Interview

Singer-Songwriterin Lea Meller: „Meine besten Songs habe ich in einer halben Stunde geschrieben“

Sie zog extra für die Musik aus ihrer Heimatstadt Hamburg nach Berlin – und bereut die Entscheidung keine Minute lang. Lea Meller (20) wurde für ihren Song „Grau“ bei dem Musik-Wettbewerb „Treffen junge Musik-Szene“ ausgezeichnet. Im Interview spricht die Neu-Berlinerin über den Kreativ-Druck und zu gutes Feedback.
Yasina Hipp, funky-Jugendreporterin

Lea, wie bist du zur Musik gekommen?
Das ging früh los. Ich hatte schon im Alter von sieben Jahren klassischen Klavierunterricht und habe auch mal die afrikanische Trommel gespielt. Mit elf Jahren habe ich das Singen für mich entdeckt und seitdem immer Musik gemacht und Texte geschrieben. Irgendwann war mir klar, dass ich das beruflich machen und dafür nach Berlin ziehen möchte.

Wie hast du Umzugs-Zeit erlebt?
Nach dem Abi war ich ein halbes Jahr auf Reisen und habe danach überlegt, was ich machen will. Ich wollte gerne Popmusik studieren. Aber das hat sich irgendwie nicht richtig angefühlt. Ich bin nicht damit klargekommen, dass es da ein klares Raster gab, wie die Stimme und das Songwriting sein müssen. Deswegen versuche ich es nun auf meinem eigenen Weg. Aktuell bin ich aber auch noch an einer Studienvorbereitung beteiligt, das ist ein cooles Mittelding: Ich habe meine Dozenten und das kreative Umfeld, aber gleichzeitig viel Spielraum, um an eigenen Sachen zu arbeiten.

Hast du noch Lampenfieber, bevor du eine Bühne betrittst?
Nein, aber das hatte ich auch nie, als ich jünger war. Ich bin bei anderen Situationen im Leben unnötigerweise nervös. Aber wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich entspannt. Natürlich auch ein bisschen aufgeregt, aber das ist auch in Ordnung.

Wenn ich etwas habe, was ich inspirierend finde, spiele ich mir das mehrmals vor und schaue, an was mich das erinnert.

Lea Meller über ihre Art des Songwritings

Hast du vor deinen Auftritten ein Ritual?
Ganz wichtig ist es mir, mein Handy auszumachen. Sobald ich die Location betrete, schalte ich es auf Flugmodus und lasse mich durch nichts mehr ablenken. In letzter Zeit habe ich angefangen, mir noch einmal bewusst zu machen, was ich mit meinen Songs vermitteln möchte, was ich dabei fühle. Ich habe nämlich gemerkt, dass man manchmal das Gefühl vergisst, weil alles schon eingespielt ist.

Wie schreibst du deine Texte?
Früher hatte ich in ein Notizbuch, in das ich wie in ein Tagebuch schrieb. Jetzt schreibe ich die Ideen in mein Handy, wann immer ich eine habe. Das ist eine Art Impuls. Ich sehe zum Beispiel in der U-Bahn etwas und schreibe mir Schlagwörter dazu auf. Ich weiß dann sofort, was ich damit verbinde. Monate später entsteht aus diesen Kleinigkeiten dann ein Text. Das Schreiben kann etwas dauern, aber ich würde sagen: Meine besten Songs habe ich in einer halben Stunde geschrieben.

Was ist zuerst da: Melodie oder Text?
Das ist unterschiedlich. Die Texte habe ich ja meistens in meinem Handy stehen. Dann setze ich mich ans Klavier oder an die Gitarre und spiele ein bisschen vor mich hin. Wenn ich etwas habe, was ich inspirierend finde, spiele ich mir das mehrmals vor und schaue, an was mich das erinnert. Manchmal gibt es schon einen passenden Text und die Melodie kommt intuitiv dazu. Aber ich brauche zuerst einen Klang, der mich inspiriert.

