Eine Telefonleitung zum Sorgen loswerden

Pünktlich zum Semesterstart ereilt Deutschland die zweite Corona-Welle und damit auch ein erneuter Lockdown. Wer gerade frisch mit dem Studium angefangen hat, wird dieses Jahr weder seine neuen Kommilitonen noch die Dozenten im echten Leben kennenlernen. Und sich mit mehreren Freunden treffen, gemeinsam essen gehen oder gar Partys feiern fällt natürlich für eine Weile ebenfalls flach. Da kann man schon mal frustriert sein und sich einsam fühlen. Beim Berliner Zuhörertelefon der „Nightline“ – einem Angebot von Studierenden für Studierende – kann man nun jedoch seine Ängste und Sorgen loswerden.
Yasina Hipp, funky-Jugendreporterin

Dienstags und donnerstags von 20:30 Uhr bis 24 Uhr sind die Zuhörer der Nightline im Einsatz. Emma (25) saß selbst schon an der Strippe, hörte sich Sorgen, Probleme und Ängste an und versuchte gemeinsam mit den Anrufern eine Lösung zu finden. Derzeit macht die Psychologie-Studentin ein Auslandsemester und kümmert sich mehr um Organisatorisches. Trotzdem will Emma – ihr Name ist geändert – anonym bleiben: „Anonymität ist das allerwichtigste bei uns. Wenn wir das nicht garantieren können, würde wahrscheinlich niemand mehr anrufen.“

Die Berliner Nightline gibt es seit einem Jahr, weitere Ableger gibt es bereits seit längerem in ganz Deutschland. Das Team ist in einem Verein organisiert und finanziert sich momentan über Gelder der Humboldt-Uni. Über Zuwachs freut sich das bestehende Team immer. „Wir wollen ein buntes, heterogenes Team sein und um mitmachen zu können, muss man natürlich kein Psychologie-Student sein“, sagt Emma. Generell sei etwas Kenntnis der menschlichen Psyche zwar von Vorteil – aber keine Voraussetzung.

Neue und auch erprobte Zuhörer durchlaufen immer wieder Schulungen zu Kommunikation, Gesprächsführung und aktivem Zuhören. Wenn das Telefon klingelt, sollte man schließlich gewappnet sein und wirklich helfen können. Denn nach dem Abheben kommen die unterschiedlichsten Dinge auf einen zu, wie Emma aus eigener Erfahrung weiß: Druck im Studium, Prüfungsangst, Probleme mit der Familie oder in der Beziehung, Einsamkeit in einer neuen Stadt oder psychische Probleme – all dies können Gründe für ein Griff zum Telefon sein. Das Nightline-Team betont aber, dass die Studierenden und jungen Menschen mit jedem Anliegen anrufen können. Einen Katalog mit geeigneten und ungeeigneten Problemen oder Ängsten gibt es nicht.

Wir haben immer ein offenes Ohr für euch. Ihr sollt keine Scheu haben bei uns anzurufen, egal wie groß oder klein euch euer Anliegen erscheint.

Emma aus dem Nightline-Team ermutigt zum Griff zum Telefon.

„Wir versuchen dann im Gespräch durch aufmerksames Zuhören Nachfragen zu stellen, Empathie zu zeigen, um das Anliegen vollumfänglich zu verstehen. Dann kann gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden“, erklärt Emma. Die liegt dann im Gespräch und der Unterstützung, wobei die Zuhörer keine Ratschlag-Geber sein wollen. Hin und wieder geben die Zuhörer ihren Anrufern auch den Hinweis auf weitere Angebote wie die Telefonseelsorge oder psychiatrische Beratungsstellen. „Es ist vor allem am Anfang schon eine große Herausforderung, aber man wächst in die Aufgabe hinein. Wir unterstützen uns gegenseitig und sprechen regelmäßig über die Erfahrungen am Telefonhörer“, sagt Emma.

Sie habe das Gefühl, dass während der Corona-Zeit, sowohl im Frühling als auch jetzt, die Leitung stärker genutzt wird: „Die Studierenden sind vielleicht einsamer, als sie es sonst sind, haben Heimweh oder Zukunftssorgen. Gerade auch für diejenigen, die extra zum Studieren hergezogen sind, ist die Situation nicht einfach.“ Da die Nightline in Berlin erst seit Oktober 2019 besteht, sind aber keine verlässlichen Aussagen möglich, ob der Anstieg durch Corona wirklich signifikant ist.

Für die Nightline Berlin wünscht sich Emma noch mehr Bekanntheit und Aufmerksamkeit. Die Social-Media-Präsenz sei zwar gut, reiche aber noch nicht aus. Im Gegensatz zu offiziellen Beratungsangeboten, zum Beispiel denen der Universitäten, sieht die 25-Jährige in der Niedrigschwelligkeit der Nightline den großen Vorteil. Zum einen durch die Anonymität und zum anderen durch das auf Augenhöhe-Sein. Die Anrufer können ihre Sorgen mit Personen in einem ähnlichen Alter teilen, ohne Angst zu haben, auf Unverständnis zu treffen. Emma appelliert: „Wir haben immer ein offenes Ohr für euch. Ihr sollt keine Scheu haben bei uns anzurufen, egal wie groß oder klein euch euer Anliegen erscheint.“

Solltet ihr mal ein offenes Ohr zum Quatschen und Sorgen loswerden brauchen, erreicht ihr Emma und ihr Team der Berliner Nightline jeden Dienstag und Donnerstag von 20.30 bis 24 Uhr unter der 030 2093 70666.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.