Interview

„Ein sehr erfüllender Beruf“: Zwei werdende Hebammen berichten

Der Beruf der Hebamme kommt nie aus der Mode: Kinder werden immer geboren.
Der Beruf der Hebamme kommt nie aus der Mode: Kinder werden immer geboren.
Sophie Klein wusste eine lange Zeit nicht, was sie später machen wollte. Nach der Schule arbeitete sie ein Jahr für eine große Hotelgruppe und fing danach an, Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft zu studieren. Aber es fühlte sich nicht richtig an. Arjanne Eden wollte mit fünf Jahren Bäuerin werden. Nach dem Abitur wusste sie nicht mehr, was sie wollte. Drei Jahre hat sie sich Zeit genommen, um zu reisen, babyzusitten und sich selbst besser kennenzulernen. Heute studieren beide Hebammenkunde an der Evangelischen Hochschule Berlin. Im Interview erzählen sie, was den Beruf so besonders macht und warum sie das Studium der Ausbildung vorgezogen haben.
Von Rosina Link, funky-Jugendreporterin

Hebamme ist einer der ältesten Berufe. Warum habt ihr euch für ihn entschieden?

Sophie: Es ist ein sehr positiver und erfüllender Beruf. Man sieht die Ergebnisse seiner Arbeit, ob das nun ein positives Geburtserlebnis für ein Paar ist oder eine Frau, die gut durch ihre Schwangerschaft und Wochenbettzeit begleitet wird. Schon jetzt als Studentin wird mir viel Dankbarkeit von den Familien entgegengebracht. Natürlich ist man immer wieder mit dem Schicksal konfrontiert, sieht auch viele Dinge im Krankenhaus, die schlecht laufen. Aber im Großen und Ganzen gehe ich meist mit einem sehr positiven Gefühl nach Hause.

Arjanne: Wir alle werden geboren. Es ist nicht egal, wie. Als Hebamme werde ich die Person sein, die die Menschen bei diesem einschneidenden, schönen und manchmal leider auch schrecklichen Lebensereignis begleitet. Es macht mich glücklich, wenn Familien entstehen oder größer werden und ich das Privileg habe, diesem Wunder immer wieder beizuwohnen. Außerdem ist Hebamme wohl einer der feministischsten Berufe überhaupt: Es geht im Grunde um die Rechte, Freiheiten und Kräfte von Frauen. Zu sehen und zu unterstützen, was eine Frau schafft, wenn sie ein Kind zur Welt bringt, das ist einzigartig.

Es gibt zwei Wege, um auf den Beruf der Hebamme vorbereitet zu werden: Ausbildung und Studium. Warum habt ihr euch für das Studium entschieden?
Sophie: Ich glaube, unter den aktuellen Bedingungen in Deutschland fällt es keiner Hebamme schwer, einen Job zu finden – egal, ob mit oder ohne Studium. Der Hebammenmangel in Deutschland ist groß. Mit dem Studium sehe ich aber für mich persönlich größere Chancen, eventuell mal im Ausland zu arbeiten oder später ein Masterstudium zu absolvieren.
Arjanne: Eine Hebamme wird nicht besser entlohnt oder mehr beachtet, wenn sie einen Bachelor hat. Dennoch glaube ich, dass es langfristig sehr wohl einen Unterschied macht. Studierte Hebammen haben die Möglichkeit, weiterzustudieren oder in die Forschung zu gehen. Hebammenwissenschaft ist ein weites Feld. Ich habe auch die Hoffnung, dass sich die Wertschätzung für den Beruf perspektivisch immer mehr in der Entlohnung widerspiegeln wird.

Empathie und Einfühlungsvermögen sind sehr wichtig. Zugleich sollte man lernen, die Dinge nicht zu nah an sich heranzulassen, um das eigene Wohlbefinden zu schützen.

