Interview

Audio88 & Yassin im Interview zu ihrem neuen Album „Todesliste“

Die Rapper Audio88 & Yassin

Audio88 & Yassin sind zwei Deutschrapper, die sich selbst als Kult-Band bezeichnen. Nach fünf Jahren Wartezeit, die durch Soloalben verkürzt wurde, wurde nun ihr gemeinsames Album „Todesliste“ veröffentlicht. Auf 13 Songs schießen die beiden in altbekannter Manier gegen ihre Deutschrap-Kollegen und zeigen mit bissigen Texten klare Haltung gegen den Rechtsruck in Deutschland. Wir haben vor dem Albumrelease mit ihnen über gesellschaftliche Verantwortung, Schuldgefühle im Deutschrap und ihren Weg zum absoluten Kultstatus gesprochen.
Knut Löbe, Funky-Jugenreporter
Bildergebnis für cover todesliste
Todesliste ist am 12. Februar über Normale Musik erschienen

Im Vorfeld von „Todesliste“ war auf Twitter zu lesen, dass ihr mit einer Promo-Phase über Boss Hoss und Friedrich Merz in die Top 10 kommen wollt. Wie kann man das verstehen? Audio88: Ich habe mich wochenlang über Friedrich Merz und Boss Hoss lustig gemacht. Das war eigentlich der einzige Content auf meinem Twitterprofil, und das ist ja Bestandteil der Promo-Phase. Ich hoffe, dass ich es mit diesem Content geschafft habe, mit unserem Album in die Top 10 zu kommen. Mein Twitterfeed war erstaunlich viel Thema in dieser Promo-Phase. Oft mehr als die eigentlichen Texte.

Eine Singleauskopplung war der Song „Schlechtes Gewissen“. Wofür sollten andere Deutschrapper eurer Meinung nach Schuldgefühle haben?
Audio88: Für ihre Musik. Sowohl inhaltlich als auch musikalisch. Die Musik der anderen ist ein sehr breites Feld. Da gibts auf jeden Fall jede Menge Grund für Schamgefühle.

Beschäftigt ihr euch denn mit dem, was in der Deutschrapszene so passiert?
Yassin: Ich folge schon noch ein paar anderen Leuten auf Instagram, deren Musik ich jetzt nicht höre, die ich aber irgendwie unterhaltsam finde. Aber es sind nur noch wenige. Die Rapmedien habe ich bis auf ein oder zwei alle de-abonniert, weil es mir irgendwann auf den Keks ging, dass dauernd thematisiert wurde, wer jetzt wen in irgendeiner Instagram-Story verlinkt hat. Das, was abseits der Musik passiert, fanden wir lange sehr unterhaltsam. Bis man halt geschnallt hat, dass der meiste Beef zu Beginn der Promophase angefangen wird. Boulevard um des Boulevard willen wird dann auch irgendwann langweilig.

Auf dem Song „WUP“ rappt ihr über die Privilegien des weißen Mannes in unserer Gesellschaft. Habt ihr das Gefühl, es wird sich im Kosmos Deutschrap immer mehr mit der eigenen Rolle befasst?
Yassin: Ich habe nicht den Eindruck, dass es momentan Thema ist, Rap aufklärerisch neu zu gestalten. Davon ist Deutschrap glaube ich noch weit entfernt. Klar ist, dass wir uns in einer Nische vom Deutschrap bewegen, wo besonders genau hingehört wird. Die Leute, die uns hören, beschäftigen sich mit den Thematiken. Das schafft auch bei uns ein anderes Bewusstsein, nicht nur, weil man einer anderer Kontrolle unterliegt, sondern auch, weil man weiß, dass man anderen Leuten mit den eigenen Worten schaden kann. Wir hinterfragen das, was wir machen, heute mehr als noch vor 10 Jahren. Ich denke, das hat allerdings mehr mit persönlicher Entwicklung zu tun, als mit dem, was im Rap passiert.

„Es liegt auf jeden Fall nicht nur an den Rappern, dass Ruder rumzureißen. Es wäre cool, wenn da alle mithelfen.“

Audio88 über gesellschaftliche Verantwortung gegen den Rechtsruck

Auf „Todesliste“ geht es um die Gefahr rechter Netzwerke und das gesellschaftliche Wegschauen. In einem Interview zu eurem letzten Album „Halleluja“ habt ihr gesagt, dass man mit Musik Stellung beziehen kann, daraus aber keine Verpflichtung oder Verantwortung erwächst. Würdet ihr das heute immer noch sagen?
Audio88: Ich hab das vor fünf Jahren gesagt, und ich denke das auch heute noch. Bei vielen Musikerkollegen wäre es besser, wenn sie die Klappe halten und sich nicht äußern. Es ist ja nicht so, als würde mit jeder Äußerung auch eine aufgeklärte Empörung entstehen. Viele Musiker und Rapper tragen bereits ihre Meinung nach außen. Da geht es aber halt auch mal um Dinge wie wer die Pyramiden wirklich gebaut hat. Wenn es da schon in so eine Richtung gehen kann, sollte zu anderen Themen vielleicht besser geschwiegen werden.

Yassin: Ich hab eine Zeile auf dem Album, die genau diesen Vorwurf macht: „Wer schweigt, gibt recht“. Aber natürlich sehe ich das ansonsten auch so wie Audio88. Es geht mir persönlich besonders darum, dass gerade die Rapszene von einer Kultur profitiert, die sich angeeignet und dann kapitalisiert wurde. Wenn jemand dann bei einer Bewegung wie „Black Lives Matter“ meint, er habe jetzt mal kurz Pause von dieser Verantwortung, dann ist das in meinen Augen völliger Quatsch. Hier geht es mir um Verantwortung, die jeder Mensch in dieser Gesellschaft trägt. In der Musik selbst politisch zu werden, ist für mich eine Möglichkeit und ein Privileg – ebenso wie ich die große Reichweite von manchen Künstlern als Privileg sehe. Dass daraus jetzt direkt eine Verpflichtung entwächst, sehe ich allerdings nicht so.

