Interview

The Screenshots: „Wir sind eine Mainstream-Rockband“

The Screenshots Bandportrait
Die bekennende Mainstream-Rockband „The Screenshots“, bestehend aus dem Krefelder Twitter-Trio Dax Werner, Susi Bumms und Kurt Prödel, hat ganz klar Legendencharakter. Durch ihre Einstellung „Einfach mal machen“ schaffen sie ein neuartiges musikalisches Terrain, wo satirische Texte auf harsche Gitarrenklänge treffen. Schon jetzt haben sich Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf als bekennende Fans des Trios geoutet. Am 16. Oktober erschien das neueste Album „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“. Im Interview sprechen sie über den realistischen Anspruch des Albumtitels sowie die Geschichte hinter dem Bandprojekt.
Laura Wilks, funky-Jugendreporterin

Wie kam es zur Gründung der Band?
Kurt:
 Wir kennen uns durch Twitter. Dax hatte bei einem Livestream Gitarre gespielt. Dass Susi Bass spielt, wusste ich. Ich spiele Schlagzeug und dachte mir: Komm, wir gründen einfach mal eine Band. Das war in einer „Ich hab Bock, ’ne Band zu haben“-Phase. Daraufhin habe ich die beiden einfach angeschrieben. Wir haben uns dann 48 Stunden nach dieser zündenden Idee getroffen. Geprobt wurde dann zwei Mal vier Stunden und das erste Album wurde direkt danach aufgenommen. An dem Punkt, als wir im Studio waren, sind wir uns das dritte Mal begegnet.

Die Band entstand aus einer Kurzschlussidee. Hättet ihr gedacht, dass eure Musik so gut ankommt?
Susi:
 Null Komma null. Wir waren davor alle nicht in der Musikwelt unterwegs und haben uns total gefreut, dass Leute uns live sehen wollen. 
Dax: Man könnte theoretisch auch sagen – auch wenn es wieder nicht ganz stimmt und übertrieben ist –, die Band hat erst richtig angefangen, als wir live gespielt haben. Davor spielten wir die Medienrampe aus: Wir sind drei Avatare und man weiß nicht, wie sie aussehen. Von dem Moment an, als wir live spielten, fühlte es sich echter und mehr nach Rock an. 
Kurt: Klar überlegt man vor der Veröffentlichung, wie die Reaktionen sein könnten. Am meisten verwundert hat mich, wie Dax schon sagte, dass uns Leute live sehen wollten. Ich habe nicht ernsthaft damit gerechnet, dass jemand sich Schuhe anzieht, über die Straße geht und sich das anhört. 

Was war die Intention hinter der Bandgründung? Wollt ihr wirklich die zwei Millionen knacken?
Susi:
 Zwei Millionen ist das Ziel für das aktuelle Album. Die Idee ist, dass wir in die Charts kommen und das Album zwei Millionen Umsatz abwirft. Jedoch war das nicht das Ziel beim Gründen der Band. 

Weshalb seid ihr anfangs anonym aufgetreten?
Dax:
 Eigentlich haben wir da auch schon mit einem gewissen Marketingstunt gearbeitet. Wenn man über eine Band schreibt, muss man ja argumentieren können, warum man ausgerechnet über diese eine Band schreiben will. Man braucht eine gewisse Perspektive. Da haben wir uns gedacht, wenn wir anonym bleiben, ist es eine superspannende Story für 50-jährige Redakteure. 
Kurt: So im Gegensatz zum Popstar.
Dax: Wir haben die ersten paar Wochen gut davon gelebt, eigentlich war es ein einfacher medialer Pass. Das gab es ja auch schon tausendmal, aber dann eben ein paar Monate nicht mehr und dann kamen wir!

In welches Genre würdet ihr euch einordnen?
Dax:
 Für mich ist das ganz einfach und konkret zu benennen: deutschsprachiger Indierock.
Kurt: Ich seh’s genauso, bis auf das Wort „Indie“. Es ist einfach Rock. Ich find das Wort „Indie“ problematisch, denn wenn du dich selbst im Voraus „Indie“ nennst, dann hast du nie an dein Produkt geglaubt. Es ist eine Art Entschuldigung für das Endprodukt. Wir sind eine Mainstream-Rockband. Ich möchte, dass unsere Lieder in zehn Jahren im OBI mitgesummt werden! 

