Interview

„Unser Trademark ist positiver Populismus“

Katrin Micolaiczyk in einem Jersey von WhyEurope
Mit Memes in den sozialen Medien die Vorteile der EU erklären – das will der Verein WhyEurope. Katrin Mikolaiczyk erklärt im Interview, was positiver Populismus meint und warum sie für Europa ist.

Katrin Mikolaiczyk studiert den „Master of European Studies: Transnational and Global Perspectives“ in Leuven bei Brüssel. In ihrer Freizeit engagiert sich die 25-Jährige als erste Vorsitzende bei WhyEurope, einem Verein, der mit Memes Menschen die EU näherbringt.

Wie ist WhyEurope entstanden und warst du von Anfang an dabei?

Nein, ich war nicht mit dabei. Das Ganze ist nach dem Brexit-Referendum entstanden. Es war eine ganz fixe Idee von drei Freunden, die schockiert über das Ergebnis waren, besonders aber über die Tatsache, dass so viele junge Menschen so ein proeuropäisches Bauchgefühl haben, aber letztendlich sehr wenig davon nur wählen gegangen sind. Sie haben das reflektiert und festgestellt, dass das bei ihnen ähnlich ist. Sie wissen, dass sie die EU gut finden, aber nicht ganz, warum und was die EU konkret macht. Und dann haben sie festgestellt, dass es wahrscheinlich auch daran liegt, dass die EU sich nicht so gut verkaufen kann. Ein Blick in die sozialen Medien, wo wir als Digital Natives ja zu Hause sind, hat gezeigt, dass die EU-Institutionen sehr schlechte Kommunikationskanäle haben. Daher kam die Idee: Ach, es wäre ja eigentlich mal ganz lustig, so ein paar Memes hochzuladen. Dann vielleicht ein bisschen zu erklären, was die EU so macht, und auf einige simple Vorteile hinzuweisen.

Unser Ziel ist es in erster Linie, die Leute dazu zu bewegen, dass sie aktiv werden, dass sie verstehen, wofür die Europäische Union steht und warum wir für sie kämpfen sollten.

Katrin Mikolaiczyk, erste Vorsitzende, über den Verein WhyEurope.

Wann kam der Durchbruch?

Der kam, als Marine Le Pen eine Anfrage im Europäischen Parlament gestellt hat, ob wir denn Fördermittel von der Europäischen Kommission bekommen würden. Sie hatte impliziert, dass das der Fall wäre, was halt absoluter Schwachsinn ist, weil wir einfach ein paar Studenten sind, die unabhängig arbeiten. Deswegen sind wir dann ziemlich schnell in der Brüsseler Blase in den Nachrichten gelandet. Das hat uns einen kleinen Boost verschafft.

Was ist euer Ziel?

Unser Ziel ist es in erster Linie, die Leute dazu zu bewegen, dass sie aktiv werden. Dass sie verstehen, wofür die Europäische Union steht und warum wir für sie kämpfen sollten. Natürlich wird da jetzt nicht jeder absolut den Durchblick haben, wie Gesetzgebungsprozesse ablaufen, aber das muss man auch gar nicht, um zu verstehen, dass wir Europa brauchen, um den Frieden und auch den Wohlstand in Europa zu festigen. Ein kurzfristiges Ziel ist gerade, dass wir die Leute dazu bringen, wählen zu gehen. Und vor allem proeuropäisch zu wählen.
Als Nebeneffekt wäre es natürlich auch ganz schön, wenn die EU-Institutionen selbst besser darin werden, sich zu vermarkten. Das sehen wir auch schon kommen.

Es fehlt eine transnationale Öffentlichkeit, weil unser Mediensystem doch sehr auf nationale Politik ausgelegt ist.

Katrin sieht die Probleme, die die EU hat, auch in der Medienlandschaft.

Kann die EU sich denn außerhalb der sozialen Netzwerke gut vermarkten?