Arjanne über die wichtigen Fähigki

Sollte öffentlich mehr über den Studiengang informiert werden?
Arjanne: Ja! Der Studiengang eröffnet dem Hebammenwesen ein ganz neues Feld der Wissenschaft und Forschung, das in Deutschland noch relativ neu und unbekannt ist.
Sophie: Ich glaube, es sollte allgemein mehr und aufwendiger über die sozialen Berufe der Pflege oder eben auch den der Hebamme informiert werden, um das Berufsbild zu verbessern und die wichtige Arbeit, die diese Menschen machen, zu thematisieren.

Was sind alles Lehrinhalte des Studiengangs?
Sophie: Es ist wirklich viel dabei: von rein naturwissenschaftlichen Fächern wie Anatomie und Epidemiologie über psychologische Fächer wie die Betreuung von Familien in Krisen bis hin zu Sozialforschung mit der Entwicklung eines eigenen Forschungsprojektes und Statistik. Ich mag die Mischung zwischen den Faktenfächern und den freieren, sozialen Themen. 
Arjanne: Schon als ich die Inhalte des Studiengangs auf der Website gelesen habe, war ich begeistert. Da werden Mikrobiologie, Krankenhaushygiene, evidenzbasierte Entscheidungsfindung, Schwangerenberatung, Geburtsmechanik, Gynäkologie und Neonatologie/Pädiatrie genannt. Ich bin sehr froh, an der Universität immer wieder wissenschaftlich und inhaltlich tiefgreifend arbeiten zu können und das Erarbeitete in die Praxis mitnehmen zu können – genauso umgekehrt.

Gibt es in eurem Jahrgang auch Studenten?
Sophie: Aktuell gibt es keinen männlichen Studenten bei uns, und auch in den vorherigen Jahrgängen gab es noch keinen. Das ist schade, aber es gibt nun mal immer noch sehr wenige männliche Hebammen in Deutschland. Das Berufsbild ist sehr weiblich konnotiert. Ich denke aber nicht, dass ein Mann diesen Beruf weniger gut ausüben kann.

Manche sind gegen die Akademisierung ursprünglicher Ausbildungsberufe. Wie steht ihr dazu?
Sophie: Das empfinde ich als Schwachsinn. Der Beruf der Hebamme wird ja nicht akademisiert, um ihn attraktiver zu machen, sondern um ihn an die aktuellen Anforderungen anzupassen. Hebammen, die eine Ausbildung gemacht haben, arbeiten auf dem gleichen Niveau und mit den gleichen Anforderungen. Die Umstellung auf den Hochschulweg war lange überfällig.
Arjanne: Tatsache ist, dass wir die Ausbildung und das Studium gleichzeitig absolvieren. Das braucht schon ganz schön viel Willen und Durchhaltevermögen und macht den Beruf selbst danach nicht unbedingt attraktiver.

Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sind für den Beruf der Hebamme am wichtigsten?
Arjanne: Empathie und Einfühlungsvermögen sind sehr wichtig. Zugleich sollte man lernen, die Dinge nicht zu nah an sich heranzulassen, um das eigene Wohlbefinden zu schützen. Außerdem Flexibilität, Spontanität und Kreativität, denn es läuft selten wie geplant. Und ganz wichtig: ein guter Umgang mit Stress.
Sophie: Man muss schon wissen, was auf einen zukommt. Auch der Schichtdienst ist zum Beispiel etwas, an das man sich gewöhnen muss.

Inwiefern ist euer Studium momentan von der Corona-Krise betroffen?
Sophie: Die Theoriephase findet aktuell nur online statt. Die Praxisphasen laufen aber bis auf wenige Einschränkungen genauso weiter wie bisher. Als jemand, der im Gesundheitswesen arbeitet, macht einem das schon mal Angst, auch in dieser Situation ganz normal arbeiten zu gehen und sich dem höheren Infektionsrisiko aussetzen zu müssen. Andererseits ist man im Krankenhaus durch spezielle Schutzmaßnahmen gut geschützt. Kinder werden immer geboren und Familien werden immer unsere Unterstützung brauchen, da kann es auch schön sein, normal arbeiten zu können, auch wenn die Welt kopfsteht.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.