Interview

Kinderbuchautorin Tanya Stewner: „Ich war irgendwie ein schräger Vogel“

Bereits mit zehn Jahren fing Tanya Stewner an, eigene Geschichten zu schreiben. Inzwischen ist die Kinder- und Jugendbuchautorin mit ihren Buchreihen „Liliane Susewind“ und „Alea Aquarius“ ziemlich erfolgreich. Im Interview erzählt die 47-Jährige, woher ihre Ideen kommen und warum Schreiben immer auch etwas von einer Therapie hat.
Ylva Immelmann, funky-Jugendreporterin

Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Leben als Schriftstellerin aus?
Ich stehe relativ früh auf und meditiere dann erst mal. Danach sitze ich oft einfach nur mit einer Tasse Tee am Fenster und schaue in den Garten. Dann kommen ganz viele Ideen: Ach, in dem einen Kapitel kann ich das noch einfügen, denn dann kann ich eine andere Idee noch umsetzen … Ich notiere das alles und gehe die Liste im Laufe des Tages durch.

Gibt es einen Ort, an dem Sie besonders gern schreiben?
Mein Lieblings-Schreibort ist mein Schreibzimmer, da habe ich mich richtig eingeigelt. Ich brauche zum Schreiben richtige Ruhe. Und ich mag es, wenn ich dabei auf irgendwas Schönes schauen kann. Von meinem Schreibzimmer aus schaue ich beispielsweise auf den Rhein. Im Sommer trifft man mich aber auch mal draußen im Garten an, wo ich an irgendeinem Baum lehne, mit dem Laptop auf dem Schoß.

Woher bekommen Sie denn Ihre Ideen?
Ich habe viel Fantasie. Die meisten meiner Ideen entspringen einfach meiner Vorstellungskraft. Ich schöpfe auch viel aus dem, was ich erlebt habe, und verarbeite so Autobiografisches. Danach fragen mich auch häufig Kinder in den Lesungen. Ich frage dann immer zurück: Woher kommen denn deine Ideen zum Spielen? Und so ähnlich ist das Schreiben – irgendetwas fällt mir ein und dann schreibe ich es auf.

Wie viele von Ihren Ideen schaffen es schlussendlich, ein Buch zu werden?
Meistens sind das eher kleine Fragmente. Ideen für komplette Entwürfe, welche Art von Buch ich mal schreiben könnte, habe ich ehrlich gesagt selten, weil ich ja gerne Serien schreibe. Wenn man erst mal eine Welt geschaffen hat, ist der Rahmen natürlich gesetzt. Dann halte ich mich auch innerhalb dieses Rahmens auf. Wenn ich dafür Ideen habe, notiere ich diese. Ideen wie „So ein Buch müsste ich mal schreiben“ habe ich tatsächlich nicht so oft. Ich muss gedanklich sehr lange daran arbeiten.

Und wenn Sie dann doch mal ein Buch schreiben, das keine Serie ist: Wie fühlt es sich an, dieses abzuschließen und sich von den Figuren zu verabschieden?
Am „Lied der Träumerin“ habe ich tatsächlich insgesamt zwölf Jahre gearbeitet und es zwischenzeitlich immer wieder liegen gelassen. Als es dann so weit war, dass ich es an den Verlag schicken konnte, war es für mich schon lange beendet. Beim „Sommer, in dem die Zeit stehen blieb“ war das ein bisschen schwieriger, weil ich mich gerne viel länger in dieser Welt und mit diesen Figuren aufgehalten hätte. Da ist es mir wirklich schwergefallen, denn obwohl die Geschichte dramaturgisch zu Ende erzählt war, hatte ich irgendwie das Gefühl, dass ich am liebsten noch 56 Kapitel schreiben würde. Es ist für mich nach wie vor schwer, Figuren loszulassen, weil die natürlich zu Freunden werden und man sich immer selber darin wiederfindet.

In Ihren Geschichten tauchen viele außergewöhnliche Figuren auf, beispielsweise liest Jesahja aus „Liliane Susewind“ in der fünften Klasse schon Goethe – wieso ist das so?
Ich schreibe gerne über Außenseiter. Als Kind habe ich das Gefühl gehabt, irgendwie ein schräger Vogel zu sein. Das Außenseiter-Sein kommt in allen meinen Büchern vor. Dass jemand nicht so richtig reinpasst und versucht, seinen Platz zu finden – meist über den Weg, dass er oder sie Gleichgesinnte findet und sich dadurch mehr „zu Hause“ fühlt. Davon habe ich als Kind und als Jugendliche immer geträumt: dass ich einen Freundeskreis habe, in dem alle ein bisschen anders sind, das aber auch sein können und so akzeptiert werden, wie sie sind. Aus diesem Wunsch sind viele meiner Bücher entstanden.

Zu guter Letzt: Was ist das absolut Beste daran, Kinderbuchautorin zu sein?
Ich glaube, jede Figur, die man beim Schreiben erschafft, ist irgendwo ein Stück von einem selbst – auch die nicht ganz so netten. Schreiben ist immer auch ein Stück weit eine Therapie. Und mir macht es so viel Spaß, diese Geschichten aufzuschreiben. Wenn ich dann noch Leute mit meinen Geschichten inspiriere, umso besser! Was gibt es Schöneres, als anderen mit etwas Freude zu bereiten, das einem selbst Spaß macht? Das ist mein absoluter Traumberuf, ich könnte mir für mich tatsächlich nichts Besseres vorstellen.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.