Es ist ziemlich paradox: Wenn man sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, sieht man, dass die EU unfassbar transparent ist. Sie ist viel transparenter als nationale Regierungen. Man kann jegliche Dokumente online einsehen, man kann alles anfordern, wenn Sachen nicht veröffentlicht wurden. Die EU macht auch gute Arbeit, was ihre Informationsaufbereitung angeht. Es gibt zu den verschiedenen Policy-Bereichen Factsheets, die ständig aktualisiert werden. Dann gibt es zu den Gipfeln eine Übersicht, was besprochen wurde. Es gibt auch eine Citizens’ App, die vom Europäischen Parlament veröffentlicht wurde. Aber die Leute wissen einfach nichts davon, weil es nicht ankommt.

Woran liegt das?

Das ist nicht nur ein Problem der EU. Es fehlt eine transnationale Öffentlichkeit, weil unser Mediensystem doch sehr auf nationale Politik ausgelegt ist. Ich habe das Gefühl, das ändert sich so allmählich. Ich denke, wir haben eine ganz gute Möglichkeit gefunden, den Blick der EU-Bürger darauf zu lenken. Wir machen einen Post und dann gibt es in den allermeisten Fällen einen Link dazu für die Leute, die noch mehr dazu lesen wollen. Man bekommt all diese Informationen. Ich denke, dass es deswegen solche Vermittler braucht, die medial eine Brücke schaffen können.

Wie schlagt ihr diese Brücke? Also wie kommuniziert ihr, damit die Infos ankommen?

Als Inspiration für die Kommunikationsweise dienten damals Populisten. Das war ja das Paradebeispiel beim Brexit, wie leicht man so einen Diskurs mit einfacher Sprache, emotionalen Bildern und Botschaften, die sehr auf das Individuum zugeschnitten sind, beeinflussen kann. Dementsprechend war die Idee, das Ganze auf eine positive Art und Weise einzusetzen. Quasi unsere Trademark ist deswegen der positive Populismus. Das ist unser Stilmittel, um unsere Botschaften zu vermitteln, und das funktioniert sehr gut.

Positiver Populismus zeichnet sich durch drei Merkmale aus: verständlich, emotional, lebensnah.

Wie helfen euch dabei Memes?

Ich denke, dass wir Memes gerne benutzen, weil sie Assoziationen zu anderen Sachen schaffen. Meistens sind es popkulturelle Referenzen. Wir stellen uns dabei immer die Frage: Was wäre ein Content, den ich auch selbst teilen würde, was finde ich selbst lustig? Deswegen ist es super, wenn man ein Meme schon aus anderen Bereichen kennt, dann assoziiert man die EU gleich mit etwas anderem, was man gerne hat.

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Wie sind die Reaktionen auf eure Posts?

Relativ unterschiedlich. Wir versuchen immer, den Content so zu erstellen, dass er sich nicht an Leute richtet, die die EU eh schon toll finden. Das bringt uns einfach nichts. Wir wollen die Leute erreichen, die es nicht interessiert oder die dann im besten Fall skeptisch sind und die wir überzeugen müssen. Es ist schön, wenn man sieht, dass das funktioniert. Manchmal schaffen wir es, wenn wir Geld hinter die einzelnen Posts setzen, dass wir außerhalb unserer Blase Leute erreichen. Wenn wir mit 10 Leuten sprechen, die eher für den Brexit sind, und vielleicht nur zwei oder drei bereit sind, mit uns zu diskutieren, dann ist damit schon viel gewonnen. Natürlich muss man den Ball flach halten. Wir werden nicht alle bekehren können, aber wir können einen Denkanstoß geben.

Ich denke einfach, dass Europa unsere Zukunft ist.

Katrin ist zweisprachig aufgewachsen und fühlt sich deshalb Europa sehr verbunden. 

Plant ihr etwas speziell zur Europawahl?

