Interview

Wochenend-Rapper Weekend: „Ich gebe überall meinen Senf dazu“

Der Wochenend-Rapper ist mittlerweile ziemlich gut ausgelastet und will trotzdem nichts dem Zufall überlassen, was seine Musik-Produktion angeht. Deutschrap-Interpret Weekend – mit bürgerlichem Namen Christoph Wiegand – steht vor dem Release seiner neuen Platte. Aber das ist längst nicht das Einzige, das in seinem momentanen Leben von hoher Priorität ist, wie er uns im Interview erklärt.
von Ronja Buchin, funky-Juendreporterin

Nach drei Jahren Musik-Pause ist er wieder da: Der deutsche Rapper Weekend veröffentlicht diese Woche sein drittes Studioalbum „Lightwolf“. Der heute 33-Jährige ist mittlerweile ein echtes Deutschrap-Urgestein. Bereits 2004 begann er mit dem Rappen, dann kam mit dem Sieg der 2011er VBT-Rapbattles der Durchbruch. Wir haben ihn kurz vor dem Release getroffen und zur neuen Platte und dem Spagat zwischen der Musikproduktion, der Arbeit als Sozialarbeiter und seinem Vaterglück befragt.

Wie fühlt man sich bei einem so kurz bevorstehenden Album-Release?
Momentan ist weder Platz für sentimentale Freudenausbrüche noch für Panikattacken, weil noch so viel zu tun ist. In dieser Woche haben wir die letzten zwei Musikvideos abgedreht und erst vor zwei Tagen haben wir das Mastertape abgegeben. Ich befinde mich also gerade noch in einer richtigen Lawine von Arbeit, bei der die Vorfreude auf den Release etwas auf der Strecke bleibt. Weil der Großteil jetzt abgearbeitet ist, wird sich das aber bestimmt nächste Woche ändern.

Du bist 2011 durch die VBT-Rapbattles bekannt geworden. Hättest du damals gedacht, dass du mal dein drittes Studioalbum unter deinem eigenen Label herausbringen würdest?
Nein. Hätte mir 2011 jemand erzählt, dass ich heute hier in Berlin sitze und Interviews zu meinem neuen Album geben darf, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Eine Karriere und Erfolg im Musikgeschäft sind im Grunde nicht wirklich planbar. Deshalb empfinde ich es als Privileg, mittlerweile zwei Generationen von Deutschrap überlebt zu haben und auch nach drei Jahren Pause wieder etwas Neues veröffentlichen zu können.

Wie kam es zum Entschluss, Chimperator zu verlassen und fortan unter eigenem Label zu produzieren?
Ich habe schon immer den Großteil meiner Produktionen selbst übernommen, auch, als ich noch bei einem großen Label war. Das liegt aber nicht daran, dass da jemand seinen Job nicht richtig gemacht hat, sondern daran, dass ich einfach schwer abgeben kann. Wenn es um meine eigene Musik geht, möchte ich einfach immer Teil der kreativen Verarbeitung sein. Ich habe nämlich überall meinen Senf dazuzugeben, egal ob Videoproduktion oder Covershooting. Dieses Verhalten habe ich über längere Zeit bei mir beobachtet und dann gemeinsam mit Chimperator beschlossen, dass ich das alles auch alleine stemmen kann. Schließlich muss ich niemanden für Arbeit bezahlen, die ich dann sowieso selbst übernehme.

Also würdest du dich in dieser Hinsicht als Arbeitstier bezeichnen?
Ich habe gerade nur mit meinem Produzenten zusammen eine ganze Platte erarbeitet, übernehme selbst den Job der Plattenfirma, habe jetzt sieben Video-Drehs hinter mir und eigentlich stecke ich gerade auch mitten im Umzug, arbeite nebenbei noch als Sozialarbeiter und bin Vater. Im Moment ist das Pensum also wirklich irre groß und nach dem Release werde ich mir definitiv mindestens zwei Wochen Auszeit gönnen. Was meine Musik angeht, bin ich also auf jeden Fall ein Arbeitstier. Aber ich weiß, dass ich dem in meinem Leben keine zu große Priorität geben darf und vor allem für die Zukunft ein Arrangement für mich finden muss.

