellen – und das ist mit uns beiden auch noch nicht getan. Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen, damit mehr Leute uns folgen und sich trauen. Es ist gut, Pionier*innen zu haben und zu sehen, dass es funktioniert und dass es sehr wohl die Möglichkeit gibt, gesehen zu werden und etwas zu verändern.

Zuher: Wir denken auch in die Zukunft. Gerade seit letztem Jahr gibt es diese Entwicklung zu mehr Repräsentation und mehr Vielfältigkeit von Stimmen und Perspektiven in der Medienlandschaft. Es ist bei Weitem noch überhaupt nicht da, wo ich es gerne sehen würde. Aber wir können schon beobachten, dass sich da etwas tut. Medienschaffende denken oft, dass es reichen würde, ein paar nicht-weiße Menschen zu zeigen. Aber wir möchten klarmachen, dass nicht alle BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) die gleichen Erfahrungen machen und auch auf einer intersektionalen Ebene noch viele weitere Perspektiven, wie zum Beispiel Queerness, dazukommen. Und auch diese Perspektiven sind super relevant in einer Gesellschaft, die nicht nur rassistisch, sondern auch queerfeindlich ist.

Repräsentation ist also definitiv sehr wichtig. Wie kann man aber von Repräsentation zu tatsächlicher Teilhabe und Akzeptanz von queeren BIPoC in der Gesellschaft gelangen?
Zuher: Durch mehr Repräsentation wird erstmal ein Anstoß gegeben, weil sich viele Leute dadurch ermutigt fühlen, die Dinge zu tun, die sie tun wollen. Und dann eben auch dazu ermutigt werden können, an die Stellen, an denen Entscheidungen getroffen werden, zu gehen und ihre Perspektiven und Blickwinkel einzubringen. Gleichzeitig ist es wichtig, als nicht-betroffene Person immer auch mitzudenken, dass es mehr gibt, als nur die eigene Perspektive. Es müssen also Entscheidungen getroffen werden, in denen alle Menschen mitgedacht werden.

Was Queerness angeht, musste ich mich selbst erstmal von ganz vielen Rollenbildern und Klischees lösen.

Dominik über seinen eigenen Entwicklungsprozess

Dominik: Natürlich ist es momentan so, dass viele Medienhäuser wach werden und merken, dass Deutschland ein Rassismusproblem hat und sie sich nun diverser aufstellen und marginalisierte Stimmen sichtbar machen sollten. Doch das geschieht immer erst als Reaktion auf etwas, nämlich weil sie merken, dass sie jetzt etwas tun müssen. Uns ist deswegen auch bewusst, dass wir zum Teil auch so viel Erfolg haben, weil Medienhäuser merken, dass es ihnen gut steht, wenn sie queere BIPoC miteinbeziehen. Viele Menschen stört es aber, dass andere Perspektiven und Meinungen auf einmal in den Medien stattfinden. Momentan ist es also noch sehr aufgesetzt. Ich hoffe aber, dass es langfristig gesehen zur Normalität wird.

In eurer Folge „Dein Pride auch mein Pride?“ sprecht ihr darüber, dass die queere Szene sehr weiß-dominiert ist und dort rassistische Strukturen genauso wirksam sind wie überall sonst auch. Was denkt ihr, woher dann aber das Bild der queeren Community als eine total offene kommt?
Dominik: Wenn man von außen draufschaut, scheint es so zu sein, dass der queere Mainstream sehr offen ist. Wenn man aber tiefer gräbt, merkt man natürlich, dass weiße Menschen einfach weiße Menschen sind und wir in einem rassistischen System leben. Deswegen würde ich auch gar nicht von dieser einen queeren Community, sondern von mehreren Communities sprechen. Andere marginalisierte Menschen denken sehr schnell: Wir sind ja von Diskriminierung betroffen, deswegen wissen wir ja, wie sich das anfühlt, und diskriminieren andere nicht. Das ist aber ein Trugschluss.