Denkst du, das wird passieren? 
Kurt:
 Wahrscheinlich nicht, weil es dann kein OBI mehr geben wird.

Wer übernimmt in der Band welche Rolle?
Dax:
 Wir schreiben alles zusammen, es ist Teamwork. Jeder wirft zu gleichen Teilen Sachen rein und Sachen raus. 
Susi: Und es wird geguckt, wie die anderen darauf reagieren und was sich durchsetzt.
Dax: Genau, man wirft Zeilen und Ideen ein. Wenn es eine extreme Reaktion bei einer Zeile gibt, entweder eine freudige oder eine angewiderte, dann ist es ein sehr gutes Zeichen dafür, dass man auf einem guten Weg ist.
Kurt: Wir sind teilweise an der kreativen Entwicklung der Musikvideos beteiligt. Ich habe die Videos der etwas lustigeren Lieder gemacht, von „Die Welt geht unter“ und „Fußball ist cool“,„Snacks“ und „Träume“. 

Eure Musikvideos ähneln elementar den Videos anderer Interpreten. Zum Beispiel „Liebe Grüße an Alle“ erinnert an Bilderbuch-Videos. Außerdem grüßt ihr einen Maurice. Sind die Videos also als Hommage an die Interpreten zu verstehen?
Kurt:
 Bei Maurice geht’s um Maurice Summen vom Label Staatsakt, wo wir vorher waren. Wir hatten etwas unvorteilhaft per SMS Schluss gemacht. Danach hatten wir ein schlechtes Gefühl und weil wir Maurice total lieb haben, wollten wir ihn grüßen. Ich wusste jetzt auch nicht, dass der von Bilderbuch Maurice heißt. 

Die Themen eurer Texte sind teilweise sehr gesellschaftskritisch. In dem Lied „Träume“ wollt ihr durch ein positives „Work mindset“ die zwei Millionen knacken, und das mit „Christian-Lindner-Swag“. Was ist der Zweck dieser satirischen Aufmachung?
Kurt:
 Ich glaube, es ist nicht unbedingt aus einer satirischen Perspektive, manchmal, wenn wir stundenlang im Proberaum sind, stellen wir uns die Frage: Was ist, wenn wir eigentlich gerade recht haben? Wenn es stimmt, dass man an seine Träume glauben soll, sich Ziele setzen soll? Eben solche Sätze, bei denen man immer die Augen verdreht. Für uns ist es also eher ein Gedankenexperiment. 

Der Song „Träume“ glänzt durch allerlei urkomische Zeilen. Wer von euch kam auf „Elon Musk Powerranger“?
Kurt:
 Das war Dax. Er und ich haben ein großes Interesse an Erfolgspodcasts und dadurch eine unerschöpfliche Wortbibliothek, auf die wir zugreifen können.

Ich würde mir wünschen, dass Künstler sichtbarer werden und es mehr mit dem Kopf durch die Wand versuchen.

Kurt Prödel über die Probleme des aktuellen Musikmarktes.

Was für Podcasts hört ihr privat?
Dax:
 Ich höre sehr gerne „True Crime“-Podcasts. Manchmal habe ich richtig manische Phasen, in denen ich sehr viele hintereinander höre. 
Susi: Ich höre sehr gern Nicole Schöndorfer, „Darf sie das?“ Sie arbeitet aktuelle Themen aus einer antikapitalistischen, feministischen Perspektive auf.  

Würdet ihr etwas am aktuellen Musikmarkt ändern wollen? Wenn ja, inwiefern?
Kurt:
 Ich würde mich sehr freuen, wenn Bands und Künstler, die nicht den dominierenden Genres zuzuordnen sind, aktiver wären und ein bisschen mehr zu ihren Produkten stünden. Mit dem ganzen Understatement und den Reklameheftchen verkauft man nichts, es ist ermüdend. Ich würde mir wünschen, dass Künstler sichtbarer werden und es mehr mit dem Kopf durch die Wand versuchen, wie wir gerade. Vielleicht scheitern wir damit, aber dieses Probieren fehlt einfach auf dem Markt. 