Nun zum Album: Was hat es mit dem Namen „Lightwolf“ auf sich?
Der Gegensatz von Stärke und Schwäche spielt auf dem Album eine große Rolle. In unserer Gesellschaft herrscht ein unglaublicher Leistungsdruck und somit auch ein Anspruch auf das „Starksein“. Dabei müssen die meisten erst einmal lernen, mit so etwas umgehen zu können und ein entsprechendes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das beziehe ich auch auf mich selbst: Ich bin niemand, der mit einem Riesen-Ego und als Rampensau durch die Welt läuft, denn ich nehme mir Kritik an meiner Musik sehr zu Herzen. Deshalb war es ein harter Prozess, sich ein gewisses Selbstbewusstsein für das Bühnenleben anzueignen. Für mich fasst der Begriff „Lightwolf“ genau das zusammen: Ein Leitwolf muss im eigentlichen Sinne des Wortes stark und einflussreich sein, aber das Wortspiel mit dem englischen Adjektiv „Light“ (dt. leicht, hell) verdeutlicht die Schwäche und das Scheitern, das Teil jedes Entwicklungsprozesses ist.

In einigen deiner neuen Songs lässt du durchblicken, dass du nicht viel vom  maskulinen Ideal, aber viel von modernen, taffen Frauen hältst. Da siehst du die Dinge um einiges feministischer als deine Kollegen in der Deutschrap-Szene, oder?
Kann schon sein. Ich bin da einfach für Gleichberechtigung in allen Bereichen. Die Anspielungen in einigen Titeln des Albums sollen weniger prophetischer Feminismus, sondern viel eher unterschwellige Kritik am männlichen Ideal sein, mit dem ich schon immer meine Probleme hatte. Dieses Klischee von muskelbepackten, biersaufenden, Sprüche klopfenden Männern, unter denen immer Konkurrenzkampf herrscht – damit bin ich nie klargekommen. Und das spreche ich eben an manchen Stellen an. Solche Machtspielchen sind unnötig, egal, von welcher Seite sie ausgehen. Man sollte einfach jedem – ob Mann, Frau, divers, jung oder alt – auf Augenhöhe begegnen.

Der berührendste Track des Albums ist „Nono’s Song“. Sind dein Kind und das besungene Vaterglück wirklich der Grund dafür, dass du nach einer dreijährigen Pause wieder mit der Musikproduktion angefangen hast?
Also es hat auf jeden Fall mit reingespielt und mir Aufschwung gegeben. Ich hatte vorher eine Art Null-Bock-Phase, aber mit dem Beginn von etwas Neuem kam auch ein Energieschub, sodass ich wieder öfter ins Studio gegangen bin. Ich habe mich nach Nonos Geburt erst einmal in meine Vaterrolle gestürzt und im Endeffekt war diese Zeit mit meiner Familie kreativ sehr beflügelnd. Tatsächlich glaube ich rückblickend, dass mich erst das Leben mit meiner Tochter zum Nachdenken und Thematisieren der gesellschaftlichen Rollen von Frauen und Männern angeregt hat.

Zukunftsängste, Langeweile und Internet-Hate versus Vaterglück, Liebeserklärung und Selbstbewusstsein in der Deutschrapszene – wie hat sich diese Themenvielfalt ergeben?
Die Themenvielfalt war mir zwar nicht wirklich bewusst, aber es freut mich, dass du diesen Eindruck hast. Das ist nichts, wofür ich mich vorher entschieden habe. Mein Produzent und ich haben im Voraus nichts festgelegt, sondern an jedem Song einzeln gearbeitet, sobald wir Ideen hatten. Auch als schon zwölf Songs fertig waren, war nicht klar, worum es im dreizehnten Song gehen wird.   

Kannst du zum Schluss noch etwas zur für 2021 geplanten „Lightwolf“-Tour sagen?
Weil der Festival-Sommer dieses Jahr ausgefallen ist, freuen ich und mein Team uns extrem auf die Tour. Wegen der Umstände werden alle Songs erst auf der Tour ihre Premiere haben. Das heißt, dass wir uns vorher nicht live mit den Tracks ausprobieren können, also wird es eine interessante Angelegenheit. Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass „Lightwolf“ das bisher krasseste Album ist, was die Live-Performance angeht, weil die Songs alle sehr unterschiedlich, aber total bühnentauglich sind.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.