Zwei Wochen mit dem Steinzeithandy – ein Selbstversuch

Die Generation Z fürchtet dieses Szenario: Kein Smartphone. Offline sein. Unsere Autorin Alene hat genau das mal ausprobiert. Wie es ihr nach zwei Wochen wohl geht?
Alene Paulina Schnell, funky-Jugendreporterin

Bei einer täglichen Mediennutzung von zwei Stunden pro Tag hat man nach einer Woche schon einen ganzen Tag durch meist zielloses Surfen verschwendet. Von Filmen und anderen Unterhaltungskanälen mal ganz zu schweigen. Als ich mir das klarmache, merke ich schnell: Da muss sich was ändern. Kurzerhand verbanne ich mein Smartphone und den Fernseher für die nächsten zwei Wochen aus meinem Dunstkreis. Und begebe mich damit das wohl gefürchtetste Szenario meiner Generation: offline sein.

Als ich dann im Elektroladen vor den Tastenhandys stehe, komme ich mir zwischen der ganzen Hightech ziemlich rückschrittlich vor. Dass einige Geräte als „Seniorenhandys“ beworben werden, macht das Ganze nicht besser. Schließlich entscheide ich mich aber für ein nicht mal zwölf Euro günstiges Modell und fahre gespannt nach Hause. Das Einrichten dauert keine fünf Minuten. SIM-Karte aus dem Smartphone raus und rein in den Steinzeitknochen. Doch so schnell der Umstieg auch geht, umso schwieriger wird der emotionale Abschied. Denn kurz bevor ich WhatsApp lösche, überkommt mich eine gewisse Panik: Was, wenn jemand mich zu der Party des Jahres einlädt und ich es verpasse? Eigentlich ziemlich unberechtigt, denn meistens werden wir weniger vermisst, als wir denken. Und verpassen noch viel weniger.

Nachdem das anfängliche Gefühl abgeebbt ist, erkenne ich zwei Dinge: Obwohl WhatsApp nun für mich unerreichbar ist, hat mein Unterbewusstsein davon noch nicht losgelassen. Den ersten Tag lang schwenken meine Gedanken immer noch zu den Messages der letzten Tage. Allerdings verspüre ich auch eine unbeschreibliche Freiheit. Keine Schulfragen werden mich meiner Gelassenheit berauben. Keine Termine müssen bestätigt, keine Fotos versendet werden.

Erste Euphorie durch mangelnde Reizüberflutung

Die ersten Tage meines Experimentes laufen dann erstaunlich gut. Ab und an möchte ich in den „Schickst du mir das Foto“-Modus verfallen, aber ansonsten vermisse ich gar nichts. Statt abends in den Tiefen meines digitalen Soziallebens zu versinken, habe ich nach den Hausaufgaben nichts zu tun. Also so rein gar nichts. Dass es so was noch gibt! Ratlos setze ich mich aufs Sofa und schaue aus dem Fenster. Dabei überkommt mich sowas wie Frieden. Ich bin einfach bei mir, für mich allein. Kurze Zeit später gehe ich so gelassen und entspannt wie lange nicht mehr ins Bett.

Nächster Tag. Erschöpft komme ich nach Hause und sofort zieht es mich ans Handy. Einfach alle Empfindungen übertönen. Doch weil das ja nicht geht, gebe ich mich wieder der Langeweile hin. Noch am gleichen Tag spüre ich etwas Erstaunliches: Ich fühle mich regeneriert. Als hätte ich einen Kurzurlaub gemacht. Und merke, wie schädlich Reizüberflutung sein kann.

Analog in der digitalen Welt – überraschend einsam

Als jedoch die anfängliche Euphorie schwindet, sehnt sich etwas in mir nach Abwechslung. Wie von einer höheren Kraft gelenkt, finde ich mich wenig später beim Surfen im Internet wieder. Ist ja kein Handy … So wird es mir wohl noch in vielen Momenten des Experimentes gehen. Aber auch andere negative Gefühle machen sich bemerkbar. Durch die mangelnde Ablenkung tauchen immer mehr bislang erfolgreich verdrängte Gedanken an der Oberfläche meines Bewusstseins auf. Wer bei sich ist, ist auch bei seinen Problemen. Wie bequem doch das Überspielen durch Instagram und Co. ist!

