G20-Gipfel: Wer ist schuld am Debakel?

Ein Demonstrant liegt vor Polizisten beim G20-Gipfel
Violent mass demonstrations took place in several flash points throughout Hamburg as German riot police confronted Anti capitalism and radical left wing groups protesting against the G20 summit in the city, on July 7, 2017. (Photo by Nicolas Liponne/NurPhoto) | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Ein Jahr nach den Krawallen anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg ist noch vieles unklar.
Von Niklas Schulz

Wie konnte es so weit kommen? Proteste, Gewalt und Randale versetzten die Stadt in den Ausnahmezustand, als Anfang Juli 2017 die G20-Staaten in Hamburg tagten.

Schon Wochen im Voraus hatten die Gipfelgegner friedlich und kreativ demonstriert, deutlich zeigte die Stadt ihr Missfallen am Treffen der mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt. Die Anspannung vor dem Gipfel war hoch, die linke Szene erwartete einen der größten Schwarzen Blöcke überhaupt und versprach Widerstand. Viele Menschen reisten sogar aus dem Ausland an, um sich an den Protesten zu beteiligen.

Das Motiv des G20-Gipfels: Krawall

Mehr als 31.000 deutsche Polizeibeamte waren deshalb im Einsatz, zudem mehr als 200 ausländische Spezialkräfte. Doch all die Polizisten konnten die gewalttätigen Krawalle der Linksradikalen nicht verhindern, die zum bestimmenden Motiv des Gipfels wurden: Bilder von brennenden Autos, Barrikaden und Wasserwerfern sorgten für weltweites Aufsehen. Noch mal: Wie konnte es so weit kommen? Auch mehr als ein Jahr danach gibt es noch viele offene Fragen.

Um die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel aufzuarbeiten, wurde ein Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft einberufen. Doch nun hat dieser seine Arbeit eingestellt – ohne einen Abschlussbericht vorzulegen. Die Differenzen der Ausschussmitglieder seien zu groß, als dass man zu einer gemeinsamen Erklärung kommen könne, hieß es. Jetzt will jede Fraktion eine eigene Stellungnahme abgeben. Die politische Verantwortung für den Kontrollverlust will keiner übernehmen, die Aufklärung bleibt vorerst unvollständig.

Im Zuge der Ermittlungen wurden allerdings 3000 Verfahren gegen Demonstranten eingeleitet, die ersten Verurteilungen – bislang schlagen 136 Anklagen, drei rechtskräftige Haftstrafen und mehr als 30 Bewährungsstrafen zu Buche.

Auch Polizisten haben sich strafbar gemacht, doch wo bleibt die Aufklärung?

Gegen Polizisten, die sich im Laufe des Gipfels strafbar gemacht haben sollen, wird kaum ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat rund 150 Verfahren eingeleitet, viele sind bereits eingestellt worden. Auch interne Verfahren haben bislang nichts ergeben. Es gibt weder Anklagen noch Urteile. Lediglich in zwei Fällen entschieden Gerichte, dass G20-Gegner rechtswidrig in Gewahrsam genommen worden seien.

Thomas Feltes, ein renommierter Polizeiexperte, hält es für unwahrscheinlich, dass die schlechte Beweislage für den Unterschied verantwortlich ist. Es sei denkbar, dass die Staatsanwaltschaft voreingenommen zugunsten der Polizei entscheide. Amnesty International kritisiert, viele Polizisten seien nicht gekennzeichnet gewesen, und befürchtet, es würde das Vertrauen in den Rechtsstaat „massiv beschädigen“, sollten deshalb Verfahren eingestellt werden.

Zuletzt wurde bekannt, dass sich sächsische Zivilpolizisten getarnt unter den Schwarzen Block der autonomen Großdemonstration „Welcome to Hell“ gemischt haben könnten. Ob die entsprechende Aussage eines Polizisten wahr ist und ob damit ein Straftatbestand vorliegt, ist nicht geklärt. Genauso die Fragen, ob Politik und Polizei den Unmut und das Gewaltpotenzial der G20-Gegner schlicht unterschätzt haben und wer letztlich die Schuld an den Krawallen trägt: Alles noch lange nicht beantwortet.

Titelbild: dpa / Nicolas Liponne

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