Kurt, du bist ja unter anderem auch für deine artsy Musikvideoproduktion bekannt. Zu deinen Kunden zählt Moneyboy – ein Künstler, der das Motto „Mit dem Kopf durch die Wand“ lebt. 
Kurt:
 Ja, seine Videos spiegeln eine gewisse Lautheit wider. Es ist eine offensive Bildsprache und das spricht auch ein Publikum unter 65 an, was deutscher Gitarrenmusik auch guttun würde. Die Sachen sind auch unfassbar toll gealtert und werden rückblickend immer besser.

Was macht gute Musik für euch aus? 
Kurt:
 Mittlerweile höre ich die Musik gar nicht mehr, sondern guck bei Spotify nach den Mitwirkenden. Ich will sehen, wer es komponiert und produziert hat. Dann google ich: das Management, wer die Pressearbeit macht und das Label – also die Gesamtinfrastruktur eines Künstlers. Die Unternehmensbasis, die dahintersteht, und die Vermarktung finde ich mittlerweile sehr interessant. Gute Musik steht schon an erster Stelle, aber die Struktur zählt auch. 
Dax: Das Team zählt. Man muss sich aufeinander verlassen können, gute Ideen einbringen und merken, dass jeder es will. Seit ein paar Monaten nutze ich Instagram – auf meinem Kanal „Daxwerner“ – ein bisschen intensiver. Dadurch bin ich mehr in der Konsumentenrolle und muss sagen, am meisten coole Musik bekomme ich durch die Werbung zwischen den Storys mit. Ich laufe da scheinbar unter einem wahnsinnig guten Algorithmus. Wenn man die wirtschaftliche Seite als Indikator für gute Musik ausklammert, werte ich gute Musik nach dem Gefühl. 
Susi: Ich will da gar nicht so verkopft rangehen, also sage ich auch Gefühl.


Gibt es Interpreten, die als Inspiration für eure Musik dienen? 
Susi:
 Wir haben uns jetzt nicht zusammengesetzt und überlegt, welche Vorbilder wir haben.
Kurt: Ich glaube, hätten wir vor der ersten gemeinsamen Probe gewusst, welche Musik wir jeweils mögen, wären wir nicht zusammengekommen. Wir kannten uns davor ja kaum bis gar nicht. Was Dax oder auch Susi hört, habe ich erfahren, als wir zusammen im Tourbus saßen. Es war vorher nie ein Thema, und das ist auch gut so. Wir haben da, glaube ich, sehr unterschiedliche Einflüsse. 
Dax: Was uns drei vor dem Livespielen in Stimmung bringt, sind Sachen wie „Born In the USA“.
Kurt: Das sollte man privat nicht hören, aber es hat seinen kontextuellen Band-Stellenwert, auf welcher Ebene auch immer. 

Habt ihr einen persönlichen Favoriten unter euren Songs? 
Dax:
 Ja, ihr auch?
Susi: Ich finde, dass alle immer mal wieder was gewinnen und dann wieder verlieren. Wenn Sachen reifen, dann klingen sie plötzlich auch noch mal ganz anders. Es macht extrem viel Spaß, das neue Album zu spielen, weil wir am Ende nur noch brüllen. 
Kurt: Sind alle ganz okay.
Dax: „Manchmal“ ist ganz aktuell, heute, mein Lieblingssong. 
Kurt: Den Song vom neuen Album, den ich jetzt irgendwie übertrieben mag, ist „Snacks“. Ich habe das Gefühl, das ist – strategisch im Gesamtprodukt gedacht – einfach ein Song, der das, was wir machen, ziemlich komprimiert auf den Punkt bringt. Ich mag ihn auch, weil er unter zwei Minuten bleibt. Ich habe eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Es ist ziemlich klar, worum es da geht – ein Konflikt, den jeder kennt. 

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.