Unfaire Doppelmoral: Alle sehen nur das Schlechte in Herthas Ultras!

Hertha-Fans beim DFB Pokal
14.08.2017, Fussball DFB Pokal 1. Runde, Hansa Rostock - Hertha BSC Berlin
Die öffentliche Wahrnehmung von Herthas Ultras ist ausschließlich negativ. Dabei gelten sie als Stimmungsmotor im Stadion und setzen sich für tarditionelle Werte ein.
Von einem Berliner Schüler, der lieber anonym bleiben möchte

Zu allererst möchte ich aber den Begriff „Ultra“ erklären. Einer der Vorsänger von Hertha BSC, der der Ultra-Gruppierung „Harlekins Berlin ’98“ angehört, sagte in einem Interview mit der Berliner Morgenpost: „Für mich bedeutet es, dass ich mein Leben komplett dem Verein verschrieben habe (…) Ich richte alles danach aus, Hertha und Fußball beschäftigt mich rund um die Uhr. Und meinen Urlaub plane ich natürlich so, dass ich keine Spiele verpasse“.

Für alle Ultras ist Fußball das größte Hobby in ihrem Leben. Die extremen Emotionen, die man während eines Spiels erlebt, bekommt man nirgendwo sonst. Es gibt also keine feste Definition. Allerdings denke ich, dass diese Beschreibung das „Ultra-Lebensgefühl“ relativ gut erklärt. Diese Denkweise muss man nicht nachvollziehen können, aber eine gewisse Akzeptanz dafür sollte da sein.

Fans sind nicht gleich Fans!

Als Außenstehender betrachtet man die Fans und die Kurve als eine Einheit. Wie mein Freund in unserer Unterhaltung schären also auch viele Andere alle Fans über einen Kamm. Dabei kann man Fußballfans zum Beispiel in Ultras, Hooligans, Alles-Fahrer und noch weitere Kategorien unterteilen. Außerdem sind unter den Fans auch viele verschiedene Alters- und Berufsgruppen vertreten. Das geht von Schülern über Akademiker und Arbeitslose bis zu Rentnern.

Ehrenwerte Absichten

Ultras setzen sich so häufig wie es geht dafür ein, dass der Fußball der Volkssport bleibt und versuchen, die traditionellen Werte zu wahren. So sind beispielsweise die Modernisierung und das Einbeziehen von Investoren Kritikpunkte, bei denen die Fronten der Vereine mit denen der Ultras aufeinanderprallen.

Ultras provozieren…aber nicht nur!

Kritik üben die Ultras zum Beispiel daran, dass ein einzelner Spieler eine Ablösesumme von über 220 Millionen kostet. Oder daran, dass für eine Weltmeisterschaft Stadien unter schlimmsten Arbeitsbedingungen errichtet werden, nur damit zwei Monate Fußball in modernen Stadien gespielt werden kann. Um überhaupt wahrgenommen zu werden, setzen die Ultras meistens allerdings auf sehr provokante Aussagen, wie zuletzt mit der Aktion „Krieg dem DFB!“.

Medien reduzieren auf die Extreme

Das ist der entscheidende Grund, aus dem Ultras in der Öffentlichkeit ein überwiegend schlechtes Ansehen haben. Die Medien nutzen natürlich genau diese Dinge als Angriffsfläche und berichten regelmäßig undifferenziert über das Verhalten aktiver Fans. So ist häufig nur von „Chaoten“ oder „Idioten“ die Rede.

Auch überdimensionale Polizeieinsätze sind bei Auswärtsspielen keine Seltenheit mehr. So wurden erst letztens 200 aktive Fußballfans von über 35 Mannschaftswagen, drei Wasserwerfern, einem Hubschrauber, dutzenden Polizisten auf Pferden und mit Kamphunden empfangen und vom Bahnhof bis zum Stadion begleitet.

Hooligans und Ultras – ein gewaltiger Unterschied

Der Polizei ist wohl immer noch nicht bewusst, dass es zwischen Hooligans und Ultras einen – im wahrsten Sinne des Wortes – gewaltigen Unterschied gibt. Bei einer medialen Berichterstattung mit eben beschriebener Situation ist es selbstverständlich, dass Ultras ein schlechtes Ansehen haben. Allerdings bleibt es fast immer bei verbalen Auseinandersetzungen zwischen Fangruppen verschiedener Vereine. Ultras meiden aus diesen Gründen inzwischen meistens das Gespräch mit den Medien.

Unfaire Doppelmoral

Zu der undifferenzierten Berichterstattung kommt aber auch eine extreme Doppelmoral. Gibt es eine aufwändige, sehenswerte Choreographie, die die Ultras über mehrere Monate hinweg planen und aus eigener Kraft, unabhängig vom Verein finanzieren , sind Ultras plötzlich die Helden des Spieltages.

Auch die Thematik Pyrotechnik fällt unter das Stichwort Doppelmoral. Während vor 20 bis 30 Jahren das Abbrennen von Feuerwerkskörpern noch „tolle Bilder“ lieferte, macht man heute so „den Fußball kaputt und schadet seinem eigenen Verein“. Dass Ultras kontrolliert Pyrotechnik abbrennen, interessiert dort niemanden. Und in Wirklichkeit ist es so, dass wirklich niemand hustend aus dem Block rennt, wenn gezündet wird.

 

Vielmehr zücken viele ihre Handys und wollen diesen Moment für sich festhalten. Pyrotechnik ist ein Stimmungsmacher. Insgesamt hat man bisher mehr Verletzungen durch Pfefferspray-Einsätze der Polizei notiert, als durch das Abbrennen bengalischer Feuer. Generell gelten wir Ultras eigentlich als Stimmungsmotor im Stadion.

Ultras machen Stimmung und sind sozial

Auch eine Berichterstattung über das soziale Engagement von Ultras bleibt komplett aus. Dass man Klamotten für Obdachlose sammelt, Spendentage für erkrankte Menschen organisiert, Flüchtlinge aufnimmt oder in den letzten 20 Jahren extrem dafür gesorgt hat, dass es so wenig Rassismus wie möglich im Fußballstadion gibt, bekommt keiner mit.

Alles das machen die selben Leute, die Ultars. Und trotzdem sehen die Meisten nur das Negative. Die Medien verstärken das zusätzlich. Bitte versteht: Fußballfans sind keine Verbrecher.

Beitragsbild: picture alliance / Foto Huebner

Von Reinickendorf bis Bochum, von Fulda bis Ottensen – überall schreiben Schülerinnen und Schüler Artikel über das, was um sie herum passiert. Jeder und jede aus ihrer eigenen Sichtweise, mit eigener Meinung und eigenem Schwerpunkt. Bei all den Unterschieden eint sie, dass sie mit ihrer Klasse an MEDIACAMPUS teilnehmen, dem medienpädagogischen Projekt der Funke Mediengruppe. Das erlernte Wissen wenden sie dann praktisch an, indem sie erste journalistische Texte schreiben. Auf funky können sie die Früchte ihrer Arbeit präsentieren.