Nero
Hannes Beyer ist funky-Jugendreporter und Poetry Slammer. Manchmal, zu besonderen Anlässen, schreibt er seine Slams auf und wir können sie veröffentlichen. So wie heute. Vorhang auf!
Manchmal, da will man reden. Manchmal, da will man mit irgendjemandem reden. Manchmal, da will man irgendwo hin und doch liegt ein emotionaler grauer Oktobertag über dem Gemüt und lässt die Raben in mir krächzen. Sie schreien und ächzen und zerfetzen mir das Großhirn. In mir sind manchmal kognitive Kannibalen, die konsequent alles in meinem Leben schwarzmalen.
Serien gucken bringt nichts, Laternen beim Leuchten beobachten bringt auch kein Licht ins Gesicht, sondern wirft nur Schatten – ausgehend von den Wangenknochen hoch über die Augen bis zur von Gramesfalten durchzogenen Stirn, setzen sie sich fest, krallen sich an mich und bohren sich in meinen Haaransatz. So, wird man alt – äußerlich.
Kalt wie etwas, was kein Feuer und keine Wolle jemals heizen können, denn die Kohlebriketts für die Freude am Sein sind Menschen. Menschen zu verheizen widerspricht unserem Ehrenkodex, denn „Menschen haben Werte“.
„Meine werten Damen und Herren! Bitte begrüßen sie die neue deutsche Ethik, die Weltversteherloge der Demokratie, gekleidet in scheinheilige Schimmer von Süffisanz!“
Lediglich mein Blick macht aus einem rehbraun ein eisblau, weil es in mir kalt ist. Und das System funktioniert. Es funktioniert. Zumindest – für die meisten – denn manche, die wollen manchmal mit irgendjemandem reden, können es aber nicht, weil ihnen Menschen zuwider sind. Weil sie sich selbst an manchen Tagen zuwider sind, wenn der Blick in den Spiegel mal wieder nicht stimmt. Wenn man realisiert, dass man selbst alles nur noch mieser macht, weil man den Moment konsequent schwarz malt. In allen Schattierungen, die schwarz vielleicht hergeben mag.
Schwarz ist bunt genug, schwarz macht schlank, doch schwarz frisst dich auf.
Alle wollen den Tag genießen, doch, wenn einmal Blumen sprießen, dann waren das nur schöne Blumen, aber kein schöner Moment für sie. Mit ihrer Sprunghaftigkeit und ihrem Superlativ stürzen sie mich supertief in ein Loch voll Misanthropie, die wie kleeebrig süßer Sirup immer tiefer in meinen Kopf vordringt und klingt und klingt und klingt, wie eine Münze – doch, der Groschen ist gefallen: die Dummheit ist allgegenwärtig.
Stets wird carpe diem gepredigt ohne jeden Ansatz von Kenntnis darüber, was carpe diem überhaupt bedeutet, denn in ihrer Nächtedurchzecherei wurde vergessen – Latein zu lernen. Carpe diem bedeutet nun mal „nutze den Tag“, nicht: beschmutze den Tag mit deinem schrecklichen Gelaber über diverse wenn und aber deines Lebens, sondern – halt auch mal die Fresse. Atme durch, atme ein, atme aus, linkes Ohr rein, rechtes Ohr raus. Berlin ist nun mal anonym, das weiß jeder. Und jeder lebt hier freiwillig. Also muss auch jeder damit klarkommen, dass nicht jeder deine Lebensgeschichte kennen will, miterleben will und vor allem – nicht zwingend ein Teil von ihr sein will.
Ich brauche euch nicht und ihr – braucht mich nicht. Von vornherein heißt es: „Nach oben buckeln, nach unten treten.“ Für alles andere ist man zu feige. Von hinten durch die Brust ins Auge, so sind unsere „Werte“. Ich brauche euch nicht und ihr – braucht mich nicht.
Aber manchmal, manchmal da will man trotzdem mit irgendjemandem reden, da will man irgendwo hin und doch liegt ein emotionaler grauer Oktobertag über dem Gemüt und lässt die Raben in mir krächzen. Es muss heutzutage immer das Beste sein, immer das Perfekte sein. Wir wollen keine einzige Sekunde verschwenden, aus Angst, etwas zu verpassen, doch am Ende, am Ende fehlt uns nur noch Ruhe.
Geht mir aus den Augen. Aus meinen Augen, die rehbrauneisblau sind.
Rehbrauneisblau, ein Stichpunkt in meinem Steckbrief in irgendeiner Datenbank. Aber was bringen Augenfarben, wenn die Menschen farbenblind sind? Freundschaften sind Bekanntschaften, verweht im Winde der Zeit. Wir nehmen uns wahr, aber kennen uns nicht. Menschen sind Rudeltiere, aber unser Rudel ist verwest, verkümmert und versprengt über alle Herren Länder.
Wir finden nicht zusammen, sondern lachen lieber über Penner, die am Wegrand liegen und wir versuchen auf biegen und brechen zu polarisieren doch – NEHMT DOCH EINFACH MAL DEN DRUCK RAUS!
Und fangt an mit irgendjemandem zu reden, sonst tanzt ihr bald in eurem eigenen Ascheregen. Denn eure Seele ist Rom – und es braucht nur einen kleinen Funken, einen kleinen Nero, bis Rom brennt.