Beim „Treffen junge Musik-Szene“ der Berliner Festspiele wurdest du für deinen Song „Grau“ mit einem Preis ausgezeichnet. In „Grau“ geht es um Zerrissenheit und die Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen. Entstand der Text aus einem bestimmten Gefühl oder einer bestimmten Situation heraus?
„Grau“ war tatsächlich so ein 20-Minuten-Song, der fast aus Versehen entstanden ist. Ich saß in meinem Zimmer auf dem Boden und spielte Gitarre. Der Song kam aus mir heraus und war das, was ich zu dem Zeitpunkt krass gefühlt habe. Das war, als ich nach Berlin gezogen bin. Ich war glücklich aber gleichzeitig gedanklich bei vielen anderen Sachen. Ich war mit dem Kopf noch in Hamburg und in Berlin war alles noch so neu. Das war so ein generelles Gefühl: Ich wusste einerseits schon, wo ich stehe, aber irgendwie auch überhaupt nicht.

Wie war es, von der Jury ausgewählt zu werden?
Ich habe mich total gefreut, weil ich da gerne dabei sein wollte. Es sollte ja eigentlich alles ganz anders stattfinden: zusammen jammen, einander kennenlernen und mit den Dozierenden arbeiten. Das war schon schade, dass alles online stattfand, aber wir haben trotzdem das Beste herausgeholt. Aber ich muss sagen, dass das Livestream-Konzert für mich frustrierend war. Mir hat einfach sehr die Konzert-Atmosphäre gefehlt. Ich weiß natürlich, dass es nicht anders geht. Aber ich finde auch, dass in den Livestream-Konzerten allgemein mehr Potenzial steckt. Ich glaube es könnte eine coole Sache sein, aber es fehlt noch der richtige Weg, um es cool umzusetzen.

Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
Ich habe viel aufgenommen und werde nächstes Jahr wahrscheinlich eine EP oder ein Album herausbringen. Darauf arbeite ich die ganze Zeit hin. Ich will eigentlich, dass es schneller geht, aber ich glaube, beim ersten Release sollte man sich auch Zeit nehmen. Im Sommer hoffe ich, viele Konzerte mit dem Album spielen zu können. Ich werde aber auf jeden Fall Musik machen, daran führt kein Weg vorbei.

Hast du dann während der Album-Produktion manchmal Angst, dass du nicht abliefern kannst?
Ja, ganz doll. Ich habe mir angewöhnt, mich jeden Tag hinzusetzen um an etwas zu arbeiten. Dabei denke ich mir, dass ein Mensch eigentlich nicht jeden Tag kreativ sein kann. Ich zweifele zwar nicht direkt an mir, aber wenn ich mal ein paar Tage keine Idee habe, denke ich mir: Jetzt sollte aber so langsam mal wieder etwas kommen. Ich kenne auch niemanden, der sich deswegen keinen Kopf macht. Sogar große und erfahrene Künstler stehen ja unter Druck. Vor allem, wenn sie schon ein Album herausgebracht haben, da liegt die Messlatte noch höher.

Was liebst du am Musik machen am meisten?
Vieles. Wenn ich so einen Text geschrieben habe wie „Grau“, den ich zu Einhundert Prozent gefühlt habe, dann kommen krasse Emotionen hoch. Ich könnte gleichzeitig heulen, lachen und schreien. Das ist eine Gefühls-Achterbahn, das ist unbeschreiblich. Songs, die einem selbst gefallen und die man authentisch herüberbringen kann, gefallen dann auch anderen Leuten am besten.

Wie gefällt deine Musik deinen Eltern und deinen Freunden?
Meine Eltern finden alles ganz toll. Das ist aber gleichzeitig ein bisschen schwierig. Egal, was ich ihnen zeige und wobei ich um Rat frage, sie finden alles gut. Bei meinen Nicht-Musiker-Freunden ist es ähnlich. Aber es gibt auch immer wieder Leute, die fragen: Das willst du beruflich machen? Mit was willst du dann dein Geld verdienen? Die Mehrheit freut sich aber und spricht mir auch sehr zu.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.