Meinung

Meine Haut ist nicht Ihre Sorge

Ein Tätowierer tätowiert
Close up tattoo artist demonstrates the process of getting black tattoo with paint. Master works in black sterile gloves. Master of tattoo fill circuit tattoo.

Die CDU-Politikerin Gitta Connemann möchte Beratungsfristen einführen, die davor schützen sollen, sich im alkoholisierten Zustand oder unter Gruppenzwang ein Tattoo stechen zulassen. WTF?

Von Noah Egner

Gitte Connemann, Unions-Fraktionsvize, sorgt sich um uns, damit wir jungen Leute uns nicht, infantil und unbedacht, wie wir sind, ein Horror-Tattoo stechen lassen, was uns Ansehen und Karriere kostet. Konkret heißt das, dass zwischen Beratung und Stechtermin eine zeitliche Bedenkfrist liegen soll, in der man über seine Entscheidung nachdenken kann. Mit diesen Beratungsfristen glaubt Connemann die spontanen Tattoos, die Produkt unserer Laune sind, verhindern zu können. Gleichzeitig glaubt sie aber anscheinend auch, dass das ihre Sorge ist.

Das Problem sind die Tätowierenden, nicht die Tätowierten

Aber: Ein Tattoo im Alkoholrausch stechen zu lassen, ist nicht nur unglaublich dumm und gefährlich, sondern auch schwierig. Die meisten der seriösen Tätowierer würden niemals einen Alkoholisierten tätowieren. Natürlich gibt es schwarze Scharfe, die auch davor nicht zurückschrecken. Das Problem ist: Wer stechen will, darf das auch, es bedarf lediglich einen Gewerbeschein und ein Alter von 18 Jahren. Kein Zertifikat, kein Nachweis ist notwendig und schon kann jeder mit einer 150 Euro-Maschine vom Flohmarkt bewaffnet den Freundeskreis verschönern. Connemann hat dieses Defizit in der Gesetzgebung zwar gegenüber der „Welt“ kritisiert, aber dass war’s auch.

Hier meine Frage: Warum über sinnlose Fristen reden, anstatt konsequent zu regulieren, wer den Beruf ausüben darf? So bliebe das Tattoo-Stechen bei seriösen Künstlern authentisch und Kritzeleien von Schmierfingern, die demoralisiert alles stechen, was ihnen vor die Nadel kommt, werden gestoppt.

Hygienestandards sollten Sorge der Politik sein

Laut einer repräsentativen Studie der Uni Leipzig vom 22. September 2017 ist jeder fünfte Deutsche tätowiert. Tendenz steigend. Die Aufgabe sollte sein, Gefahren wie Infektionskrankheiten und Farben, die krankheitserregend sind, zu minimieren. Letzteres nimmt sich Connemann ebenfalls vor. Bei einem Tattoo-Gipfel möchte sie eine europaweite Regelung zur Sicherheit von Tätowiermitteln besprechen.

Doch hier wieder meine Frage: Warum knausert man mit Paragraphen rum, anstatt eine generelle Reglung zu finden, die alle Probleme löst und vor allem den schwarzen Schafen ein Ende bereitet. Diese Studie ist real, die Risiken, die von zwielichtigen Tattoomeistern ausgehen, sind real. Das einzig Illusorische hier ist der blinde Aktionismus von Frau Connemann.

Wenn man Gitta Connemanns Vorschlag so überdenkt, ist zu vermuten, dass sie bis jetzt nur auf naive junge Leute gestoßen ist. Sie ist mit ihrer Überlegung anmaßend und übergriffig. Mit dem Erreichen der Volljährigkeit hat man das Recht zu tun und zu lassen, was man will – natürlich unter Einhaltung der Gesetze. Ein Staat kann seine Bürger nicht vor allem schützen, schon mal gar nicht vor derart persönlichen Entscheidungen. Entscheidungen, die ausschließlich den eigenen Körper betreffen und sonst niemanden. Der Mensch muss Verantwortung für sein Handeln tragen. Was ist das also für eine Überlegung einen Menschen um seine Verantwortung zu bringen?

 

Titelbild: iStock/Belyjmishka 

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