Meinung

Aufregung um „Corona rettet die Welt“: Etwas mehr Gelassenheit, bitte!

Mit dem Satirevideo "Corona rettet die Welt" traf das Content-Netzwerk "funk" von ARD und ZDF einen empfindlichen Nerv.
Mit dem Satirevideo "Corona rettet die Welt" traf das Content-Netzwerk "funk" von ARD und ZDF einen empfindlichen Nerv.
Das neueste Werk des „Bohemian Browser Ballets“ um Satiriker Schlecky Silberstein sorgt dieser Tage für Aufruhr. Der funk-Channel generierte mit seinem neuesten Video „Corona rettet die Welt“ vom 11. März bisher nicht nur etwa 270.000 Klicks auf YouTube, sondern auch über 400 Beschwerden beim deutschen Presserat.
Von Moritz Tripp, funky-Jugendreporter

Auch unter dem Video trudeln nach wie vor kritische und meist beleidigende Kommentare ein. Konsens der Kritiker und Beschwerdeführer ist dabei, dass es sich bei dem zweiminütigen Clip um ein „menschenverachtendes Video“ handele.

Konkret geht es um die Aussage Silbersteins, das Coronavirus sei „fair“: „Es rafft die Alten dahin, aber die Jungen überstehen es nahezu mühelos. Das ist nur gerecht, immerhin hat die Generation 65+ diesen Planeten in den letzten 50 Jahren voll an die Wand gefahren.“ Thema das Clips ist im Allgemeinen, dass das Coronavirus die natürliche Antwort auf den Turbokapitalismus und die Lösung von Umweltproblemen und Überbevölkerung sei, ganz nach dem Motto: „Die Natur holt sich den Planeten zurück.“

Wie immer in der Netzwelt decken die kritischen Kommentare das gesamte Spektrum von „besonnen und reflektiert“ bis „inhaltslos und beleidigend“ ab. So wünschen viele Internetkrieger dem Satiriker Silberstein nun selbst ein baldiges Ende durch eine Corona-Infektion.

In der Folge sahen sich die öffentlich-rechtlichen – allen voran der rbb, der die Videos des Channels betreut – in der Pflicht, sich zu entschuldigen und zu rechtfertigen. Im offiziellen funk-Statement erklärt man das Video so: „Die Perspektive eines radikalen Umweltschützers wird satirisch-persiflierend eingenommen und dabei werden auch die Probleme einer solchen Position deutlich, die ja bis zum Ende gedacht zur Selbstabschaffung der Menschen führen müsste.“

Man hat hier einfach versucht, das Virus als Vorlage zu instrumentalisieren, um eine Art Doppelschlag zu landen.

Moritz zum Videoinhalt

Kritische Positionen auf überzeichnete Art und Weise einzunehmen, ist ein wiederkehrendes Stilmittel des „Bohemian Browser Ballets“. Das dürfte jeder bemerken, der sich ein paar der anderen Videos auf dem Channel ansieht. Tatsächlich wird vielen im Angesicht der Coronakrise scheinbar nicht klar, dass auch in diesem Fall weder Silberstein noch funk sprechen, wenn es im Video „Ja zu Corona!“ heißt. Man hat hier einfach versucht, das Virus als Vorlage zu instrumentalisieren, um eine Art Doppelschlag sowohl gegen realitätsferne, radikale Umweltschützer als auch gegen die gesamte Gesellschaft, die Umweltprobleme erst schafft, zu landen.

Hat man dabei die Grenzen dessen, was Satire darf, überschritten? Vielleicht ein bisschen. Die Macher des Videos hatten wohl nicht damit gerechnet, dass viele Zuschauer bei aller derzeit grassierenden Panikmache und (berechtigten) Sorge um die Großeltern höchst sensibel und eher extrem reagieren würden. Dafür ist die Krise einfach noch zu neu und akut, die Angst schlicht zu groß. Zum Vergleich: Es brauchte ja zum Beispiel auch einiges an Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, bis Nazi- und Hitlerpersiflagen salonfähig wurden.

„Corona rettet die Welt“ hat definitiv das Prädikat „geschmacklos“ verdient. Ehrlich gesagt ist es nicht einmal besonders witzig. Trotzdem wäre etwas mehr Gelassenheit auf Zuschauerseite angebracht: Denn dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nun zu unterstellen, er würde sich über den Tod alter Menschen freuen, ist mit Sicherheit weder gerecht noch gerechtfertigt. Und mal ehrlich: Würden die Seniorensender ARD und ZDF sich damit nicht ins eigene Bein schießen?

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.