Interview

Jung und politisch: Lilli Fischer (CDU) im Interview

Lilli Fischer
Für Lilli Fischer bedeutet Konservativismus, Fortschritt in einem Tempo anzugehen, das jeden mitnimmt.

In der Beitragsreihe „Jung und politisch“ möchte die funky-Redaktion herausfinden, warum junge Politikerinnen und Politiker parteipolitisch aktiv sind und welche Ziele sie verfolgen. Weiter geht es mit Lilli Fischer (21): „Jung, engagiert, motiviert.“ – so lautete ihr Slogan, als sie für die Stadtratswahl in Erfurt kandidierte. Trotz ihrer jungen Jahre wurde sie zur Stadträtin gewählt und arbeitet heute für Mario Voigt in der CDU-Landtagsfraktion. Warum sich Lilli mit den Werten der CDU identifiziert und was sie über die Korruptionsvorwürfe in ihrer Partei denkt, hat sie uns im Interview erzählt.

Von Sina Sabo und Knut Löbe, funky-Jugendreporter

Steckbrief

Name: Lilli Fischer
Alter: 21
Partei: Junge Union/CDU
Aktuell: Stadträtin in Erfurt, arbeitet in Vollzeit für die CDU-Landtagsfraktion für das Thüringer Landtagsmitglied Prof. Dr. Mario Voigt
Und sonst: Sehr im Wahlkampfgeschehen involviert, hat ihr Studium für ihre Arbeit ausgesetzt

Nenne drei Begriffe, die du mit deiner Partei assoziierst: 
1. Stabilität
2. Glaube
3. Politische Heimat

Beschreibe in einem Satz, was deine Partei für dich bedeutet: 
Die CDU bedeutet für mich Stabilität und Sicherheit für Deutschland. Ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben. 

Ergänze die Satzlücke: Ich möchte mit meiner Parteiarbeit …
… entschieden gegen Extremismus vorgehen und mich für ein modernes, offenes und klimagerechtes Deutschland starkmachen. 

Beende den Satz: Mit meiner Parteiarbeit verfolge ich das Ziel …
… meine Heimat besser zu machen.

Wie kam es, dass du so jung in die Politik gegangen bist?
Ich wollte schon in der Grundschule immer Klassensprecherin sein, bin es dort aber nie geworden. Aber auf dem Gymnasium klappte es dann! (lacht) Irgendwann wurde ich dann sogar Schülersprecherin – ein ganz klassischer Werdegang also. 2015 gab es vom Stadtjugendring in Erfurt eine Tagung, bei der es um Jugendbeteiligung ging. Zu der Zeit wurde dieser Förderplan allerdings ausschließlich von Berufsjugendlichen gestaltet. Da war keine Beteiligung von jugendlichen Schülern dabei. Ein Kumpel und ich, wir haben uns daran sehr gestört und daraufhin das Schülerparlament in Erfurt gegründet. In dem Zusammenhang bin ich mit der Landesschülervertretung, den Stadtratsfraktionen und den Parteien drum herum in Kontakt gekommen. Dabei hat sich bei mir dann der Wunsch verhärtet, nicht nur Bildungspolitik zu machen, sondern mich auch in der Partei zu beteiligen. So bin ich 2016 im Juni in die Junge Union und dann September in die CDU eingetreten. 

Warum identifizierst du dich mit den Werten der CDU? 
Ich war auf einem christlich-humanistischen Gymnasium und wurde christlich erzogen. Glaube spielt für mich eine wichtige Rolle. Ich habe eine sehr prägende Veranstaltung bei der Schülerunion besucht, das war die Bundesschülertagung in Darmstadt. Dort gab es eine Abendandacht. In diesem Moment habe ich gemerkt, dass es Gemeinschaft auch innerhalb einer politischen Organisation im Glaubenssinn gibt. Das hat mich sehr bewegt. 

