Junge Menschen, Corona und der Alkohol: „Der Konsum hat sich über die Zeit aufgebaut“

Keine Partys, Langeweile und ein Gefühl der Leere. Unter diesen coronabedingten Umständen leiden Jugendliche zurzeit besonders. Was viele von ihnen dabei vereint? Der Griff zum Glas oder zum Gras.

Pascal Moser, funky Jugendreporter

„Meistens sind es bei mir ein paar Bier, aber manchmal auch harter Alkohol und Gras.“ Magdalena (17) erzählt, sie habe auch vor der Pandemie schon viel konsumiert, aber jetzt sei es auf jeden Fall mehr geworden. Und so geht es momentan nicht nur ihr. Auch eine Studie der KKH (Kaufmännische Krankenkasse), bei der 1.005 Personen im Alter von 16 bis 69 Jahren 2020 online repräsentativ zu ihrem Konsumverhalten befragt wurden, bestätigt einen Anstieg in Sachen Rauschmittelkonsum. Die Ergebnisse zeigen auch, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zunehmend und regelmäßig Alkohol konsumieren und vor allem vermehrt rauchen. Bei der Generation 50 plus scheint sich das Konsumverhalten jedoch kaum geändert zu haben. Der Grund: Jugendliche haben vor Pandemiezeiten eher zu besonderen Anlässen, wie Geburtstagen oder Konzerten getrunken und geraucht. Bei den 50- bis 69-Jährigen genehmigte sich bereits vor der Pandemie jeder Dritte mehrmals wöchentlich Alkohol.

Fehlende Perspektive

„Seit dem Dauer-Lockdown beobachte ich bei mir Langeweile und depressive Episoden. Es fühlt sich scheiße an, nicht mehr feiern zu können.“ Für Lukas (19) hat sich der Rauschmittel- Konsum über die Zeit aufgebaut. An extremen Tagen kann es sein, dass er sechs bis acht Bier trinkt und ein Gramm Gras raucht. Als Grund gibt er die fehlende Perspektive an. Und die drückt vielen Jugendlichen aufs Gemüt. Viele befinden sich in einer der wichtigen Phasen ihres Lebens: Abitur, Studium, Reisen oder der erste Job sollten eigentlich der Start in eine neue und spannende Zeit sein. Das alles scheint gerade ziemlich unwichtig und nebensächlich geworden zu sein.

Die Ursachen sind entscheidend

„Entscheidend ist es, nicht den Konsum selbst, sondern die Ursachen dafür zu bekämpfen“, weiß Michael Falkenstein im Rahmen der der KKH-Studie. Der Suchtexperte macht auf psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen bei Jugendlichen aufmerksam, die bereits vor Corona existierten und nun vor allem durch fehlende Ablenkung und die Krisensituation verstärkt zum Vorschein kommen. Oft blendet Alkohol innere Konflikte aus – aber nur für kurze Zeit. Hobbies, beispielsweise Sport, helfen bei der Stressbewältigung deutlich besser und langfristiger.

Trotz der belastenden Situation lehnen die meisten jungen Menschen die Kontaktbeschränkungen fast nie ab. Im Gegenteil: Einige wünschen sich sogar einen härteren Lockdown, um die Zahlen nach unten zu drücken. Viele Jugendliche scheinen sich der schwierigen Lage bewusst zu sein und tragen die Einschränkungen vorbildlich mit. Trotzdem: Egal welche Maßnahmen getroffen werden, die intensiven Momente, die normalerweise in diesem Alter erlebt werden, sind nur schwer zu ersetzen. Der Griff zu Alkohol und Cannabis blendet den Verlust dieser kostbaren Lebenszeit womöglich aus. Sich dauerhaft zu berauschen ist aber sicherlich keine vernünftige Lösung und führt zu Langzeitschäden. Stattdessen sollte man es lieber mit einem Gespräch mit einem Freund, Sport oder kreativen Projekten versuchen – sie rücken Ängste und Stress in den Hintergrund.

Ihr habt selbst einen erhöhten Alkohol- oder Drogenkonsum bei euch beobachtet? Beratungs- und Informationsangebote findet ihr hier:

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.