Wir werden auf jeden Fall eine Go-vote Kampagne starten. Wir treffen uns dieses Wochenende zu einem Bootcamp in Brüssel. Wir werden dann ein Wochenende lang nur Posts produzieren: verschiedene Kampagnen für verschiedene Zielgruppen und verschiedene Zwecke, bei denen wir versuchen, die Leute dazu zu bewegen, wählen zu gehen. Aber wir werden zum anderen auch versuchen, auf sehr einfache Art und Weise die Parteiprogramme herunterzubrechen. Wir werden an dem Wochenende daran vermutlich am meisten zu knabbern haben, weil es sehr schwierig ist, unserem positiven Populismus bei so komplexen Themen gerecht zu werden. Dazu kommt, dass wir national wählen, aber wir nicht in der Lage sind, das für jedes Land auseinanderzunehmen. Das heißt, wir werden eher mit den Parteifamilien arbeiten. Wir wollen die Visionen für Europa darstellen, die die einzelnen Parteien haben, um damit einen Denkanstoß zu geben. Und dann werden wir das mit substanziellen Informationen und mit weiterführenden Lesematerialien unterfüttern. Das wird dann den ganzen Mai laufen.

Was ist für dich der wichtigste Grund für Europa?

Ha, es gibt sehr viele für mich. Es ist zum einen so, dass ich mich sehr europäisch fühle. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, ein Teil meiner Familie kommt aus Polen. Für mich war das eine Identität, auf die ich zurückgreifen konnte. Ich habe mich Europa einfach immer sehr verbunden gefühlt. Als ich dann nach dem Abi ins Ausland gegangen bin, ist das noch stärker geworden. Darüber hinaus denke ich einfach, dass Europa unsere Zukunft ist. Ich glaube, dass uns letztendlich auch mehr eint als trennt. Man muss sich vor Augen führen, was für eine Erfolgsgeschichte die EU ist. Wir hatten noch nie so eine lange Friedensphase in Europa. Das kommt nicht von ungefähr. Dementsprechend müssen wir zusammenarbeiten, müssen uns auf eine gewisse Weise voneinander abhängig machen, um nationalen Egoismus zu verhindern, und versuchen, Verbindungen zwischen EU-Bürgern zu schaffen, um uns gegenseitig zu stärken.

Wer ist WhyEurope und was macht es? Short Version:

WhyEurope war die Idee von drei Studenten aus Freiburg, die festgestellt haben, dass die EU in den sozialen Medien sich nicht gut verkaufen kann. Mittlerweile ist WhyEurope ein eingetragener Verein mit 25 aktiven Mitgliedern aus 11 Ländern, die Memes zu Fakten der EU produzieren. Je nach Post erreichen die Memes zwischen 2000 und 40.000 Leute. Der Verein finanziert seine Arbeit ausschließlich über Spenden und alle Mitglieder beteiligen sich ehrenamtlich.

ein blauer Kreis mit gelben Sternen und einem roten Kreuz

Am 26. Mai findet die Europawahl statt. Auch wenn viele von euch noch nicht wählen gehen dürfen, ist das ein guter Zeitpunkt über die Europäische Union nachzudenken. Wir beleuchten die Hard und Soft Facts der EU und stellen Visionen für ein geeintes Europa vor. 

Titelbild: Maximo Gonzales

Als ich mit der Schule fertig war, wollte ich nur einen Job, der mir nie langweilig wird. Die Kulturszene, dachte ich mir, ist doch eine Szene voller Wandel. Deswegen habe ich Kulturarbeit studiert. Später habe ich festgestellt, dass es im Journalismus noch mehr Abwechslung gibt, weil man stets auf der konkreten Suche nach den neuen heißen Themen ist. Doch weil über Vergangenheit und Gegenwart schon so viel geschrieben wird, studiere ich nun Zukunftsforschung und schaue, ganz ohne Glaskugel, in die Zukunft.