„Wenn wir uns nur auf eine Altersgruppe in der Wählerschaft fokussieren, dann sind wir keine Volkspartei mehr.“

Welchen Herausforderungen begegnest du als junge Person in der Partei?
Ich werde sehr oft gefragt: „Stand dir dein Geschlecht schon mal im Weg?“ Ich antworte dann immer: „Nein, aber mein Alter.“ Das ist mir besonders deutlich geworden, als es um die Listennominierung für die Stadtratswahl ging. Da kam ein Kommentar so nach dem Motto: „Wir können Frau Fischer nicht auf Platz XY setzen, weil sie unsere Wählerschaft nicht abbildet, die ist doch viel zu jung.“ In diesem Satz stecken ganz viele Probleme, aber für mich vor allem zwei: Wenn wir uns nur auf eine Altersgruppe in der Wählerschaft fokussieren, dann sind wir keine Volkspartei mehr, denn als Volkspartei müssen wir alle ansprechen wollen. Der zweite Punkt: Ich habe am Ende allen gezeigt, dass ich die Wählerschaft offensichtlich anspreche, weil ich gewählt wurde. Mein Slogan war „jung, engagiert, motiviert“. Ich war die Einzige auf dem Wahlzettel, die vorne eine Zwei im Geburtsjahr stehen hatte – das hat meines Erachtens auch zum Erfolg beigetragen.

„Das ist kein Geheimnis. Wir sind an vielen Ecken konservativer als manch einer in der CDU.“

Was sind deine drei politischen Herzensprojekte?
Mein erstes Herzensprojekt ist total kommunal: für Jugendliche, Schülerinnen und Schüler ein lebenswertes Erfurt zu gestalten, in dem man auch gerne nach dem Abschluss bleibt. Ein Erfurt, in dem ich meine Träume verwirklichen kann, das mir an der Universität mit Ausbildungsstandorten Perspektiven bietet und innovativ ist. Vor allem soll eine gute Gründerkultur in Erfurt gefördert werden. Das ist die Nummer eins. Natürlich meine Heimat, meine Stadt, Erfurt. Die zweite Sache ist: Wir haben einen hohen Lehrermangel und Unterrichtsausfall in Thüringen. Bei diesem Thema gibt es meines Erachtens noch nicht so das eine Konzept, das mir sagt: „Okay, so können wir Lehrer gewinnen.“ Die ersten richtigen Schritte sind in Thüringen mit der Verbeamtung gegangen worden, aber da stellt sich auf der anderen Seite eben auch die Frage: Wie kann ich denn überhaupt mehr Schüler nach dem Abitur davon überzeugen, Lehramt zu studieren? Der Lehrerberuf, der früher sehr angesehen war, hat stark in seinem Ansehen verloren. Was früher eine Einheit aus Eltern und Lehrer war, um gemeinsam das Kind zu fördern, ist heute eine Front gegen die Lehrer. Wir müssen da unbedingt etwas für das Image tun. Die dritte Sache betrifft konkreter meine Partei. Ich möchte, dass meine Partei moderner, jünger und digitaler wird, dass sie sich mehr auf die Themen Europa, Klimaschutz und Demografie fokussiert. 

Wie stehst du zu gendergerechter Sprache?
Ich benutze gendergerechte Sprache nicht. Ich finde aber, das sollte jeder machen, wie er das möchte. Ich verstehe den Sinn dahinter, aber mag den „gesprochenen Stern“ nicht. Wenn, dann sage ich beispielsweise „Politikerinnen und Politiker“, aber das kommt auch immer auf die Situation an. Ich denke, jeder sollte reden, wie er das möchte. Das hat für mich auch mit Freiheit zu tun. Aber genauso möchte ich auch nicht, dass mir jemand am Ende eine Vorschrift macht. Mir ist es wichtig, wenn man alle explizit einschließen muss, auch alle Formen zu nennen. Das generische Maskulinum in wissenschaftlichen Arbeiten als High-Standard finde ich absolut in Ordnung. 

Die Corona-Krise könnte soziale Ungleichheit mittelfristig noch weiter verstärken. Wie kann die Politik deiner Meinung nach für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen?
Für mich bedeutet das vor allem, in der Pandemie niemanden zurückzulassen. Deswegen habe ich mich auf kommunaler Ebene dafür eingesetzt, dass die Bibliotheken öffnen. Es braucht Bibliotheken, weil nicht jeder das Geld besitzt, um sich Bücher leisten zu können. Das sind Kleinigkeiten, bei denen man auf kommunaler Ebene ansetzen muss, um dann mehr Gerechtigkeit für alle zu schaffen. Wir müssen unbedingt eine digitale Grundstruktur schaffen, angefangen beim WLAN. Ich habe oft das Gefühl, dass man in einer privilegierten Politikerposition die Kleinigkeiten vor Ort vergisst. Ich finde, dass der Bildungsbereich die Grundlage für soziale Gerechtigkeit darstellt. Wir haben in Deutschland keine nachwachsenden Ressourcen. Die größte nachwachsende Ressource sind unsere Kinder und ihr Grips. 