Zuher: In der deutschen Gesellschaft herrscht generell eine Schieflage davon, was Rassismus eigentlich ist. Viele denken einfach, plump gesagt, solange sie jemanden nicht aus rassistischen Motiven zusammenschlagen, dann seien sie auch nicht rassistisch. Und dann kommt auch noch ein subkultureller Aspekt dazu, weil man sich in einer vermeintlich total offenen und bunten Nische befindet und daher denkt, gar nicht rassistisch sein zu können. Dadurch baut sich ein Filter auf, in dem Kritik nur noch sehr schwer durchkommt. Durch eigene Diskriminierungserfahrungen kann man definitiv auch empathischer und motiviert werden, sich mit anderen Diskriminierungsformen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig baut sich aber bei vielen eine Mauer auf, wodurch sie sich gar nicht mit ihren eigenen Privilegien beschäftigen.

Gibt es etwas, das ihr im Laufe eures Podcasts selbst dazugelernt habt?
Zuher: Wir lernen immer dazu. Wenn wir mit anderen Menschen kommunizieren, ist das immer eine Wissens- und auch Lernerweiterung. Wir sind letztendlich nur zwei Leute von so vielen und decken daher auch nur zwei Perspektiven ab. Es gibt aber so viele Perspektiven. Queere BIPoC sind auch wieder eine total heterogene Community, in der es verschiedene Erfahrungen und Sichtweisen gibt. Daher kann man nie aufhören, sich weiterzubilden und zu lernen.

Dominik: Ich habe im Nachhinein immer das Gefühl, mehr zu wissen. Dazu gehören zum Beispiel Themen wie Intersektionalität, die Überschneidung und Gleichzeitigkeit von verschiedenen Diskriminierungskategorien gegenüber einer Person, oder auch Bisexualität, wo ich durch die Auseinandersetzung mit anderen Perspektiven sensibilisierter werde.

Viele denken einfach, plump gesagt, solange sie jemanden nicht aus rassistischen Motiven zusammenschlagen, dann seien sie auch nicht rassistisch.

Zuher über die Schieflage der Deinition von Rassismus in der deutschen gesellschaft

Beim Podcastfestival von 1Live wart auch ihr dabei und habt damit eine große Plattform erhalten, als ihr gemeinsam mit Catherrine Leclery über Sichtbarkeit und Drag gesprochen habt. Habt ihr das Gefühl, dass eure Themen bei weißen und/oder hetero-cis Menschen ankommen, und wie nehmt ihr deren Lernbereitschaft wahr?
Dominik: Es ist auf jeden Fall super schwierig. Ich habe das Gefühl, dass hetero-cis Personen sich weiter geöffnet haben und bereiter sind, dazuzulernen. Aber es ist auch immer noch nur bedingt. Wir erfahren immer wieder Rückspiegelungen, dass wir uns anders ausdrücken oder doch weniger darüber sprechen sollen. Viele Menschen wünschen sich von uns, dass wir uns anpassen. Und solange das der Fall ist, haben Leute immer noch nicht verstanden, was es bedeutet, verschiedene Sichtweisen abzubilden. Wir stoßen immer wieder an Grenzen. Gerade auch bei dem Festival merkt man das an den Kommentaren. Wir treten aus dieser empowernden Bubble heraus und der Ton uns gegenüber ändert sich.

Zuher: Solche Kommentare sind ja letztendlich auch ein Spiegel der Gesellschaft. Und solange wir solche Kommentare bekommen und lesen, wissen wir auch, dass es diese Arbeit braucht. Wir merken aber auch immer wieder, dass unsere Themen bei verschiedenen Menschen ankommen und die Bereitschaft da ist, sich damit auseinanderzusetzen. Aber viele Menschen fühlen sich einfach vor den Kopf gestoßen. Und solange diese Reaktionen da sind, ist das auch der Motor für uns, weiterzumachen und genau das zu verändern.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.