Am Sterbebett – Wie traurig ist eine Trauerbegleiterin?

gepflueckte Margeriten
gepflueckte Margeriten (c) pexels.com

In Ihrem Hospiz bieten Sie die Begleitung schwerstkranker Kinder und Erwachsener an. Was für Unterschiede gibt es zwischen dem Kinderhospiz und dem Erwachsenenhospiz?
Im Erwachsenenbereich sieht die praktische Begleitung anders aus. Da begleiten wir relativ kurz. Manchmal wirklich nur in der Sterbephase. Da beträgt die durchschnittliche Begleitungsphase drei bis vier Wochen. Im Kinderbereich beträgt sie durchschnittlich sechs Jahre.
Die Inhalte sind auch unterschiedlich. Wenn ich zu einem erwachsenen Sterbenden gerufen werde, heißt das ganz oft, dass ich eigentlich nur noch am Bett sitzen kann. Was eigentlich etwas ganz Besonderes ist. Da kann ich zuhören, vielleicht auch ein bisschen vorlesen oder erzählen – einfach damit der Mensch nicht alleine sein muss.

Und im Kinderbereich müssen wir uns echt die Ärmel hochkrempeln und alles das machen, was die Kinder gerne noch machen mögen und können. Das ist auch oft so, dass wir dann mit dem Rollstuhl unterwegs sind und durch die Gegend sausen und spielen – eben alles, was anderen Kinder in dem alter auch machen würden. Das ist eine ganz aktive Begleitung.
Für erwachsene Menschen ist das Thema Sterben, Tod und Trauer auch etwas sehr Belastendes. Kinder gehen da ganz anders mit um. Für die ist das noch nicht so schwer – nicht so belastend – und die sind auch in der Phase oftmals ganz fröhlich und offen.

Fühlt man sich nach der Zeit mit den Patienten verbunden?
Ja, das ist oftmals auch das Traurige an den Begleitungen. Wenn eine Begleitung kurz dauert, ist es schwer eine Beziehung aufzubauen. Von der Beziehung ist es auch immer abhängig, wie traurig ich dann hinterher bin. Es ist immer traurig, wenn ein Mensch geht, aber ich bin damit persönlich nicht so angesprochen. Aber wenn eine Begleitung über viele Wochen oder auch Monate geht, dann ist eine Beziehung entstanden – ein Vertrauensverhältnis. Wenn der Mensch dann stirbt, dann hat das eine andere Qualität. Die Mitarbeiter sind dann sehr betroffen aber es ist auch schön, wenn sie dann auch mit zur Beerdigung gehen. Sie bekommen dann einen Abschluss für sich selber.

Hinterher gehen sie auch noch ein bis drei Mal zu den Angehörigen des Verstorbenen, wo man nochmal über Trauer reden kann. Dann kann man es auch ziemlich gut ablegen. Das ist für die Selbstversorgung ganz wichtig. Man muss gucken, wann man wieder bereit ist für was Neues. Manchmal fließen auch bei uns die Tränen – Das ist klar (grinst).

Kennen Sie selber Grenzen zwischen dem, was Sie tun und dem, was Sie fühlen?
Diese Frage finde ich ganz wichtig, weil wir klare Grenzen haben und weil wir unsere Mitarbeiter auch gerade in diesem Bereich sehr gut schulen. Wir brauchen Grenzen, denn sonst könnte man diese Arbeit nicht so lange machen. Ich sage immer, Hospizarbeit ist immer eine psychosoziale Arbeit. Zum Beispiel kümmern wir uns auch nicht um außerhospizliche Probleme. Die sind im Hintergrund. Deswegen gibt es immer eine klare Auftragsklärung. Das machen wir auch zum Schutz unserer Mitarbeiter. Man könnte ja ganz viel machen, aber wir machen nur das. Die andere Grenze muss jeder Einzelne bei sich selbst ziehen.

Nehmen Sie diese Gefühle in Ihr Privatleben mit oder lassen Sie diese am Arbeitsplatz?
Ich für meinen Teil nehme sehr wenig mit in mein Privatleben. Das ist etwas, was ich im Laufe der vielen Jahre gelernt habe. Ich lese zum Beispiel, wenn ich zu Hause bin, keine hospizlichen Bücher. Da versuche ich das Thema wirklich außen vor zu lassen. Hier ist Arbeit und wenn ich zu Hause bin, fängt die Zeit an, wo ganz andere Dinge dran sind. Das habe ich, glaube ich, ganz gut für mich geregelt. Trotzdem gibt es immer berührende Momente, die ich auch nach Hause nehme. Aber die sind nicht langanhaltend. Das ist dann vielleicht für ein paar Stunden aber es ist nichts, was mich jetzt durchgängig traurig machen würde.

Hat der Beruf und das Zusammensein mit den Patienten auch schöne Seiten?
Auf alle Fälle. Wir sagen immer, das der Job eine Win-win-Situation ist. Wir geben ganz viel  an Zeit und Gefühl. Aber wir kriegen auch sehr viel zurück – viel an Vertrauen, an Wertschätzung und an Dankbarkeit. Genau das ist eigentlich auch das Schöne an der Arbeit. Solange diese Waage ausgeglichen ist, geht es einem auch gut. Das heißt nicht, dass der Tod letztendlich nicht schwierig und traurig ist, aber grundsätzlich ist es das A und O, in der Balance zu bleiben.

Beitragsbild: pexels.com

Von Reinickendorf bis Bochum, von Fulda bis Ottensen – überall schreiben Schülerinnen und Schüler Artikel über das, was um sie herum passiert. Jeder und jede aus ihrer eigenen Sichtweise, mit eigener Meinung und eigenem Schwerpunkt. Bei all den Unterschieden eint sie, dass sie mit ihrer Klasse an MEDIACAMPUS teilnehmen, dem medienpädagogischen Projekt der Funke Mediengruppe. Das erlernte Wissen wenden sie dann praktisch an, indem sie erste journalistische Texte schreiben. Auf funky können sie die Früchte ihrer Arbeit präsentieren.

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