„So begreife ich übrigens auch Konservatismus: einen Fortschritt in dem Tempo anzugehen, das jeden mitnimmt.“

Besonders junge Menschen sind in den letzten Jahren für das Klima auf die Straßen gegangen: Wo positionierst du dich in dieser Debatte und welche Maßnahmen braucht es, um die Klimakrise in den Griff zu kriegen?
Am Anfang habe ich „Fridays for Future“ (FFF) sehr kritisch betrachtet, ähnlich wie viele in der Jungen Union. Irgendwann habe ich mir aber die Frage gestellt, wann denn das letzte Mal so viele Schüler für etwas auf die Straße gegangen sind. Heute nehme ich die Position ernst, finde es aber schade, dass ein Großteil der Köpfe der Bewegung Studenten sind – das macht den FFF-Schulstreik leider für mich etwas kaputt. Die Klimakrise als eine der großen Krisen unserer Generation zu begreifen, finde ich sehr wichtig. Da verstehe ich auch die Kritik, dass die CDU da etwas verschlafen hat. Andererseits frage ich mich, wie wir gleichzeitig aus der Kohle- und der Atomkraft aussteigen sollen, wenn wir wenig Küste und vor allem kein richtiges Bergland haben. Irgendwie funktioniert das in meinem Kopf noch nicht so ganz. Wir müssen die Angst erst nehmen, ich denke aber auch, dass die CDU eine reale Klimapolitik gestalten muss. So begreife ich übrigens auch Konservatismus: einen Fortschritt in dem Tempo anzugehen, das jeden mitnimmt. Das bedeutet, du kannst nicht von heute auf morgen alles umstellen. Das ist auch ein Grund, warum ich in der CDU bin.

„Wer es aber nicht verdient hat und sein Asylrecht durch Kriminalität verwirkt, der hat in Deutschland nichts zu suchen.“

Die Auswirkungen des Klimawandels werden wir jungen Leute sehr wahrscheinlich noch erleben und damit auch den Klimawandel als Fluchtursache vieler Menschen. Wie bewertest du die Flüchtlingspolitik der aktuellen Bundesregierung?
Ich bin der Überzeugung, dass es in Deutschland keinen Politiker gegeben hätte, der die Flüchtlingskrise so gut wie Angela Merkel gehandhabt hätte. Sie hat in vielen Punkten zwar aus einer Emotion heraus, aber immer human gehandelt. Ich finde es schwierig, die gesamte Bundesregierung da reinzunehmen, weil sie am Ende die Entscheidungsgebende war. Für mich steht im Mittelpunkt, denen Asyl zu geben, die Asyl suchen und brauchen. Wer es aber nicht verdient hat und sein Asylrecht durch Kriminalität verwirkt – das gibt es, das wissen wir –, der hat in Deutschland nichts zu suchen.

Aktuell gab es mit dem Brand in Moria Ereignisse, für die die Bundesregierung kritisiert wurde. Wie stehst du zu dieser Kritik?
Warum flüchten Menschen? Häufig, weil westliche Länder außerhalb ihres eigenen Landes einen Krieg verursacht haben. Die Menschen flüchten zu Recht. Für mich gilt, dass genau diese Menschen, die hier Hilfe suchen, ihre Hilfe bekommen müssen. Für mich gehört aber auch zur Wahrheit, dass der Satz „Wir haben Platz“ nur bis zu einem gewissen Punkt stimmt. Wir haben nicht unbegrenzten Platz und vor allem in der Corona-Pandemie keine unbegrenzten Mittel. Ich verstehe auch die Sorgen der Menschen, die auf die Straße gehen, aber genau diese Sorgen müssen wir ihnen nehmen. Sie sind häufig unbegründet oder entstehen aus Halbwahrheiten. 

„Wir müssen vor Ort Ursachen bekämpfen.“

Wir sind in Deutschland in einer gesellschaftlichen Krise gelandet, die aus Angst um Sicherheit entstanden ist. Weil wir nicht richtig kommunizieren und den Leuten nicht erklären, warum wir Hilfe leisten, entstehen solche Probleme. Ich möchte den Menschen helfen, die in einem brennenden Lager sind. Es gilt zudem auch: Wir müssen vor Ort Ursachen bekämpfen. Da passiert meines Erachtens zu wenig. Man kann sich natürlich weiterhin darüber beschweren, dass Deutschland Waffen liefert, und irgendwann müssen diese Kriege zu Ende gehen. Aber auch ohne unsere Waffen läuft der Krieg weiter, dann werden sie sich dort andere Möglichkeiten suchen. Die CDU wird pauschal so dargestellt, als würde das „C“ im Namen überhaupt nicht mehr gelten. Das stimmt doch nicht. Es ist doch nicht so, als würden wir keine Hilfe leisten wollen. 

