Oma, erzähl mal – der Tag, an dem Deutschland kapitulierte

Die Oma von Autorin Teresa
Teresas Oma Annelise war elf als Englische Soldaten in ihren Ort vordrangen
Unsere Großeltern haben so viel erlebt, können so viel erzählen – lassen wir sie zu Wort kommen! Teresas Oma Annelise war elf als Englische Soldaten in ihren Ort vordrangen und jeder mit dem Schlimmsten rechnete …
Von Teresa Krall

Oma, erzählst du mir vom 8. Mai 1945, dem Tag, an dem die Nachricht kam, dass der Krieg vorbei sei?

„Nachdem wir ausgebombt waren, lebten wir zusammengewürfelt mit zehn anderen Evakuierten in einer alten Villa in Aumühle, einem kleinen, verträumten Ort im Sachsenwald. Es war ein wunderbarer Frühlingsmorgen im Mai 1945 und im Radio kam die Nachricht: ‚Deutschland hat kapituliert!‘ Alle waren froh, aber doch unsicher, was nun passieren würde. Mein Bruder schlich sich an diesem Morgen nach draußen, um sich in der Umgebung umzusehen, als er wieder hineinstürzte, erzählte er uns, dass die Soldaten auf dem Bauch die Straße hinunterkrochen. ‚Es sind Engländer!‘ Voller Schrecken verschlossen wir alle Türen und Fenster und harrten der Dinge, die nun kommen sollten. Einer unserer Mitbewohner bekam jedoch Panik und hatte nun vor rauszustürmen, um uns und ganz Deutschland mit seiner Panzerfaust zu verteidigen. Glücklicherweise wurde er von den Männern im Haus daran gehindert. Wir hatten große Mühe, diesen Menschen zu beruhigen und ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

30 Minuten voller Angst

Obwohl diese unfreiwillige Wohngemeinschaft sich nicht immer wohlgesonnen war, kein Wunder bei dem Mangel an Raum und Essen, waren wir uns in diesem Moment einig, ganz still zu sein, um dem Feind bloß keinen Grund zu geben, auf uns aufmerksam zu werden. Ich glaube, es waren etwa 30 Minuten, die wir versammelt ganz still im Parterre verbrachten – ängstlich. Diese halbe Stunde kam jedoch jedem vor wie eine Ewigkeit. Bis es an der Tür klopfte.

Jeder erstarrte vor Angst und die Erwachsenen, ich war damals erst elf, dachten sicherlich, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen. Ich verkroch mich hinter dem Sofa und lugte um die Ecke. Meine beherzte Mutter machte die Tür auf. Alles war verstummt. Vor unserer Tür standen drei oder vier junge englische Soldaten und du würdest im Leben nicht glauben, was sie letztendlich wollten …

Die Soldaten standen mit freundlichem Gesicht vor uns und der eine fragte: ‚Have you any eggs?‘ Eine Welle der Erleichterung erfasste uns.
Dieser Moment, bevor es an der Tür klopfte, gehört sicherlich zu den schlimmsten, die ich während der Kriegszeit erlebte. Aber zum Glück nimmt auch diese Geschichte ein gutes Ende.“

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.