Nero
Manchmal, da will man reden. Manchmal, da will man mit irgendjemandem reden. Manchmal, da will man irgendwo hin und doch liegt ein emotionaler grauer Oktobertag über dem Gemüt und lässt die Raben in mir krächzen. Sie schreien und ächzen und zerfetzen mir das Großhirn. In mir sind manchmal kognitive Kannibalen, die konsequent alles in meinem Leben schwarzmalen.
Serien gucken bringt nichts, Laternen beim Leuchten beobachten bringt auch kein Licht ins Gesicht, sondern wirft nur Schatten – ausgehend von den Wangenknochen hoch über die Augen bis zur von Gramesfalten durchzogenen Stirn, setzen sie sich fest, krallen sich an mich und bohren sich in meinen Haaransatz. So, wird man alt – äußerlich.
Kalt wie etwas, was kein Feuer und keine Wolle jemals heizen können, denn die Kohlebriketts für die Freude am Sein sind Menschen. Menschen zu verheizen widerspricht unserem Ehrenkodex, denn „Menschen haben Werte“.
„Meine werten Damen und Herren! Bitte begrüßen sie die neue deutsche Ethik, die Weltversteherloge der Demokratie, gekleidet in scheinheilige Schimmer von Süffisanz!“
Lediglich mein Blick macht aus einem rehbraun ein eisblau, weil es in mir kalt ist. Und das System funktioniert. Es funktioniert. Zumindest – für die meisten – denn manche, die wollen manchmal mit irgendjemandem reden, können es aber nicht, weil ihnen Menschen zuwider sind. Weil sie sich selbst an manchen Tagen zuwider sind, wenn der Blick in den Spiegel mal wieder nicht stimmt. Wenn man realisiert, dass man selbst alles nur noch mieser macht, weil man den Moment konsequent schwarz malt. In allen Schattierungen, die schwarz vielleicht hergeben mag.
Schwarz ist bunt genug, schwarz macht schlank, doch schwarz frisst dich auf.
Alle wollen den Tag genießen, doch, wenn einmal Blumen sprießen, dann waren das nur schöne Blumen, aber kein schöner Moment für sie. Mit ihrer Sprunghaftigkeit und ihrem Superlativ stürzen sie mich supertief in ein Loch voll Misanthropie, die wie kleeebrig süßer Sirup immer tiefer in meinen Kopf vordringt und klingt und klingt und klingt, wie eine Münze – doch, der Groschen ist gefallen: die Dummheit ist allgegenwärtig.
Stets wird carpe diem gepredigt ohne jeden Ansatz von Kenntnis darüber, was carpe diem überhaupt bedeutet, denn in ihrer Nächtedurchzecherei wurde vergessen – Latein zu lernen. Carpe diem bedeutet nun mal „nutze den Tag“, nicht: beschmutze den Tag mit deinem schrecklichen Gelaber über diverse wenn und aber deines Lebens, sondern – halt auch mal die Fresse. Atme durch, atme ein, atme aus, linkes Ohr rein, rechtes Ohr raus. Berlin ist nun mal anonym, das weiß jeder. Und jeder lebt hier freiwillig. Also muss auch jeder damit klarkommen, dass nicht jeder deine Lebensgeschichte kennen will, miterleben will und vor allem – nicht zwingend ein Teil von ihr sein will.
Ich brauche euch nicht und ihr – braucht mich nicht. Von vornherein heißt es: „Nach oben buckeln, nach unten treten.“ Für alles andere ist man zu feige. Von hinten durch die Brust ins Auge, so sind unsere „Werte“. Ich brauche euch nicht und ihr – braucht mich nicht.
Aber manchmal, manchmal da will man trotzdem mit irgendjemandem reden, da will man irgendwo hin und doch liegt ein emotionaler grauer Oktobertag über dem Gemüt und lässt die Raben in mir krächzen. Es muss heutzutage immer das Beste sein, immer das Perfekte sein. Wir wollen keine einzige Sekunde verschwenden, aus Angst, etwas zu verpassen, doch am Ende, am Ende fehlt uns nur noch Ruhe.
Geht mir aus den Augen. Aus meinen Augen, die rehbrauneisblau sind.
Rehbrauneisblau, ein Stichpunkt in meinem Steckbrief in irgendeiner Datenbank. Aber was bringen Augenfarben, wenn die Menschen farbenblind sind? Freundschaften sind Bekanntschaften, verweht im Winde der Zeit. Wir nehmen uns wahr, aber kennen uns nicht. Menschen sind Rudeltiere, aber unser Rudel ist verwest, verkümmert und versprengt über alle Herren Länder.
Wir finden nicht zusammen, sondern lachen lieber über Penner, die am Wegrand liegen und wir versuchen auf biegen und brechen zu polarisieren doch – NEHMT DOCH EINFACH MAL DEN DRUCK RAUS!
Und fangt an mit irgendjemandem zu reden, sonst tanzt ihr bald in eurem eigenen Ascheregen. Denn eure Seele ist Rom – und es braucht nur einen kleinen Funken, einen kleinen Nero, bis Rom brennt.