Das Superwahljahr ist gestartet. Bei der CDU zeigt sich ein Abwärtstrend, der wohl auch mit den Korruptionsanschuldigungen gegenüber CDU-Politiker*innen zusammenhängt. Wie kann das Vertrauen der Wähler*innen zurückgewonnen werden?
Ich finde es sehr übel, wenn Menschen aus der größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg Profit schlagen. Das hat nichts mit christlichen Werten zu tun und ich finde es absolut richtig, dass die Beschuldigten die entsprechenden Ämter niederlegen und aus der Partei austreten. Das ist meine Position. Wir haben in den letzten Monaten zunehmend Kommentare bei Facebook gehabt, in denen stand, die CDU sei eine Korruptionspartei. Jetzt kommt so etwas und bestätigt diese Leute. Wir stehen als Kommunalpolitiker draußen am Wahlkampfstand und dürfen uns das in zehn Jahren noch anhören, dabei haben wir nichts gemacht. Das ärgert mich an der ganzen Debatte: diese 10 Mann von 400.000 Mitgliedern, die Profit aus der Krise geschlagen haben. Ich will das nicht schönreden, aber es sind immer noch 399.990 Leute, die das nicht gemacht haben und sich für die Werte der CDU einsetzten. Die werden es richtig schwer haben im Wahlkampf. Ich finde schade, dass das gerade alles überschattet.

„Wer auf die anderen zeigt, darf meines Erachtens selber keine Leiche im Keller haben.“

Du hast gerade von 400.000 Mitgliedern gesprochen, von denen nur 10 schuldig sind. Hier geht es doch aber um hohe Positionen und Strukturen in der CDU. Hast du das Gefühl, in deiner Partei wird wirklich genug unternommen?
Ich habe mir die Frage gestellt, ob nur meine Partei dieses Problem hat: Gehört das zum Wesensbild der CDUler, dass wir korrupt sind? Ich glaube, dass einen häufig das Mandat dazu macht. Man muss das auch mal anders betrachten. Da fand ich Thomas de Maizière bei Anne Will ganz stark. Wir müssen uns von einer Partei sagen lassen, deren ehemaliger Parteivorsitzender und Ex-Kanzler immer noch mit Russland best friend ist und die gleichzeitig einen korrupten Abgeordneten in ihren Reihen duldet, dass wir korrupt sind. Wir werden zu Recht an den Pranger gestellt, aber vielleicht muss man ja auch mal anfangen, sich an die eigene Nase zu fassen. Das betrifft jede Partei, das braucht mir keiner vormachen. Das ist gerade bei uns krass gehäuft, und ich will davon wirklich nicht ablenken. Aber wer auf die anderen zeigt, darf meines Erachtens selber keine Leiche im Keller haben. Ich glaube nicht, dass es in unserer DNS als CDUler liegt, korrupt zu sein. Machen wir genug dagegen? Das ist die Frage. Da haben wir mit dem Compliance-Papier einen ersten guten Vorschlag gemacht. Eigentlich traurig, dass man so etwas überhaupt verabschieden muss, weil das eigentlich ein Grundsatz sein sollte. Dann braucht es vielleicht Richtlinien, die sagen, wenn du dagegen verstößt, dann gehörst du nicht mehr zur Partei. Ich glaube, dass wir da tatsächlich aufgerüttelt wurden. Und dass da jetzt viel getan wird. 

Es wird über die Offenlegung von Nebenverdiensten diskutiert. Wie stehst du dazu?
Ich finde, es ist absolut legitim, neben dem Job als Abgeordneter Nebeneinkünfte zu haben. Ein Arzt zum Beispiel muss weiterhin praktizieren, um seine Approbation zu behalten. Da hat er natürlich schon mal hohe Nebeneinkünfte. Was die Offenlegung der Nebeneinkünfte angeht, hat die CDU einen guten Vorschlag gemacht: ab 100.000 Euro. 100.000 Euro sind für einige Menschen sehr, sehr viel Geld, das kann ich verstehen. Wenn du ein Mandat hast und bei einem Unternehmen unterschreibst, muss es aber trotzdem noch eine Möglichkeit der Geheimhaltung geben.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.