Also würdet ihr eher sagen, dass es sich um eine Verantwortung für die gesamte Gesellschaft handelt?
Yassin: Genau!

Audio88: Es liegt auf jeden Fall nicht nur an den Rappern, das Ruder rumzureißen. Es wäre cool, wenn da alle mithelfen.

„Wer möchte, kann sich diesem Diskurs sehr einfach entziehen. Ich tue das aber nicht, und deshalb nimmt es auf jeden Fall Einfluss auf meine Musik.“

Yassin über Diskussionen auf Sozialen Netzwerken

In Kommentarspalten auf Sozialen Netzwerken kann man euch hin und wieder in Diskussionen mit anderen User*innen beobachten. Im Internet wird man im Vergleich zum eigenen Umfeld sehr viel schneller mit konträren Meinungen konfrontiert. Dient euch der Diskurs im Netz als direkte Inspiration für eure Texte?
Yassin: Alles, was ich sehe, nimmt irgendwie Einfluss auf meine Texte. Bei sozialen Medien ist das Problem, mit dem wir uns auf dem Album besonders auseinandersetzten, deutlich präsenter, als wenn ich mich beispielsweise im Alltag mit meiner Familie unterhalte. Da müssen wir uns nicht jedes Mal positionieren, weil klar ist, auf welcher Seite wir stehen. Es ist nicht so, dass ich explizit sagen könnte, ich habe mich schon mal so krass aufgeregt, über diesen einen Scheiß-Kommentar, dass ich da jetzt einen Text daraus gemacht hätte. Die Wortlaute, die Argumentationen und der rechte Sprachgebrauch fließen aber natürlich sehr stark mit ein. Wer möchte, kann sich diesem Diskurs sehr einfach entziehen. Ich tue das aber nicht, und deshalb nimmt es auf jeden Fall Einfluss auf meine Musik.

Audio88: Bei mir ist es unterschiedlich. Natürlich habe ich schon das eine oder andere Mal mit Menschen auf Sozialen Netzwerken diskutiert, aber ich suche nicht gezielt nach der Diskussion.

Stichwort Inspiration: Ihr habt seit mehreren Jahren einen sehr gleichen Kreis an Produzenten, wie Farhot, Dexter oder Bazzazian um euch herum. Wie läuft eure Zusammenarbeit ab?
Audio88: Mit Bazzazian haben wir auf dem Album tatsächlich zum ersten Mal zusammengearbeitet. Das war für uns auch eine große Ehre. Die Songs sind alle über einen längeren Zeitraum entstanden, viele sogar noch vor der Corona-Zeit. Da waren noch richtige Sessions im Studio möglich. Insgesamt ist kein Song zur selben Zeit entstanden. Manche haben wir während Corona zusammen über Zoom geschrieben, andere haben wir mit den Produzenten in einem Raum von Null an produziert und wieder andere wir haben einfach nur als Beat-Ordner zugeschickt bekommen. Für einen Song hatten wir beispielsweise eine Skizze, waren aber mit dem Beat nicht zufrieden, also hat jemand einen anderen Beat unter unsere bereits aufgenommenen Stimmen gelegt. Da haben dieses Mal ganz viele Wege nach Rom geführt.

Für die Tour zu eurem letzten Album „Halleluja“ seid ihr als Priester verkleidet auf die Bühne gekommen. Für November ist passend zum Album die „Tour des Todes“ geplant. Habt ihr schon Ideen für die Gestaltung der Live-Shows?
Yassin: Eigentlich nicht. So weit wollen wir momentan auch nicht gehen mit unseren Gedanken, weil es einfach so weit in der Zukunft liegt. Pläne zu schmieden, die eventuell wieder gekippt werden, ist Arbeit und Zeit, die wir woanders besser investieren können. Wir werden auf jeden Fall wieder eine geile Liveshow machen, aber ob wir uns dafür wieder verkleiden, weiß ich nicht. Wir haben bei unseren Alben und auch bei unseren Liveshows mittlerweile sehr hohe Ansprüche und holen das Maximum raus. Das werden wir auch dieses Mal so machen!

Ihr bezeichnet euch bereits als Kult-Band. Mit Blick in die Zukunft: Habt ihr ein Szenario im Kopf, wie ihr den absoluten Kultstatus erreichen könntet?
Audio88: Zum einen wäre es gut, wenn es irgendwann mal eine Trennung gäbe, so wie bei Tic-Tac Toe, mit Pressekonferenz und großer Versöhnungsplatte im Anschluss. Ich glaube, spätestens dann haben wir diesen Status einzementiert

Ein bisschen wie beim Beef von Sido und Bushido damals?
Audio88: Genau, und die ganze Story wird nochmal von vorne erzählt. Wie wir uns kennengelernt haben und wie das so war, in der Ausbildung zum Maler und Lackierer. Und nach dem Album gibt es dann direkt wieder Sticheleien in anderen Feature-Parts und ein paar Tweets, die dann schnell wieder gelöscht werden. Irgendwie sowas in die Richtung.

Yassin: Wir müssten natürlich auch noch Gerüchte streuen über den jeweils anderen und dürften uns nur noch vor den Kameras gut verstehen.

Audio88: Da haben wir aber noch sehr viel Spielraum. Bisher läuft es zumindest nach außen bei uns zu harmonisch ab. Jede Kult-Band braucht mindestens eine Trennung oder einen Toten.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.