Außerdem wird mir klar: Das Sozialleben von Teenagern findet zu 50 Prozent online statt. Freundschaften werden gepflegt, Beziehungen begonnen – ohne die Apps fühlt man sich nur wie eine halbe Person. Ohne den schnellen Kontakt zur Außenwelt kann man sich rasch einsam und isoliert fühlen. Außerdem werde ich mit der Zeit traurig: Nirgendwo sehe ich gute Gespräche. In der Schule sind alle gestresst und in der Oberstufe findet kaum jemand Zeit für ein nettes Telefonat. Noch überflüssiger kommt mir plötzlich Instagram vor: Die Komplimente unter Posts fühlen sich wie Fastfood an. Im ersten Moment befriedigend, aber auf Dauer niemals erfüllend. Ich erkenne nun den Grund, wieso wir nie genug von Social Media bekommen können. Zudem wird jeder, der es ebenfalls mal gewagt hat, ohne das Smartphone aus dem Haus zu gehen, festgestellt haben: Digitales Rüstzeug ist überall. Die Menschen leben in den Geräten und gucken kaum noch hoch.

Effektiv genutzte Zeit und mehr Selbstvertrauen

Doch frei nach dem Motto „Gut, schlecht, wer weiß das schon?“ erkenne ich bald das Potenzial meiner Probleme. Die Emotionen, die mir anfänglich Unwohlsein bereiteten, konnte ich bald in Ruhe sein lassen. Tatsächlich hat sich auch mein Mindset verändert. Ich habe an Selbstvertrauen gewonnen und nehme meine Gefühle nun viel bewusster wahr. Ich habe endlich eine Probestunde beim Sport organisiert und das Aufräumen nicht mehr am späten Abend erledigt. Genauso ergaben sich spannende Kontakte. Durch mein Experiment geriet ich mit einer Jahrgangskollegin in ein unerwartetes, tolles Gespräch und erfahre: Immer mehr Menschen fühlen durch Smartphones eingeengt. Genauso berichten immer mehr FreundInnen, wie gut ihnen der gelegentliche Handyverzicht tut.

Anfänglich war mir außerdem das nicht ganz zu Unrecht als Seniorenhandy deklarierte Tastenhandy peinlich. Doch mit der Zeit fühlte ich mich irgendwie rebellisch und stark. Der wohl positivste Effekt jedoch war die freie Zeit. Von der hat man nämlich auf einmal eine Menge. So habe ich einen Städtetrip nach Berlin gemacht, anstatt den Tag auf YouTube zu vergammeln. Außerdem bin ich oft in den Wald gegangen und habe der Sonne beim Untergehen zugeschaut. Schönes Wetter fällt einem generell mehr auf, wenn man nicht an den Bildschirm gefesselt ist.

Nicht zu vergessen ist auch die plötzliche Kreativität. Ich war gelassener, entspannter und hatte deutlich öfter gute Ideen. Auch habe ich mich präsenter und lebendiger gefühlt. Zufriedener irgendwie auch, da kein permanenter Vergleich auf Instagram möglich war.

Versucht es doch selbst mal

Die Reaktionen auf meinen Versuch fielen unterschiedlich aus. Während einige mich begeistert unterstützten, kassierte ich auch verständnislose Kommentare. „Warum sollte ich auf etwas verzichten?“ oder „Wann schaltest du dein Handy endlich wieder an?“ Von den meisten aber hörte ich: „Das würde ich niemals schaffen!“

Insgesamt hat mir das Experiment viele Vorteile gebracht. Jedoch hat es vor allem eins getan: mir gezeigt, dass es so viel mehr gibt! Wer nicht stundenlang auf einen Bildschirm starrt, kann Abenteuer erleben. Magische Momente und wunderbare Begegnungen. Also worauf wartet ihr? Schaltet eure kleinen Monster aus, geht raus und fangt an zu leben.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.